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Ein Inkassounternehmen behauptet, ich sei vor Jahren zu einer Zahlung verurteilt worden. Ich weiß aber gar nichts von einer Klage und höre heute zum ersten Mal davon. Muss ich zahlen?
Handeln Sie rasch: Vielleicht ist ja tatsächlich ein Titel (Urteil oder ähnliches) gegen Sie ergangen.
Denn auch die Hinterlegung beim Postamt, wenn die Post Sie nicht zu Hause angetroffen hat, gilt als rechtmäßige Zustellung. Allerdings nur, wenn Sie derzeit an Ihrer „Abgabestelle“ (Wohnung oder Arbeitsstätte) aufhältig sind. Waren Sie hingegen zum Zeitpunkt der Zustellung und während des darauffolgenden Hinterlegungszeitraums ortsabwesend (weil Sie nicht mehr dort wohnen, auf Urlaub waren oder im Krankenhaus), dann war die Zustellung nicht wirksam. Das Urteil wäre dann nur „scheinrechtskräftig“ und kann beseitigt werden.
Finden Sie bei Ihrer Rückkehr einen gelben Zettel im Postkasten, dass ein Schriftstück für Sie hinterlegt ist, dann wird, falls das Schriftstück noch für Sie bereit liegt, die Zustellung am nächsten Tag wirksam" Sie sollten das Schriftstück dann rasch von der Post abholen.
Die Gerichte überprüfen bei schwer wiegenden Sachverhalten besonders streng den Zustellvorgang, und Zweifel an der ordnungsgemäßen Zustellung wirken sich dann zu Ihren Gunsten aus. Ein Rechtsanwalt kann für Sie die unangenehmen Auswirkungen so genannter scheinrechtskräftiger Titel beseitigen lassen und allfällige Exekutionen stoppen. Die Kosten dafür hat, wenn Sie Erfolg haben, die Gegenseite zu ersetzen.
Freilich müssen Sie Ihre Abwesenheit zumindest „bescheinigen“, durch Meldezettel, Buchungsbestätigungen oder Zeugen. Der Anwalt wird gleichzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag stellen, für alle Fälle, z. B. falls Ihnen der Nachweis Ihrer Abwesenheit doch nicht gelingen sollte, Sie aber trotzdem keine oder nur geringe Schuld an der Unkenntnis von der Zustellung trifft.
Das ist häufig der Fall, wenn Briefkästen aufgebogen oder aufgebrochen sind. Klagen und verfahrenseinleitende Schriftstücke müssen Ihnen „eigenhändig“ (RSa, blaues Kuvert) zugestellt werden.
Das kann durch nichts ersetzt werden, auch nicht dadurch, dass Sie später Kenntnis von der Klage oder vom Urteil erlangen. Schickt Ihnen das Inkassounternehmen später eine Kopie des Urteils oder haben Sie schon durch Exekutionshandlungen davon erfahren, so ersetzt das alles nicht die Zustellung des Originals.
Erst wenn Sie, sei es Jahre später, vom Gericht das Original ausgehändigt bekommen, „heilt“ die fehlerhafte Zustellung und setzt die Fristen in Gang.
Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien
Quelle: KURIER | 08.11.2001 | Seite 34
Neuer Ratgeber soll Kunden von Banken mehr Macht verleihen
Von Rosa Eder
Die Banken und ihre Praktiken geben in Österreich immer wieder Anlass zu Diskussionen. „Jeder kann stundenlang zu dem Thema Geschichten erzählen“, meint der Journalist Robert Schlesinger, der gemeinsam mit dem Vermögensberater Alexander Schotten und dem Rechtsanwalt Benedikt Wallner einen seiner Meinung nach längst überfälligen Banken-Ratgeber für Konsumenten geschrieben hat.
Das in Kooperation mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) entstandene Buch „devisen schulden spesen sparen: Die Praktiken der Banken – Die Chancen des Kunden“ soll Konsumenten dazu animieren, nicht alles zu akzeptieren, was ihnen ihr Geldinstitut anbietet, sondern sich ei Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Die Banken würden hierzulande eine „pseude-sakrale“ Position einnehmen, kritisierte Schlesinger am Donnerstag bei der Präsentation des Ratgebers vor Journalisten. Dem VKI sind vor allem die „kundenfeindlichen und gesetzwidrigen“ Klauseln bei den Bankomat-Bedingungen ein Dorn im Auge. So werde das gesamte Risiko für Missbrauch durch Dritte bis zur Sperre durch die Bank und ohne Begrenzung dem Kunden auferlegt. Der VKI habe im Auftrag des Justiz- und Konsumentenschutzministeriums eine Verbandsklage gegen diese eingebracht, berichtete Peter Kolba, Leiter der Rechtsabteilung des VKI. Man nehme die Anregungen der Konsumentenschützer ernst, ließ daraufhin die größte Bank des Landes, die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA), in einer Aussendung verlauten. Ab Jahresbeginn 2003 sollte es neue Kundenrichtlinien geben, obwohl die gültigen Bankomatbedingungen erst vor drei Jahren in Abstimmung mit den Konsumentenschützern entstanden und rechtlich einwandfrei seien. Doch würden sie seit einiger Zeit wieder überarbeitet, und die österreichischen Banken seien bereit, die Bankomatregeln besser an die Bedürfnisse der Verbraucher anzupassen.
Wiener Zeitung | 22.11.2002
Wird ein Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung einer "gemeinsamen Beauftragung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen bis zum 1. 3. 1996" abgeschlossen, und kommt die angesprochene Beauftragung in der Folge nicht zustande, so ist insgesamt vom Nichtzustandekommen eines gebührenpflichtigen Rechtsgeschäftes auszugehen.
Aus den Gründen:
Am 9.2. 1996 wurde zwischen der ... als Vermieter und ... als Berufungswerber (Bw) ein Mietvertrag über ... geschlossen. Das Mietverhältnis wird beginnend mit gemeinsamer Beauftragung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen, befristet bis zum 30. 6. 2001, abgeschlossen, es endet somit zum vorgenannten Datum, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. In Pkt IX des Vertrages heißt es weiters: "Den Vertragsparteien ist bekannt, dass es hinsichtlich des Schallschutzes, insbesondere bei musikalischen Veranstaltungen zu Problemen mit den Mietern/Eigentümern oberhalb des Mietgegenstandes gekommen ist bzw. weiterhin kommen könnte. Die Vermieterin verpflichtet sich, Investitionen mit einem Betrag bis zu 1 Mio S zu einer Verbesserung des Schallschutzes zu tätigen. Allenfalls darüber hinausgehende weitere Schallschutzmaßnahmen gehen ausschließlich zu Lasten des Mieters, ohne dass dieser diesbezüglich einen Anspruch auf Rückvergütung nach Beendigung des Mietverhältnisses hat. ...". Gem. Abschn XVI, letzter Absatz, soll dieser Mietvertrag nur dann in Kraft treten, wenn die gemeinsame Beauftragung der notwendigen Schallschutzmaßnamen bis zum 1.3. 1996 erfolgt. Das Finanzamt ermittelte die Bemessungsgrundlage ... und setzte gern § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG die Gebühr mit 1 % der Bemessungsgrundlage mit S 76.032,- fest. Dagegen wurde Berufung eingebracht, wobei eingewendet wurde, dass der gegenständliche Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung einer "gemeinsamen Beauftragung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen bis zum 1. 3. 1996" abgeschlossen worden sei. Diese angesprochene Beauftragung kam nicht zustande, womit auch der Mietvertrag nicht zustandegekommen wäre.
Gem § 33 TP 5 GebG sind Bestandverträge (§§ 1090ff ABGB) solche Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält. Strittig ist, ob gegenständlich überhaupt ein Mietvertrag geschlossen worden ist. Als Konsensualvertrag kommt der Bestandvertrag durch Einigung über die Bestandsache und Bestandzins zustande. Nach dem gegenständlichen Urkundeninhalt war übereinstimmender Parteiwille, einen Bestandvertrag schließen zu wollen, sofern innerhalb einer festgesetzten Frist (bis 1. 3. 1996) eine gemeinsame Beauftragung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen erfolgt. Dies heißt aber nichts anderes, als dass über einen essentiellen Vertragspunkt, der sowohl die Bestandsache als solche, wie auch den Preis betrifft, noch kein überein- stimmender Vertragswille vorlag. Denn für beide Vertragsparteien war es offensichtlich essentiell, dass der Bestandgegenstand ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen muss, zu deren Herstellung der Vermieter durch Tragung eines Teiles der Kosten der Schallschutzmaßnahmen beitragen sollte, während für den Bw diese Verpflichtung einen Teil des Preises für die Überlassung des Bestandgegenstandes dargestellt hätte. Da über beide Punkte bei Errichtung der Urkunde noch keine Willensübereinstimmung vorlag, wurde auch noch kein Bestandvertrag beurkundet. Es ist sohin auch noch keine Gebührenpflicht entstanden.
Anmerkung: Der Mietvertrag sollte nach seinem Text erst dann in Kraft treten, wenn (und soferne) beide Mietvertragsparteien gemeinsam einen Dritten (mit der Durchführung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen) beauftragen. Die Wirksamkeit des beurkundeten Rechtsgeschäftes hing sohin bei oberflächlicher Betrachtung von einer Bedingung ab und hätte daher gem. § 17Abs 4 GebG die nicht unbeträchtliche Gebührenschuld ausgelöst, worauf das Finanzamt auch erkannt hatte. Auch eine Punktation iSd § 885 ABGB wäre aus der Urkunde herauszulesen gewesen, weil sie trotz ihrer Bezeichnung als Mietvertrag die essentialia negotii des Geschäftes und den maßgeblichen Bindungswillen der Parteien enthält, jedoch mit dem Einigungsvorbehalt hinsichtlich der (Kostentragung der) Schallschutzmaßnahmen. Auch die Punktation hätte iSd § 18 Abs S GebG die Gebührenschuld ausgelöst. Die FLD erkennt - in Stattgebung des Rechtsmittels - anderes: Obwohl natürlich auch ein unter Einigungsvorbehalt oder unter einer Bedingung stehendes Rechtsgeschäft noch keine endgültige Willensübereinkunft der Vertragsparteien enthält, aber Gebührenpflicht auslöst, ist ein Vertrag, dem die Einigung über einen essentiellen Vertragspunkt (wie die Kostentragung der Schallschutzmaßnahmen) fehlt, nach den Regeln des Zivilrechtes mangels übereinstimmenden Vertragswillens kein wirksam zustande gekommenes Rechtsgeschäft, weswegen auch keine Gebührenpflicht entsteht. Es lohnt augenscheinlich, im Gebührenrecht zivilrechtlich zu argumentieren.
Benedikt Wallner
Quelle: Ecolex 07/1998, Seite 586
Interkulturalität sieht man nicht, und man kann sie auch nicht angreifen. Ist sie eine innere Haltung, eine Einstellung? Kann man Interkulturalität im mindesten als ein In-Betracht-Ziehen verstehen? Sie greift wohl dort nicht Platz, wo eine politische Partei in einer Massen-aussendung fragt: “Wer kümmert sich um unsere jungen Mütter? SPÖ und ÖVP nicht, denn sonst würden sie nicht zulassen, daß die Wr. Gemeindekindergärten von Ausländerkindern überfüllt sind” (“Wr. Freie Zeitung” 2d 1999). Zuviele Ausländerkinder sind schlecht, folgert man.
Wie geht das offizielle Österreich mit den “Fremden” um? Welche Haltung hat es zum Fremden und zu den Fremden? (als “Fremde” definiert das Gesetz all diejenigen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.) Folgende ausgewählte 9 Beispiele aus dem Fremdenrecht sollen wie Gleichnisse verdeutlichen, daß Interkulturalität kein Bestandteil des offiziellen Österreich ist. Daß es die Republik Ö. nicht einmal in Betracht zieht, es gäbe möglicherweise au-ßerhalb ihrer selbst noch anderes Beachtenswertes.
1. Fall, HOZAN M. / ASYL
Hozan M. flüchtet am 24.12.1991 aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Österreich und stellt hier einen Asylantrag.
Erst am 8.7.1993 wird darüber entschieden, dem Einschreiter komme kein Asyl zu. Hozan M. erhebt dagegen Berufung, am 10.2.1994 entscheidet die zweite und letzte Instanz, der Bun-desminister für Inneres, die Berufung werde abgewiesen, der Asylwerber hätte ja während seiner Durchreise in Rumänien und in Ungarn bei den dortigen Behörden um Asyl ansuchen können.
Interessant ist insbesondere, welcher Sprache sich die Behörde bedient:
“Daran verschlägt auch die relative Kürze des Aufenthalts in Rumänien nichts, da nicht ein-zusehen ist, welchen Einfluß (ceteris paribus) bloßer Zeitablauf auf die Beantwortung der Frage, ob eine Person im Hoheitsgebiet eines souveränen Staates vor Verfolgung durch einen anderen Staat sicher ist oder nicht, etwa entfalten könnte. Verfolgungssicherheit ist bereits im Augenblick des Betretens dieses Staates als gegeben anzunehmen und vermag die einmal erlangte Verfolgungssicherheit durch Verstreichen von Zeit nicht zu wachsen, zumal diesem Begriff nichts graduelles inhäriert, d.h. nur die Disjunktion sicher/unsicher in Rede stehen kann.”
Wer sich einer solchen Sprache bedient, will nicht verstanden werden!
Gleichwohl ist diese Begründung der höchsten Behörde inhaltlich wie formal falsch: Ungarn hatte die Genfer-Flüchtlingskonvention nur mit europäischem Vorbehalt ratifiziert, d.h., daß es nur Flüchtlinge aus Europa anerkennt, während Hozan M. aus dem asiatischen Teil der Türkei stammt und sofort abgeschoben worden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher am 25.4.1995 den angefochtenen Bescheid aufgehoben.
Daraufhin erläßt der Innenminister - am 9.1.1996 - nochmals einen abschlägigen Asylbescheid: “Da Sie nach Ihrem Vorbringen den türkischen Behörden keine Namen (von anderen PKK-Aktivisten) hätten nennen können, hätten Sie Ohrfeigen, Fußtritte, Stromstöße bekommen, wobei die Elektroden an Ihren Fingern angeschlossen wurden. Daraufhin hätten Sie Ihre Fingernägel verloren. Am 20.10.1991 sei die Leiche Ihres Vetters zur Bestattung in Ihr Dorf überstellt worden. [...] Zwei Tage später habe Ihnen der Dorfwächter gesagt, daß Sie bei der Gendarmeriestation vorsprechen sollten. Darauf hätten Sie sich zur Ausreise entschlossen und seien nach Istanbul gereist. [...] Seither suche man Sie seitens der Polizei. [...] Zu Ihrem Vorbringen, der Dorfwächter habe Ihnen gesagt, daß Sie bei der Gendarmerie vorsprechen sollten, daraufhin hätten Sie sich nun zur Ausreise entschlossen, seien nach Istanbul gefahren und seither suche man Sie seitens der Polizei, ist nicht geeignet, Ihre Flüchtlingseigenschaft zu indizieren, denn stellt eine bloße Vorladung zur Gendarmerie keine Verfolgung iSd Genfer-Flüchtlingskonvention dar und die Nichtbefolgung einer Ladung und die daraus resultierenden Nachteile bzw. Maßnahmen seitens des Staates ebensowenig, denn liegen diese Nachteile allein in Ihrer Sphäre, wenn Sie einer Vorladung, der ja kein pönaler Charakter inhäriert, nicht Folge leisten.” Zitat Ende.
Dies, obwohl längst eine ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes existiert, wonach es nicht erforderlich ist, die konkrete Verfolgung geradezu zu “provozieren”!
Der Bescheid weiter: “Auch haben Sie keine Umstände geltend gemacht, die sich auf das gesamte türkische Staatsgebiet beziehen, sondern sind die von Ihnen aufgestellten Behauptungen auf Ihr Heimatgebiet topographisch eingeschränkt. Die von Ihnen behauptete Unbill hätten Sie jedenfalls im Falle Ihrer Niederlassung in den in der Türkei überwiegend befriedeten Territorien, so z.B. Istanbul, nicht zu gewärtigen.”
Entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu entscheiden, kann von Rechtsunkenntnis zeugen oder von einem Justamentstandpunkt. Im Wohnrecht war zu Zeiten der Hochspekulation Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre bei Spekulanten die Methode beliebt, vollvermietete Zinshäuser billig aufzukaufen und dann einfach auf Verdacht sämtlichen Mietern zu kündigen, um Freiflächen zur Weiterverwertung zu schaffen. Auch wenn die meisten Mieter dagegen erfolgreich Einspruch erhoben: ein paar Kündigungen gingen immer durch. Möglicherweise verfolgt die Verwaltung mit solcher Spruchpraxis einen ähnlichen Zweck: Ein paar Asylanten laufen zum VwGH, vielleicht sogar mehrmals - das stört nicht, denn die überwiegende Mehrheit wird mit solchen Bescheiden endgültig erledigt.
Der Bundesminister für Inneres übersieht beispielsweise bei seiner Empfehlung an den Asylwerber, sein Heimatgebiet zwar topographisch zu verlassen, jedoch im Heimatland zu bleiben und sich etwa in Istanbul anzusiedeln, klar die Systematik der Genfer-Flüchtlingskonvention wie auch den völkerrechtlichen “Staats”-Begriff: Dort (Kap. I Art 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention) heißt es nämlich, daß “als Flüchtling anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen”, wobei sich ganz ohne jede Auslegung zwanglos ergibt, daß mit dem “Land” gerade kein topographischer Begriff, sondern eben das Land, hier also der ganze Staat Türkei gemeint ist.
Der neuerlichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird - wenn auch erst am 10.6.1998! - daher neuerlich stattgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof:
“Unter diesem Gesichtspunkt kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Vorladung zur Gendarmerie “keinen pönalen Charakter” gehabt habe, da die Annahme einer Furcht vor Verfolgung nicht voraussetzt, daß der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben muß oder ihm eine solche bereits konkret angedroht worden ist. ... Zutreffend verweist der Beschwerdeführer auch darauf, daß die belangte Behörde keine nähere Begründung dafür angibt, weshalb sie davon ausgehen zu können glaubte, der Beschwerdeführer werde nicht im gesamten türkischen Staatsgebiet gesucht.”
2. Herr Pei WANG:
Pei Wang ist chinesischer Staatsbürger und betreibt in NÖ mit seiner Familie ein Chinarestaurant.
Mit Bescheid vom 22.3.1995 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Gmünd über ihn ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Begründung, “daß Sie am 25.4.1994 von einem Organ des Arbeitsamtes Gmünd beim Einräumen von Lebensmitteln in ein Regal angetroffen wurden, ohne daß für Sie eine entsprechende Bewilligung nach dem Ausländerbeschäf-tigungsgesetz vorlag. Ihr Arbeitgeber, Herr B., wurde mit Straferkenntnis ... vom 29.12.1994 rechtskräftig bestraft. Aufgrund dieser Tatsache ist die Annahme gerechtfertigt, daß die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird.”
Herr B. ist in Wahrheit allerdings sein Schwiegervater. Einem ungeschriebenen Gesetz innerhalb der chinesischen Gesellschaft zufolge hat er im Rahmen seiner Familienbande seinem Schwiegervater lediglich dabei geholfen, Lebensmittel in ein Regal in der Küche zu räumen. In mitteleuropäischen Gesellschaften hätte man es vielleicht gar nicht anders gemacht, in der chinesischen ist es schier unmöglich, danebenstehend zuzusehen, wie ein Familienmitglied arbeitet, ohne sich selbst zu beteiligen!
Nicht einmal die Behörde selbst behauptet, daß dieses Mithelfen etwa entgeltlich geschehen wäre (eine rechtliche Voraussetzung, die für “Schwarzarbeit” grundsätzlich erforderlich ist) und war es das natürlich auch nicht, wie man sich leicht denken kann.
Darüber setzt sich die Behörde aber ebenso hinweg wie über den im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatz res iudicata ius non facit nisi inter partes. Das heißt, daß der Bescheid, mit dem sein Schwiegervater, Herr B., - tatsächlich - wegen angeblicher Schwarzbeschäftigung von Herrn Wang zu einer geringen Verwaltungsstrafe verurteilt wurde, natürlich keine Rechtswirkungen gegenüber Herrn Wang zu entfalten vermag: Herr Wang war schließlich nicht Partei jenes Verfahrens, er hatte also keinerlei Möglichkeit zu Sachvorbringen, Beweisanträgen oder Rechtsmitteln.
Die Berufungsbehörde läßt sich davon nicht beeindrucken und zieht - erstmals im Berufungsverfahren – noch einen weiteren Grund für das Aufenthaltsverbot heran. Sie habe nun nämlich herausgefunden, daß Herr Wang vom Landesgericht Krems bereits am 5.10.1992 wegen schwerer Wilderei zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt worden ist.
War Herr Wang also auch noch ein Wilderer, ein Schwerkrimineller? Nein, aber er hatte auch 1992 vor dem Strafgericht schon wenig Glück gehabt: Damals hatte er den von seiner eigenen Familie gepachteten Boden betreten und nicht gewußt, daß an dem Bach, der den Pachtgrund durchfließt, fremde Fischereirechte bestehen. Er traf zufällig auf einen Jugendlichen, der ein Luftdruckgewehr mit sich führte (nicht etwa: verwendete!) - also nicht gerade die tattypische Schußwaffe aller Wildereidelikte. Das Luftdruckgewehr hat Herr Wang nie angerührt, aber der Bitte des Jugendlichen, Herr Wang möge dessen Fischstange um einen Meter im Gewässer versetzen, kam er nach. Beide wurden dabei beobachtet und beide wegen Wilderei angezeigt und eben verurteilt, wobei das Strafgericht 1992 aufgrund der außerordentlichen Geringfügigkeit der Tat - Fische wurden keine gefangen - und wohl aufgrund des fehlenden Nachweises eines erforderlichen Vorsatzes bei Herrn Wang die außerordentlich milde Geldstrafe verhängte.
Der Aufenthaltsbehörde war es daher von 1992 bis 1995 gar nicht der Rede wert gewesen, etwa deswegen die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu verweigern oder sogar ein Aufenthaltsverbot auszusprechen. Aber auch dieses Argument überzeugte die Berufungsbehörde nicht, das fünfjährige Aufenthaltsverbot wurde bestätigt und Herr Wang mußte dagegen Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde erheben.
Immerhin wurde der Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt, sodaß Herr Wang bis zur Entscheidung - am 24. August 1998 - vorläufig weiterhin in Österreich bleiben durfte. Allerdings konnte er vier Jahre lang nicht das Land ver-lassen und zum Beispiel den Rest seiner Familie in China nicht besuchen, weil er - man-gels gültigen Sichtvermerks - nicht mehr nach Österreich würde einreisen können.
Hier haben wir erneut ein ausgesprochen sprödes Verhalten der Fremdenbehörden vor Augen: Sie konstruieren Sachverhalte, die so nie stattgefunden haben (Einräumenhelfen im Fami-lienverband = Schwarzarbeit) und setzen sich über Rechtsgrundsätze hinweg (res iudicata ius non facit nisi inter partes, Erfordernis der Entgeltlichkeit). Ich sage nicht, daß es ihr Ziel ist, hier lebende Fremde um jeden Preis zu entfernen, welchen Eindruck man leicht gewinnen kann. Aber in sämtlichen übrigen Rechtsbereichen - mit Ausnahme vielleicht der Strafjustiz dann, wenn es um Polizeiübergriffe geht - wäre ein derart voreingenommenes Behördenhandeln schlicht undenkbar.
Der Verwaltungsgerichtshof entschied:
“Es liegt kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessens-entscheidung entbehrlich wäre.”
Damit war die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen. Denn inzwischen war das Aufenthaltsrecht wieder einmal geändert worden, gemäß Fremdengesetz 1997 war dem Beschwerdeführer, obwohl er vor dem Verwaltungsgerichtshof obsiegt hatte, kein Kostenersatz mehr zuzusprechen, maW, er hatte seine Kosten iHv S 12.500,-- selbst zu tragen.
Es ist also nicht so, daß der Gesetzgeber mit den vielen Mißständen in der Verwaltung des Fremdenrechts über die letzten Jahre hin kein Einsehen gehabt hätte: Mit der zitierten Regelung hat sich die Republik eine Bestimmung geschaffen, die endlich eine Antwort auf die vielen teuren Verfahren vor dem VwGH geben sollte - sie hat den Kostenersatz für tausende anhängige Verfahren einfach abgeschafft und sich so viele Millionen Schilling erspart. Fremde, die nach 3, 5 oder 7 Jahren vor dem Höchstgericht endlich Recht bekommen, dürfen, so will es das neue Gesetz, sich diesen Rechtsschutz jetzt selber zahlen (eine Entschädigung für die mehrjährige Verweigerung ihres Rechtes war ohnehin nie vorgesehen).
Auch Politiker haben auf die Mißstände reagiert - uzw. mit Verunglimpfung der Rechtsanwaltschaft, nach der bewährten Methode kill the messenger: Der damals zuständige Stadtrat für die Administration des Fremdenrechtes, Johann Hatzl(in: FALTER 31/96): “Das Kapitel Rechtsanwälte ist überhaupt ein merkwürdiges: Ich werde ständig mit der Tatsache konfrontiert, daß Rechtsanwälte - obwohl sie ganz genau wissen, daß nichts zu machen ist - Leuten viel Geld abnehmen für Tätigkeiten, die man mit der Information “da ist nichts zu machen” erledigen könnte. Da werden arme Teufel ausgenutzt.”
Dazu muß man wissen, daß der Stadtrat einer Behörde vorstand, die beispielsweise einen Verlängerungsantrag eines Polen mit der Begründung abweist: “Der Antragsteller wurde am 15.3.1994 wegen § 143 (schwerer Raub) rechtskräftig verurteilt”, obwohl es gar kein Strafurteil vom 15.3.1994 gibt und er auch an anderen Tagen nie wegen schweren Raubes verurteilt wurde! Im nächsten Fall verschaut sich - bestenfalls! - der Beamte und weist einen fünften Verlängerungsantrag ab, weil angeblich das Einkommen laut Gehaltszettel zu gering sei: Dabei blickt er allerdings nicht auf den ausgeworfenen “Nettoverdienst”, son-dern auf den viel geringeren “Steuerfreibetrag” - für Herrn Hatzls öffentliche Schmähung des Anwaltsstandes gab es also schon deswegen keinen Grund, weil seine Behörde so unvergleichlich schlechte Arbeit leistete, daß es in jedem Falle ratsam war, sie zu überprüfen!
3. Charles O. oder: Nicht alle Nigerianer sind Kriminelle:
Am 2.5.1997 begaben sich 2 Polizisten in die von Herrn O. vorübergehend benutzte Woh-nung. Sie hatten einen “vertraulichen Hinweis” erhalten, daß sich an dieser Adresse nicht namentlich genannte Personen ohne Aufenthaltsberechtigung aufhalten sollen.
Die Polizeibeamten nahmen ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung vor, was nur bei Gefahr im Verzug erlaubt wäre. Gefahr im Verzug bestand nicht und wurde auch nicht behauptet. Herr O., nigerianischer Staatsbürger schwarzer Hautfarbe, war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Wohnung anwesend. Vorübergehend anwesend war lediglich eine Bekannte eines Freundes von ihm. Auch sie gestattete keine Durchsuchung, wenngleich sie, da selbst Ausländerin, bei Ansichtigwerden der Polizisten diesen natürlich den Zugang zur Wohnung nicht verweigerte.
Die Polizeibeamten entnahmen einer Schublade den echten Reisepaß des Herrn O. und noch einen Reisepaß, der eindeutig gefälscht war. Das heißt, hier und erst hier taucht wirk-lich eine strafbare Handlung auf - aber noch lange kein Täter, denn Herr O. war ja nicht da. Sobald er angetroffen werden konnte, wurde er festgenommen, Begründung: Verdacht auf Urkundenfälschung und außerdem Flucht-, Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahr.
Bekanntlich ist ein Festgenommener binnen 48 Stunden dem Untersuchungsrichter vorzu-führen, der entscheidet, ob die Untersuchungshaft verhängt wird oder ob der Angezeigte auf freiem Fuß belassen wird. Nachdem aber der verständigte Staatsanwalt gar keinen Haftantrag stellte, weil er die Haftgründe nicht als verwirklicht ansah, wäre der Festgenommene unverzüglich freizulassen gewesen.
Nur, so unschuldig kann kein Schwarzer sein: Obwohl sich Herr O. im Besitz eines gültigen Meldezettels und, wenn auch keiner gültigen Aufenthaltsbewilligung, so doch eines Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes befindet, womit unserer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, sich Herr O. also faktisch bis zur Beendigung des Verwaltungsgerichtshofsverfahrens in Österreich aufhalten darf, und obwohl er dies alles der Behörde vorweist, wird über ihn die Schubhaft verhängt, Begründung,
“Zur Sicherung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ist die Verhängung der Schubhaft notwendig, da durch Ihren unbefugten Aufenthalt im Bundesgebiet, Ihre nicht feststehende Identität, (und) die von Ihnen verübte strafbare Handlung (entgegen der Unschuldsvermutung im Indikativ!) die Durchsetzung der fremdenpolizeilichen Maßnahme gefährdet und begründeter Verdacht besteht, daß Sie Ihr strafbares, rechtswidriges Verhalten im Verborgenen fortsetzen werden”.
Gegen Schubhaft steht die Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu. Der UVS förderte nun Erstaunliches zutage:
“Herr O.: Es trifft zwar zu, daß ich bei meiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Poli-zei den Wohnungswechsel damit begründet habe, daß ich dadurch einer eventuellen fremdenpolizeilichen Kontrolle entgehen könnte. Dies ist aber so zu verstehen, daß ich, da die Wohnung in der Stumpergasse in einer Entfernung von allenfalls drei Minuten Gehzeit zum Westbahnhof liegt, in der Umgebung dieser Wohnung im Hinblick auf die Nähe zum Westbahnhof fast bei jedem Verlassen der Wohnung mit einer Polizeikontrolle inklusive Perlustrierung konfrontiert war, während dies an der Anschrift in Wien 17 nicht der Fall war. Daher habe ich vorübergehend nur meine eigentliche Wohnung in Wien 6 verlassen und in der Wohnung eines Freundes in Wien 17 Aufenthalt genommen. Es ist natürlich verständlich, daß ständige Polizeikontrollen in der Öffentlichkeit äußerst unangenehm sind, vor allem, weil bei ihnen (niemals ein) polizeilich relevanter Sachverhalt zutage trat."
Man kann also denselben Sachverhalt völlig verschiedenartig interpretieren - was ja nichts neues ist, aber ein Licht auf das jeweilige erkenntnisleitende Interesse der jeweiligen Behörden aufwirft!
Außerhalb des Protokolls vermerkte der Verhandlungsleiter des UVS, er verstehe diese Situation persönlich sehr gut: Erst vor wenigen Monaten habe er, als Tourist, am New Yorker Flughafen umsteigen müssen. Er wurde vor dem Einsteigen zum Weiterflug einer ihm höchst peinlichen Perlustrierung durch die dortigen Zollbehörden unterzogen. Dies offenbar wahllos, so wie andere Fluggäste auch. Er wurde dabei befragt, ob er etwa Kommunist oder gar Terrorist sei, ob er auch ausreichende Mittel für seinen Unterhalt und schließlich ein Rückflugticket besitze. Da er als letzter von der Kontrolle entlassen im Flugzeug Platz nahm, war er den mißtrauischen Augen aller Mitreisenden ausgesetzt. Noch heute sei er über diese demütigende Behandlung verärgert und könne sich daher gut in den Beschwer-deführer hineinversetzen, der aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe in der Umgebung des Westbahnhofes beinahe täglich derartigen Kontrollen ausgesetzt ist.
Solche Beispiele für (in der Rechtsanwendung stets notwendige!) Empathie machen deutlich, daß es nicht an den vollziehenden BeamtInnen liegt, wenn AusländerInnen nicht zu ihrem Recht kommen. Der UVS erklärte schließlich die Schubhaft für rechtswidrig und verurteilte den Bund zum Kostenersatz.
4. Herr E.:
Wie die bisherigen Beispiele gezeigt haben, fällt es Menschen in der Fremde schon schwer genug, sich zurecht zu finden, wenn sie im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte, jung und arbeitsfähig sind. Der lächerlich niedrigen Kontingente bedarf es nicht, Assimilation wird ohnehin durch die Komplexität des Alltagslebens erzwungen und hält über Mundpropaganda Unwillige fern. In der Fremde gibt es Hoffnung, aber nichts geschenkt, und das ist weniger, als es zuhause gibt, wo man sich zumindest verständigen kann und zumeist auch einen Platz hat, obschon daran oft keinerlei Rechte.
Was aber macht ein Mensch, der in der Fremde krank wird? Wer emigriert, trägt das virtuelle und oft nur aufgeschobene Joch des Verlustes seines Wertes mit in die Fremde und ver-zichtet auf die ausgetretenen Pfade, auf denen dieses Problem in seiner Heimat üblicher-weise gelöst wird.
Herr E. kam als Halbwüchsiger mit seinen Eltern 1977 von der Türkei nach Österreich. 1990 und 1991 wurden ihm zwei Kinder geboren. Herr E., der noch hier zur Schule ging und nach Abschluß der Hauptschule eine Lehre absolvierte, hat nie um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht. Bereits kurz nach Beginn der Lehre zeigte sich zum erstenmal eine psychische Erkrankung, nach der Diagnose des Kaiser Franz-Josefs-Spitals leidet er an chronisch paranoider Psychose. Ohne die Betreuung seiner Eltern müßte Herr E. stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden.
Aufgrund seiner psychischen Krankheit ist Herr E. nicht in der Lage, seine eigenen Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Das ist die Rechtsformel für die Bestellung eines Sachwalters. Ebensowenig ist er natürlich imstande, die elterliche Obsorge für seine beiden minderjährigen Kinder auszuüben. Zu all seinem Unglück verweigert die Behörde die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, Begründung: Herr E. gehe keiner Erwerbstätigkeit nach, sein Lebensunterhalt sei daher nicht gesichert. Lediglich der Großvater der beiden minderjährigen Kinder verdiene monatlich S 10.343,-- netto.
Daß Herr E. schon seit 1977 rechtmäßig in Österreich lebt und hier zur Schule gegangen ist, ändert 17 Jahre später das Kalkül der Fremdenbehörde ebensowenig wie die psychische Erkrankung Herrn E.s, die ihn klarerweise an der Berufsausübung hindert.
Erster Fehler der Fremdenbehörden in beiden Instanzen: Herr E. ist aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht handlungsfähig, er hätte eines gesetzlichen Vertreters bedurft. Wer nicht handlungsfähig ist, kann nicht rechtswirksam Partei eines (Verwaltungs-)verfahrens sein, weil er ja nicht weiß und versteht, worum es geht und welche Rechte ihm zukommen.
Zweiter Fehler der Fremdenbehörden: Art. 8 Abs 2 der Europäischen MenschenRechtsKonvention schreibt eine Interessenabwägung zwingend vor, nämlich zwischen Staat und Gesellschaft auf der einen Seite an einem geordneten Fremdenwesen und dem Fremden und seiner Familie auf der anderen Seite am Verbleib im Lande. Art 8 schützt sohin das Privat- und Familienleben, die Behörde kümmert das wenig.
Herrn E. bleibt zuletzt nur eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Da er sich anwaltliche Vertretung nicht leisten kann, begehrt er Verfahrenshilfe. Der Verfassungsgerichtshof weist aber interessanterweise den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab:
“Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage sogar die Ablehnung der Beschwerdebehandlung zu gewärtigen wäre”.
Herr E., dem wie so vielen anderen nichts anderes übrig bleibt, als sich sogar an Strohhalme zu klammern, findet schließlich eine Vereinbarung mit seinem Rechtsanwalt (und einen verständigen Anwalt) und bringt die Beschwerde trotzdem ein. Mit Erfolg, spricht doch derselbe Verfassungsgerichtshof nur zwei Monate später aus, der Beschwerdeführer sei durch den Bescheid auf Versagung der Aufenthaltsbewilligung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden. Knappe Begründung:
“Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid auf die familiäre Situation des Beschwerdeführers, der sich bereits seit 1977 in Österreich aufhält, nicht eingegangen, sie hat damit die im Sinne des Art. 8 EMRK gebotene Interessenabwägung in Wahrheit nicht vorgenommen. Der Bescheid war aus diesem Grund aufzuheben.”
Die Fremdenbehörde hat daraufhin ein Einsehen und erteilt Herrn E. im März 1996 ebenso eine Aufenthaltsbewilligung wie seinen minderjährigen Kindern. Inzwischen allerdings war Herr E. mit Strafverfügung vom November 1995 vom Fremdenpolizeilichen Büro zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er
“sich erstens als Fremder, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten und zweitens, es als gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Kinder G. und F. vorsätzlich veranlaßt (habe), daß sich diese in Wien als Fremde, ohne im Besitz eines Sichtvermerks zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten haben”.
5. Dr. F.:
Herr Dr. F. kommt aus Afghanistan. In Ungarn hatte er Medizin studiert und mit dem “Doktor der Medizin” abgeschlossen. Das bedeutet in Österreich leider nicht sehr viel mehr als einen ersten Schritt auf dem langen Weg der Nostrifikation: Dr. F. muß zahllose Zusatzprüfungen ablegen und braucht dafür insgesamt 5 Jahre. Währenddessen muß sein Aufenthaltsstatus in Österreich geregelt werden.
Obwohl sein Heimatland von einem der absurdesten Bürgerkriege in Stücke gerissen wird, vermag er die österreichischen Behörden nicht von einem Fluchtgrund im Sinne der Genfer Konvention zu überzeugen. Sein Asylantrag wird nach drei Jahren endgültig abgelehnt.
Nebenbei arbeitet er als Pflegehelfer, um seinen notwendigen Unterhalt zu verdienen. Krankenschwestern und -pfleger sind zwar in Österreich per Erlaß bevorzugt, weil Österreich damals dringend medizinisches Pflegepersonal braucht. Natürlich hat aber Dr. F. kein Krankenpflegediplom - sondern ist “nur” Arzt nach ungarischem Recht. Damit kommt er also nicht in den Genuß dieser Vergünstigung in Österreich, wir können im Gegenteil gerade noch seine Ausweisung verhindern, die zu einer Abschiebung nach Afghanistan geführt hätte!
Als die Aufenthaltsfrage geklärt und Dr. F. bereits annähernd 10 Jahre in Österreich wohnhaft ist, muß er um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen, die ja Voraussetzung für einen Turnusplatz sein wird.
Die zuständige MA 61 ist freundlich und kooperativ und läßt uns im April 1996 wissen, es werde schon noch einige Zeit dauern. Zunächst mögen eine Lohnbestätigung und ein Zeugnis über die im Rahmen der Nostrifikation bisher bereits abgelegten Prüfungen vorgelegt werden.
Im Februar 1997 hat die Bearbeiterin in der MA 61 gewechselt, außerdem hat die Behörde neue Dienstanweisungen erhalten. Der Weiterbearbeitungsantrag sei aber notiert, voraussichtlich wiederum in einem Jahr sei mit einer positiven Erledigung zu rechnen. Auf unseren Hinweis, daß Dr. S. in wenigen Monaten seine Nostrifikation beendet haben wird und dann einen Turnusplatz braucht, wird kopfnickend reagiert, es gebe aber personelle Probleme in der MA 61, sie sei unterbesetzt, ein Jurist schon länger krank, sodaß Rückstände geradezu entstehen müssen. Einstweilen möge eine aktuelle Lohnbestätigung vorgelegt werden, ebenso die Zeugnisse über die bisher abgelegten Prüfungen.
Im Februar 1998 ist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur mehr die Frage zu klären, wie man von einem praktisch nicht mehr existenten Staat wie Afghanistan die Bestätigung erhält, seine Staatsbürgerschaft zurückgelegt zu haben - eine Voraussetzung für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft! Eine afghanische Botschaft oder ähnliches gibt es nicht. Wir einigen uns schließlich mit der Behörde darauf, eine Stellungnahme vom Außenministerium darüber einzuholen. Inzwischen mögen wir eine aktuelle Lohnbestätigung und weitere Zeugnisse über die bislang abgelegten Prüfungen vorlegen.
Am 1.10.1998 erhält Dr. S., mittlerweile Dr. med. univ. nach österreichischem Recht, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
6. Frau B.:
Unser Land macht in einem Punkt keine Ausnahme im Verband der Europäischen Union: Wir haben ausdrücklich keinerlei Bedarf an Migranten. Derjenige Bedarf, den wir bei einer Reproduktionsrate von 1,2 bis 1,6 wirklich hätten, um alleine die Pensionen nachfolgender Generationen zu bezahlen, wird noch nicht gesehen. Die Reproduktionskurve zeigt nach unten, was in einem Versorgungssystem - die Jungen zahlen die Alten (anstelle eines echten Versicherungssystems: die Alten zahlen sich selbst aus den angesparten Beiträgen vergangener Jahrzehnte) - mit arithmetischer Präzision zum Bankrott führen muß.
Wenn schon Immigration, so die Meinung von Bevölkerung und Politik, dann nur in homöopathischen Dosen, die zu unserem eigenen, klaren und überwiegenden Nutzen ist. Kranke, Alte und Familienangehörige sowie Asylanten aus anderen Gründen als denjenigen, die nun einmal in der Genfer Flüchtlingskonvention vertypt sind, vor allem also Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge, betrachten wir daher höchst argwöhnisch und wenden nicht geringe Mittel auf, sie von unserem Land fernzuhalten. Aus diesem Blickwinkel ziehen gerade zur Zeit die österreichischen Bischöfe nicht nur gegen Abtreibung, sondern immer auch gegen Verhütung zu Felde, um die stetige Abnahme der österreichischen (i.e. weißen, zivilisierten, eigenen) Bevölkerung abzuwenden.
Relativ einfach gelingt die Rechtfertigung zum Fernhalten bei Straftätern, weil in einem Land, in dem zwar große Teile der Bevölkerung meist wegen Unachtsamkeit beim Autofahren vorbestraft sind, “Kriminalität” noch ebenso unkritisch mit vorsätzlicher Schwerkriminalität an Leib und Leben gleichgesetzt wird und man sich davor hütet, eine öffentliche Diskussion darüber auch nur zuzulassen, was Kriminalität für uns alle zu allererst ist, nämlich ein immerwährendes soziales Phänomen (vgl. die Untersuchung von Hanak, Das Böse ist immer und überall, in: Wr. Zeitung, EXTRA, vom 26./27.2.1999, S. 3f).
Wer aber wirklich schwerkriminell handelt - und Fremde/r ist - der oder die soll laut Gesetz nicht in Österreich bleiben dürfen, egal wie lange er oder sie schon hier ist. Dabei ist die dogmatische Rechtfertigung dafür gar nicht so einfach (Hat eine Österreicherin einen Fehltritt begangen, so wird sie hiefür bestraft. Die Sache unterliegt einer Tilgung und darf ihr nach Verbüßung der Strafe nicht einmal mehr vorgeworfen werden. Insoferne könnte man noch von Sühne sprechen. Die Ausländerin trifft selbstverständlich (zumindest!) die gleiche Strafsanktion. Insofern, als Verzeihung nicht möglich ist, fällt die Sühnefunktion der Strafe bei AusländerInnen aber weg: Regelmäßig werden sie direkt von der Strafhaft in die Schubhaft überstellt. Wir sollten uns daher fragen, womit wir neben der ohnehin verhängten Strafe die Landesverweisung rechtfertigen. Dies soll und kann regelmäßig nur in der immanenten oder virtuellen Gefahr begründet liegen, die jemand für das Gemeinwesen darstellt, der schon einmal straffällig geworden ist. Sieht man sich Österreichs Kriminalstatistik an, so werden Tötungsdelikte in aller Regel nur einmal begangen, sodaß die spezifische Gefahr, die von solchen Tätern ausgeht, für alle Zukunft gering ist): Immerhin werden ausländische StraftäterInnen, ebenso wie InländerInnen, ohnehin bestraft, sodaß die Ausweisung oder Verhängung eines Aufenthaltsverbots nicht als Strafe im eigentlichen Sinn gelten kann. Begründet wird sie folglich mit der Gefahr, die der Täter oder die Täterin für Österreich darstellt, was einerseits bei Einmaltätern problematisch ist und andererseits ein breites Betätigungsfeld für die Phantasie der Verwaltung eröffnet.
Frau B. lebt seit 1969 rechtmäßig in Österreich. Sie hat seit Jahrzehnten überhaupt keinen Bezug zu ihrem Geburtsland Kroatien. Die Eltern sind verstorben, alle sieben Geschwister leben in Wien. Sie hat in Österreich ständig gearbeitet. Seit 1986 ist sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Das der Ehe entstammende, minderjährige Kind ist ebenfalls österreichischer Staatsbürger.
Vom Landesgericht für Strafsachen Wien wird Frau B verurteilt, weil sie im April 1993 versucht hat, eine Andere vorsätzlich zu töten. Das Landesgericht erkennt aber auch, daß sie die Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versucht hat - sie leidet an paranoider Schizophrenie. Das Landesgericht spricht rechtsrichtig keine Strafe aus, sondern weist Frau B. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein.
Was macht die Fremdenbehörde mit dem Verlängerungsantrag ihrer Aufenthaltsbewilligung (überflüssig zu sagen, daß die vom Landesgericht rechtskräftig als nicht handlungsfähig erkannte Frau im Verwaltungsverfahren nicht durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten war)?
“Es muß daher befürchtet werden, daß Sie auch hinkünftig unter dem Einfluß Ihrer seelischen Abartigkeit strafbare Handlungen mit ähnlichen Folgen setzen werden. Auch die Tatsache, daß Ihr Ehegatte Österreicher ist und Sie ein gemeinsames Kind haben, vermag keine Entscheidung zu Ihren Gunsten herbeizuführen.”
Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet, die Beschwerde werde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
7. Fall (Herr Kemal):
Eine beliebte Schikane für alle AusländerInnen - ob gewollt oder nicht - stellten in den letzten Jahren die häufigen Gesetzesänderungen und damit oft verbundenen Zuständigkeitsänderungen der Behörden dar.
Herr Kemal lebt und arbeitet schon seit 1981 in Wien, immer bei der selben Firma, mit einem mittlerweile ansehnlichen Monatsnettoverdienst. Auch er hätte längst um Staatsbürgerschaft ansuchen können, aber die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen verlief mehr als zehn Jahre lang relativ problemlos. Als er wie gewohnt bei der Fremdenpolizei verlängern lassen wollte, eröffnete ihm diese, es sei nun die MA 62 zuständig; außerdem sei die Frist zur Antragstellung abgelaufen, die sei nämlich neu und betrage 4 Wochen vor Ablauf des letzten Visums.
Das Gesetz behandelte lange Zeit jene Antragsteller, die bloß vergessen hatten oder sonst daran gehindert waren, rechtzeitig einen Verlängerungsantrag zu stellen, wie Erstantragsteller und mutete ihnen zu, ihren Antrag “vom Ausland aus” zu stellen.
Wir versuchten es 1995 nochmals mit einem Inlandsantrag und verwiesen auf eine inzwischen ergangene, interne Vorschrift. Die MA 62 wies auch diesen Antrag zurück, Begründung:
“Da er erst am 10.7.1995 einen Antrag auf Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz eingebracht hat, stellt der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet eine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, zumal ein erhöhtes öffentliches Interesse an einer geordneten Zuwanderung und einem rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden in Österreich besteht. Demgegenüber sind die privaten und familiären Interessen des Antragstellers hintanzustellen.”
Zur Verdeutlichung: Herr Kemal lebt und arbeitet zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre lang ununterbrochen in Österreich, bei der selben Firma, verdient ausreichend, hat drei minderjährige Kinder, die sämtlich in Wien geboren sind und hier zur Schule gehen und ihr sogenanntes Heimatland nie gesehen haben. Dann unterläuft ihm, ausgelöst durch die Zuständigkeitsänderungen der Behörde, ein vergleichsweise harmloser Fehler mit den vom Gesetz vorgesehenen, fatalen Folgen: Er verliert seine Existenzgrundlage.
Mit unserer Berufung gegen diesen haarsträubend begründeten Bescheid drohten wir erstmals Amtshaftungsansprüche gegen die Republik an, für den Fall, daß uns der Verwaltungsgerichtshof wie so oft nach jahrelangem Verfahren doch Recht geben sollte. Schließlich besagt doch eine mittlerweile erlassene Übergangsverordnung, daß bereits längere Zeit integrierte AusländerInnen “ausnahmsweise” einen Rechtsanspruch auf Antragstellung im In-land haben: Ein hochnervöser Gesetzgeber hatte zum Teil mittlerweile eingesehen, zu welch rechtswidrigen Zuständen seine Gesetze führen und versuchte nun, mit allerhand Notmaßnahmen mühsam das Gesetz zu flicken. Inzwischen waren freilich, Macht des Faktischen, bereits Tausende durchgerutscht und Österreich wieder um ein Stück reinweißer!
In einem ähnlichen Fall wurde zB durch einen Fehler der Behörde ein Reisepaß mit der Aufenthaltsbewilligung, gültig vom 1.7.1993 bis 1.1.1994, erst am 20.12.1993 (!) ausgefolgt, also ganze 10 Tage vor Ablauf der Gültigkeit. Die Einhaltung der vier-Wochen-Frist für einen Verlängerungsantrag war daher gar nicht möglich. Dennoch verweigerte die Behörde erster Instanz die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung: Fristversäumnis. Das FrB verhängte folgerichtig zusätzlich eine Strafe wegen unerlaubten Aufenthalts und verfügte die Ausweisung des jungen Jugoslawen, dessen Eltern seit 20 Jahren rechtmäßig in Österreich leben und arbeiten.
Mit Herrn Kemal aber hat der Innenminister ein Einsehen:
“Aufgrund der nunmehrigen Rechtslage und angesichts Ihrer intensiven Integration im Bundesgebiet hat sich ergeben, daß Ihnen eine Bewilligung erteilt werden kann.”
Mittlerweile war aber Herr Kemal durch einen nicht von ihm verschuldeten Arbeitsunfall arbeitsunfähig geworden, die Fremdenbehörde drängte folglich den längst Integrierten auf geeignete Einkommensnachweise. Die geringe Unfallrente und das Arbeitslosengeld reichen nicht, die fünfköpfige Familie zu ernähren, Herr Kemal muß einen Kredit aufnehmen. Er klagt zwar seine Schäden vor dem Zivilgericht ein, das aber ohne Rechtsschutzversicherung, wie sie immerhin 40% aller ÖsterreicherInnen besitzen, weil er sich aufgrund seiner niedrigeren Entlohnung so etwas nicht leisten kann.
Ein Inländer könnte vielleicht jahrelang auf den Ausgang des Verfahrens warten, doch Herrn Kemal wird die Fremdenbehörde, die derzeit noch geduldig ist, demnächst zurück in die Türkei schicken, sollte er nicht bald zivilrechtlich Erfolg haben.
8. Fall (Herr Y.):
Türkische Staatsangehörige haben seit dem EU-Beitritt Österreichs eine Sonderstellung inne. Durch den Staatsvertrag zwischen der damaligen EWG und der Türkischen Republik aus dem Jahr 1963 genießen türkische Dienstnehmer in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU seither eine Befreiung von den jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Regelungen, solange sie in den Arbeitsmarkt integriert sind.
Das hört sich an wie eine Erleichterung, entwickelte sich allerdings, als die österreichischen Behörden davon nach dem EU-Beitritt langsam Kenntnis erlangten, zunächst einmal zu einer chaotischen Erschwerung für alle türkischen StaatsbürgerInnen:
Herr Y. stellt am 21.7.1995 seinen Verlängerungsantrag auf Aufenthaltsbewilligung bei der MA 62. Dieser wird abgewiesen, seiner Berufung dagegen gibt der Bundesminister für Inneres im September 1996 jedoch Folge, mit der Begründung:
“Da Sie als türkischer Staatsangehöriger seit mehr als drei Jahren ordnungsgemäß unselbständig erwerbstätig sind, findet das Aufenthaltsgesetz auf Ihren Antrag keine Anwendung.”
Der Antrag wird von der Berufungsbehörde direkt an die zuständige Behörde, das Fremdenpolizeiliche Büro weitergeleitet. Dieses teilt am 5.12.1996 mit, damit ein “deklarativer” Sichtvermerk ausgestellt werden kann, benötigt unser Mandant nunmehr einen Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice.
“Deklarativ” ist der Sichtvermerk insoferne, als er im Reisepaß des Herrn Y. nur bestätigen soll, daß Herr Y. keinen Sichtvermerk braucht - was der zur jederzeitigen Überprüfung eines Fremden berechtigte Sicherheitswachebeamte auf der Straße ja nicht wissen kann - und auch insofern, als er damit sein Aufenthaltsrecht nicht nachweisen kann ("konstitutiv" ist er nicht: Herr Y. könnte ohne weiteres in Schubhaft genommen werden, gültiger SV hin oder her, falls er nämlich seine Arbeit verliert und damit ja die Berechtigung für seinen Aufenthalt in der EU weggefallen wäre ...). MaW, zum Nachweis für die Sichtvermerksfreiheit, die Herr Y. genießt, hat sich die österreichische Verwaltung ein kompliziertes System einfallen lassen, das Herrn Y. eine Sichtvermerkspflicht auferlegt; da aber das Fremdenpolizeiliche Büro selbst nicht beurteilen kann oder will, ob die Voraussetzungen vorliegen, schickt es Herrn Y. zum Arbeitsmarktservice.
Auf unseren dort gestellten Antrag für die gesamte Familie wird am 17.1.1997 mit der wortlosen Übersendung eines leeren Antragsformulars reagiert. Daneben fordert das AMS sämtliche Urkunden im Original und vor allem den Nachweis einer lückenlosen Kette von Aufenthaltsbewilligungen sowie sämtliche Meldezettel aller Familienmitglieder seit ihrer Einreise nach Österreich.
Nach einigen Debatten kann sodann am 24.2.1997 der begehrte Feststellungsbescheid zumindest für den familienerhaltenden Vater erlangt werden; bis nun auch das Fremdenpolizeiliche Büro Herrn Y. seinen deklarativen Sichtvermerk ausstellt, ist der 21.11.1997 ins Land gezogen.
Herr Y., dem persönlich weder eine Straftat noch ein Fristversäumnis noch mangelnde Integration vorgeworfen werden können, ist jetzt um mehr als 2 Jahre Anwartschaft für die österreichische Staatsbürgerschaft und um beträchtliches Anwaltshonorar ärmer, weil die Behörden seinen Aufenthalt allenfalls als Gnade denn als Recht empfinden.
9. Fall (Herr C.):
Nicht so glatt verlief die Erteilung bei Herrn C. und seiner Familie, der seit 1988 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich lebt und arbeitet. Denn Herr C. war dazwischen mehrmals, wenn auch nur kurzfristig und immer unverschuldet, arbeitslos.
Das Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Türkei nimmt auf die Möglichkeit von Arbeitslosigkeit sogar Bezug und läßt kurzfristige unverschuldete Unterbrechungen zu.
Nicht so die österreichischen Behörden: Sie interpretieren, angeblich aufgrund einer Weisung aus dem Sozialministerium, das europarechtliche Erfordernis einer "Integration in den Arbeitsmarkt während vier Jahren" als “ununterbrochene Beschäftigung in den letzten vier Jahren”.
Unser Antrag wird also abgewiesen, unserer Berufung dagegen keine Folge gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet dann aber - vorhersehbar - der angefochtene Bescheid werde aufgehoben: Der Verwaltungsgerichtshof interpretiert den europarechtlichen Assoziationsratsbeschluß dahingehend, daß der türkische Staatsangehörige C. zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt im Anschluß an vier Jahre ordnungsgemäßer Beschäftigung angehört haben muß. Eine kurzfristige un-verschuldete Unterbrechung von 2 ½ Monaten schade ihm nicht.
Zitat des Verwaltungsgerichtshofes: “Damit bleibt in nicht nachvollziehbarer Weise offen, welche Überlegungen die belangte Behörde dazu gebracht haben, den Zeitpunkt der Antragseinbringung als Ausgangspunkt für die Zurückrechnung der Bedingung der vier Jahre ordnungsgemäßer Beschäftigung ... heranzuziehen.”
Zuletzt die These vom Staatsbürger:
Vor dem Gesetz waren alle Bürger gleich,
aber nicht alle waren eben Bürger
(Robert Musil, MoE, 33 f)
“Zwielichtig und zweischneidig” (A. J. Noll) waren die Menschenrechte von Anfang an: Immer wurden sie vollmundiger präsentiert als gewährt, immer gab es gewichtige Ausnahmen.
Vollen Rechtsgenuß gewährt die Rechtsordnung nur denen, die integriert sind. Mag dies das Wahlrecht betreffen, die Wohnversorgung im - von AusländerInnen mitfinanzierten! - Gemeindebau oder das Recht auf einen Turnusplatz, wie im Beispiel.
Einen Anspruch auf diese rechtliche Integration erwirbt man in Österreich relativ spät, nämlich nach 10 Jahren ununterbrochenen (lückenlose Meldezettel!) und legalen Aufenthalts. Selbst dann noch sind neuerdings Sprachkenntnisse nachzuweisen.
Österreich lehnt sich bequem zurück und läßt sich Zeit mit der Integration. Österreich will keine Fremden zu Österreichern machen, sondern ihnen das höchstens gnadenhalber gewähren, falls sie hartnäckig genug sind. Und Österreich verlangt bedingungslose Hingabe, denn die Heimatnationalität ist zuvor nachweislich abzulegen!
Österreich integriert darüberhinaus nicht aktiv, was dazu führt, daß zu oft auch noch die zweite Generation mit dem Ausländerstigma behaftet ist. Die französische Le Monde Diplomatique führte das zuletzt auf die österreichische Gastarbeitermentalität zurück, die uns aus dem Arbeitskräftemangel vergangener Jahrzehnte geblieben sei: Wozu denn Arbeitskräfte integrieren?
Keine Gastfreundschaft, kein Bedarf, koloniale Mentalität. Wir haben kein rechtliches Instrumentarium für Immigration, sondern nur eines für deren Verhinderung.
Wird das unserer zunehmend vernetzten Gesellschaft in, sagen wir: 2 Jahrzehnten noch gerecht werden? Greift Interkulturalität nicht zunehmend ohne unser Zutun Platz? Übersteigt es nicht zunehmend unsere Souveränität - anders als im Nationalstaat alter Prägung - ob wir mit dem Fremden zu tun haben?
Irgendwann in den nächsten zwei Jahrzehnten wird Immigration von Ö. erwünscht sein (beim Rückgang der Reproduktionsrate geht es freilich nicht nur um die Frage, wer einmal unsere Pensionen zahlt. Bevölkerungswissenschafter warnen auch vor Verteilungskämpfen, die dereinst zwischen den ungleich starken Generationen ausbrechen (Rainer Münz in: Wr. Ztg., 27.1.99), zumal politische Macht bei den Alten, finanzielle Lasten aber bei den Jungen zuhause sein würden. Eine niedrige Geburtenrate von heute bringe eine sich abwärts drehende Spirale in Gang, die morgen wenig Eltern und übermorgen noch weniger Kinder bedeute usw. Zuwanderung könne hier ohnehin nur bremsen, den Prozeß aber nicht stoppen. Eine Mehrheit der Wahlberechtigten werde demnächst über 50 sein - und in erster Linie an ihre eigene Versorgung denken.) Sie wird aber nicht mehr "Immigration" heißen, weil sie nicht lediglich aus dem eingeengten Blickwinkel eines reichen Gastlandes gesehen werden wird, das arme Einwanderer aufnimmt. Sondern unter einem viel umfassenderen Blick des Kontakts einer regionalen Bevölkerung mit Personen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen hier niederlassen wollen.
Dann wäre eine Gesellschaft gefragt, die nicht habgierig ausgrenzt, und die nicht bloß das Eigene und Innerste zum alleinigen Maßstab nimmt. Die das Fremde als solches akzeptiert und in all seinen Facetten sieht, nicht nur in seiner Bedrohlichkeit. Die nicht diktiert, sondern verhandelt.
Dann könnte es freilich zu spät sein, all diese für eine entwickelte Industriegesellschaft des 21. Jahrhunderts notwendigen Attribute erst langsam kennenzulernen.
Quelle: Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK), Wien (13.04.1999)
Tagung Wilhelminenberggespräche 2000, Referat
Um Ihnen als Repräsentanten von Unternehmen einen Eindruck vom Produkthaftungsverfahren zu geben, will ich einen konkreten Unfall mit Personenschaden als Beispiel schildern, der zu GZ 27 Cg 71/97i des Handelsgerichtes Wien anhängig war:
Eine Kundin hatte bei einem großen Möbelhaus eine Bettcouch, genauer: eine Doppelliege gekauft. Hersteller der Doppelliege war die später vor dem Handelsgericht Wien beklagte Partei, die im Inland Matratzen, Betten- und Polstermöbel erzeugt. Insoferne lag der Fall einfach, denn oft hat der Hersteller seinen Sitz nicht im Inland. Wobei unter Inland seit 1995 der EU-Binnenraum zu verstehen ist. Gerichtsstand bleibt aber der Ort der Schadenszufügung. Sie können also zB den italienischen Hersteller in Wien klagen und das Urteil in Italien vollstrecken lassen (Art 5 Z 3 EuGVÜ).
Liegt der Hersteller nicht im EU-Inland, so ist der Importeur bzw. der Vorlieferant in Anspruch zu nehmen. Importeur ist, wer als erster Unternehmer in der Vertriebskette seinen Sitz im Inland hat. Nicht entscheidend ist es hingegen, wer die Durchführung des Importvorgangs (z.B.: über die Grenze bringen, Verzollen, Zahlung der Frachtkosten und Einfuhrumsatzsteuer) übernimmt – vgl ecolex 1995, 330.
Auch gibt es hier eine Art Anscheinshaftung, in die Sie sich unvorsichtigerweise begeben können, wenn Sie – obschon nur Zwischenlieferant – Ihre Firma auf dem Produkt ersichtlich machen. Erst jüngst hat der OGH (2 Ob 188/97d vom 28.01.1999; RdW 1999/6, 407) festgehalten, daß derjenige primär haftet, der seinen Namen oder seine Marke auf einem Produkt angibt und damit den Anschein erweckt, Hersteller zu sein. Derjenige kann sich auch nicht mehr durch die Benennung des tatsächlichen Herstellers aus dieser Haftung befreien. Eine Fensterfirma hatte eine Pistolenschaumdose beim Beklagten gekauft. Obwohl die Dose in Holland hergestellt worden war, schien auf ihr lediglich Firma, Marke und Adresse des Beklagten auf. Die Pistolenschaumdose war in einem Fahrzeug der Fensterfirma explodiert. Der OGH gab ihrer Klage auf S 157.000,00 Schadenersatz aus Produkthaftung statt.
Die Doppelliege unseres Falles hatte eine Bettzeugtruhe, die auf Rollen geführt wird und herausgezogen werden kann, um das Bettzeug zu verstauen.
Die Truhe wird von einem hölzernen, rund 15 kg schweren Deckel abgedeckt. Für die Bedienung der Bettzeugtruhe ist es daher erforderlich, den Deckel, der lediglich auf der Hinterseite mittels Scharnieren an der Truhe befestigt ist, anzuheben.
Der Deckel ist so konstruiert, daß er über 90° Grad aufgeklappt werden kann und dann in einer - vermeintlich - stabilen Position offen bleibt, ohne daß er gehalten werden muß. Auf diese Weise hat man beide Arme für das Einräumen des Bettzeuges frei.
Allerdings ist der Deckel bei diesem Modell in keiner Form zu arretieren. Das Unternehmen, das seit 75 Jahren Matratzen, Betten- und Polstermöbel herstellt, hat daneben auch Erzeugnisse im Programm, deren Deckel durch eine Sprungfeder aufgeklappt oder zumindest durch eine Stütze arretiert wird. Derartige Produkte sind allerdings teurer.
Die Käuferin der Doppelliege und spätere Klägerin erlitt am 14.02.1996 eine schwere Kopfverletzung bei der erstmaligen Bedienung dieser Liege: Mangels Arretierung fiel ihr der lediglich angelehnte Deckel mit voller Wucht auf den Vorderkopf, während sie vor der Bettzeugtruhe kniete und einbettete. Ihr Ehemann fand sie wenig später bewußtlos auf dem Boden liegend.
Die Liege war in einem Zimmer mit Parkettboden aufgestellt gewesen, so daß die Rollen der Truhe kaum Reibungswiderstand aufwiesen. Berührt man nun beim Einbetten, was fast zwangsläufig vorkommt, die Truhe, so kann dies ein leichtes Einschieben der Truhe und damit einen, wenn auch leichten, so doch durch die Hebelwirkung verstärkten Druck auf den nur angelehnten Deckel bewirken. Dieser klappt zu und könnte sogar, falls Kleinkinder oder gebrechliche, alte Menschen damit hantieren, tödliche Verletzungen hervorrufen, wie im Prozeß ein Gutachter feststellte.
Die Klägerin machte schwere Gehirnerschütterung mit neurologischen Ausfällen, 36 Tage starke Schmerzen, 21 Tage mittelstarke und 21 Tage leichte Schmerzen geltend. Dies entspricht einem Schmerzengeldbetrag von S 175.200,00.
Dazu kommt zwangsläufig ein Feststellungsanspruch für zukünftige Schäden im Ausmaß von weiteren S 75.000,--, da im sensiblen Bereich der Schädeltraumata ohne fachärztliches Gutachten nicht abzusehen ist, ob die Kopfverletzung nicht Dauerschäden hervorgerufen hat.
Während nun das österreichische Schmerzengeldrecht – verglichen mit Horrorzahlen vor allem aus den USA mit ihrem gänzlich anderen Rechtssystem – bei vergleichsweise geringen Schadenersatzbeträgen dahindümpelt, die äußerst selten S 1 Mio. übersteigen, kann diese Summe doch relativ leicht erreicht und überschritten werden, falls die Geschädigte nicht nur vorübergehend ihre Gesundheit, sondern darüber hinaus etwa ihre Arbeitsfähigkeit ganz oder teilweise verliert.
Dann wird nämlich eine monatliche Rente über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte fällig.
Darüber hinaus sind neben Personenschäden aus Produkthaftung selbstverständlich auch Sachschäden zu ersetzen, wenn auch nur oberhalb des gesetzlichen Selbstbehalts in Höhe von S 7.900,00 laut § 2 Zif. 2 PHG.
Die wahren Gefahren für das Unternehmen aus dem fehlerhaften Produkt liegen aber gar nicht im Schadenersatzbetrag selbst, sondern im Imageverlust, den das betroffene Unternehmen durch den Prozeß erleiden kann:
Die beklagte Polstermöbelerzeugerfirma, die sich vorprozessual noch der allergrößten Höflichkeit bedient und stets ihr tiefes Bedauern gegenüber der Klägerin ausgedrückt hatte, wehrte sich nämlich durch ihren Rechtsanwalt im Prozeß nun mit folgenden Argumenten:
- Die Klägerin habe ungeschickt und unüberlegt hantiert.
- Ein Hersteller müsse nicht auch auf den hier vorliegenden, ganz unvernünftigen Gebrauch Rücksicht nehmen.
- So könne man beispielsweise Reisekoffer herstellen, welche während des Packens nicht zuklappen können, was bekanntlich immer wieder passiere, insbesondere dann, wenn man mit dem aufgestellten Deckel an eine Wand stoße. Auf der anderen Seite wäre es aber besonders unangenehm, wenn diese Federarretierung den bereits zugemachten Kofferdeckel mit entsprechender Kraft wieder nach oben schleudern würde. Das selbe gelte auch für den truhenförmigen Bettzeugraum dieses Bettes.
- Schon mit geringem intellektuellem Aufwand könne die Funktion des zurückklappenden Deckels begriffen werden, und sei dann auch jedem Konsumenten klar, daß ein Hineinschieben der Bettzeugtruhe bei geöffnetem Deckel ganz unvernünftig wäre.
- Müßte man bei der Herstellung von Konsumartikel auf allzu ungeschickte Verbraucher Rücksicht nehmen, wäre man in der Folge mit jenen Anspruchstellern konfrontiert, die bei einem arretierbaren Bettzeugladendeckel die Finger in den Arretierungshebel quetschen oder von aufschnappenden Federspannern überrascht werden.
Das Leben ist, wie man sieht, schwierig. Der Anwalt des beklagten Polstermöbelerzeugers goß also Spott und Hohn über die klagende Konsumentin und verfehlte dabei den schmalen Grat, der stets zwischen einer ordnungsgemäßen Rechtsverteidigung und der Verächtlichmachung des Unfallopfers entlangführt. So etwas zerstört natürlich das anfängliche, mühsam aufgebaute Vertrauen und ruft im Opfer Vergeltungsreflexe hervor. ZB den Schrei nach den Medien.
Der Firmenanwalt setzt so das von ihm vertretene Unternehmen sowohl vor Gericht als auch vor der Öffentlichkeit, wenn der Fall publik wird, einem enormen negativen Imagedruck aus. Ein allzu plumpes Anpatzen des angeblich intellektuell unterbelichteten Konsumenten durch Mitarbeiter oder Vertreter des eigenen Unternehmens sollte daher alleine schon unter Kostengesichtspunkten unbedingt vermieden werden.
Der Firmenanwalt macht diese Manöver freilich nicht ganz ohne Grund, sondern im Hinblick auf den „Fehler“-Begriff im § 5 PHG. Dort ist nämlich ein Wertungskalkül eingebaut. Ein Produkt ist dann, aber auch nur dann fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, ...
Ein weites Feld, das der Auffüllung durch Rechtsprechung bedarf.
Da in der Produkthaftung - genauso wie beim übrigen Schadenersatzrecht - auch Schadensteilung möglich ist, wenn beide, Klägerin und Beklagter an der Herbeiführung des Schadens mitgewirkt haben, mußte vom Hersteller geradezu argumentiert werden, daß das überwiegende, wenn auch nicht das gänzliche Verschulden bei der Klägerin selbst lag.
Außerdem seien bis zu dem Vorfall mit der Klägerin bereits etwa 50.000 dieser Betten ausgeliefert worden, ohne daß es zu einem derartigen Vorfall gekommen sei. Dieser unglückliche Hinweis geht wieder nach hinten los, denn er wird der Beklagten später in den Medien die Schlagzeile einbringen: „In 50.000 Betten schlummert die Gefahr!“
Außerdem mußte der beklagte Hersteller einräumen, seit dem Unfall einen schriftlichen Warnhinweis („Pickerl“) bei allen seinen derartigen Produkten anzubringen und bei dem konkreten Bett der Klägerin später eine einfache Arretierung eingebaut zu haben, so daß der Deckel nun nicht mehr zuklappen kann. Ganz so ungefährlich kann die Situation zuvor also nicht gewesen sein. Der Warnhinweis lautete: „Achtung! Bei Bettraumbenützung den Deckel mit einer Hand sichern!“
Zwei Sachverständigengutachten werden vom Handelsgericht Wien eingeholt. Die Feststellungen im Urteil, das unbekämpft bleibt, sind dann eindeutig:
„Eine Entlastung der Klappe durch Federn, Gasdruckdämpfer oder ähnliches war nicht vorhanden, eine Abstützung zur Fixierung der Klappe in geöffnetem Zustand ebenfalls nicht gegeben." Auf Grund des besonders beim Füllen der Bettzeuglade mit großvolumigem Bettzeug, wie z.B.: Daunendecken, nicht auszuschließenden Drucks auf die Bettzeuglade in die Schließrichtung war es möglich, daß die Bettzeuglade in Folge ihrer Leichtgängigkeit so weit – nämlich um die letzten 6 cm vor dem Anschlag in ihre komplett offene Position – hineinrollen konnte, daß die Klappe kippte und zufiel.
Zusammengefaßt: Die Klappe konnte bereits im Bereich der letzten 6 cm vor dem Anschlag in ihre komplett offene Position senkrecht hoch geklappt werden und in weiterer Folge – je weiter die Bettzeuglade geöffnet wurde, an der Sitzpolsterung in Richtung der Sitzbank angelehnt werden; bei vollständig herausgezogener Bettzeuglade allerdings fiel der Deckel, wenn er über 90 Grad vorher händisch geöffnet worden war, von selbst in Richtung Sitzbank, wo er in einer ca. 10 Grad Richtung Sitzbank geneigten Position verblieb. Auch bei vollständig, daß heißt bis zum Anschlag herausgezogener Bettzeuglade und um 10 Grad nach hinten in Richtung Sitzbank angelehnter Klappe, konnte es durch den Druck des Bettzeuges auf die Bettzeuglade in Richtung Schließrichtung dazu kommen, daß diese in Folge ihrer Leichtgängigkeit um jene 6 cm hineingerollt wäre, welche ein Kippen und Zufallen der Klappe nach sich gezogen hätte.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Handelsgericht:
Ein Produkt ist dann fehlerhaft im Sinne des § 5 PHG, wenn es eine Unsicherheit mit sich bringt, die man unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zu erwarten braucht.
Unter Fehlern sind daher sowohl Konstruktions- als auch Produktions- und Instruktionsfehler zu verstehen.
Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen eines Instruktionsfehlers zu bejahen: Hier macht nur die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft. Mangels entsprechender Aufklärung kommt die im Produkt „schlummernde Gefährlichkeit“ zum Tragen. Bei der Erteilung entsprechender Warnungen, Gebrauchsanweisungen oder sonstiger Aufklärungen würde bei Vorliegen eines Instruktionsfehlers für den Benützer kein übermäßiges Risiko bestehen, so daß das Produkt an sich als fehlerfrei anzusehen wäre.
Die Klägerin hat nun, ohne die Bettlade zur Gänze herausgezogen zu haben, deren Abdeckung in eine senkrechte Position gebracht. Da die Abdeckung in dieser Position nicht arretierbar war, fiel sie hinab und kam es zu gegenständlichen Verletzungen. Die Klägerin mußte mangels entsprechender Warnhinweise – derartige Hinweise müssen in der nötigen Klarheit und Übersichtlichkeit abgefaßt sein – nicht damit rechnen, daß sich der Deckel aus der senkrechten Position lösen und ihr auf den Kopf fallen würde. Dies um so mehr, als es sich bei dieser mit dem Produkt verbundenen Gefahr nicht um eine ganz offenkundige und für jedermann erkennbare handelte. Hinzu kommt, daß die Klägerin selbst dann, wenn sie die Bettzeuglade zur Gänze herausgezogen hätte, so daß sich deren Abdeckung um 10 Grad zum Bett hin geneigt hätte, auch nicht vor einem Vorfall wie dem gegenständlichen gefeit gewesen wäre, da selbst aus dieser Position die Abdeckung der Bettzeuglade durch Druck durch das Bettzeug in Schließrichtung in Folge ihrer Leichtgängigkeit kippen und zufallen hätte können.
Zum Einwand des Mitverschuldens führt das Gericht aus:
Voraussetzung für ein Mitverschulden des Geschädigten ist, daß ihn selbst ein Verschulden trifft. Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens setzt nicht Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraus, sondern die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern. Eine derartige Sorglosigkeit kann allerdings im Verhalten der Klägerin nicht erblickt werden: Die Klägerin hätte mangels Anbringung entsprechender Gefahrenhinweise – daß eine derartige Warnung im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen wäre und eine Bedienungsanleitung beigelegen wäre, wurde von der dafür beweispflichtigen beklagten Polstermöbelfirma nicht einmal behauptet – sich selbst mit der Funktionsweise des Bettes vertraut machen müssen, um allenfalls damit verbundene Gefahren zu erkennen, und ist nicht auszuschließen, daß es bereits dabei zu einem Vorfall wie dem gegenständlichen kommen hätte können.
Die beklagte Polstermöbelfirma haftete daher zu 100 % für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen, das Urteil ist rechtskräftig.
Die Medien interessierten sich für diesen Fall, und bald erhielt ich den Anruf einer großen Tageszeitung, die in dieser Sache recherchierte. Im konkreten Fall wurde zwar die Identität des Möbelherstellers nicht genannt, es gibt aber keine zwingende Vorschriften, die derartiges verbieten. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welchen Image-Schaden der mediale Bericht von der Verurteilung Ihres Unternehmens zum Schadenersatz wegen der Fehlerhaftigkeit eines Ihrer Produkte mit sich bringt. Schon von daher liegt es im Interesse der Produzenten, keine Gefahren unentdeckt zu lassen, die in der Handhabung ihrer Produkte schlummern, sowie im Interesse der Vertriebsunternehmungen, nicht mit Produkten zu handeln, die zu einem Körper- oder Sachschaden bei einem Kunden führen.
Zuletzt noch der Versicherungsaspekt:
Das Gesetz selbst verpflichtet Sie, dafür vorzusorgen, daß Schadenersatzpflichten nach dem PHG befriedigt werden können. Das ähnelt der Pflichthaftpflichtversicherung etwa im Kraftfahrzeugbereich. Stellt sich nachträglich heraus, daß ein Geschädigter deswegen nicht ausreichend Befriedigung finden konnte, weil Sie entgegen dem Gesetz keine ausreichende Deckungsvorsorge getroffen hatten, so kommt neben der strafrechtlichen Komponente vor allem die Durchgriffshaftung in Betracht: Geschäftsführer, unter Umständen auch Gesellschafter von Kapitalgesellschaften würden diesfalls persönlich und in unbeschränkter Höhe für den entstandenen Schaden haften, den die Gesellschaft nicht abzudecken vermag. Eine ausreichende Versicherung ist daher unbedingt empfehlenswert, obwohl Ihnen das Gesetz auch andere Vorsorgemöglichkeiten einräumt.
Meine Nachfrage beim Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVÖ; 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, Tel 711 56-0, Sektion Industriegeschäft, Fr. Mag. Alt
Lassen Sie mich abschließend formulieren: Die gesetzliche Haftung für fehlerhafte Produkte stellt sicher, daß die unternehmerische Verantwortung nicht mit der Auslieferung der Waren aus dem eigenen Betrieb endet. Das war zwar im Rahmen der Gewährleistung schon bisher der Fall, häufig aber nur für 6 Monate und häufig nur im bescheidenen Rahmen der Verbesserung allfälliger Mängel. Die Produkthaftung ist nach oben hin nicht begrenzt und droht 10 Jahre lang. Ich meine, das allein ist Argument genug, sie betrieblich zu kalkulieren.
Quelle: Benedikt Wallner in Medwed/Perz, Produktsicherheit, Wien 2001, Seite 28ff (01.01.2001)
„In Wahrheit hat freilich noch nie irgend jemand irgend etwas verdient, sondern immer nur bekommen.“
Georg M. Oswald, Alles was zählt
Man mag bei „Sittenwidrigkeit“ an schmutzige Dinge denken – an schmutziges Geld etwa, das auf Wegen zu einem gelangt, die von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden. Bei den Banken herrschte bis vor kurzem die Unsitte, von vornherein gefährdete Kreditvergaben damit zu „besichern“, daß „die werte Frau Gemahlin“ oder ein anderes Familienmitglied „mitunterschreibt“. Das konnte in Form einer Bürgschaft geschehen oder als Garantieerklärung, in Form einer Solidarhaftung als beitretender Mitschuldner oder gar als Mitkreditnehmer - letzteres zumeist fälschlich, weil klar ist, daß das Geld nur einem der beiden, eben meist dem Kreditantragsteller und nicht auch seiner Ehefrau zugute kommen sollte (auf die Bezeichnung der Mithaftung kommt es zwar nicht an, doch ist sie auch nicht etwa nur unbeachtliche falsa demonstratio: Rabl, Die Bürgschaft, hält sie mit gutem Grund für ein Interpretationsindiz in der Vertragsauslegung nach § 914 ABGB. Die Rechtsprechung, 1 Ob 109/00m vom 30.1.2001 = ecolex 171/2001, grenzt ab je nachdem, ob die Gutsteherin ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Grundverhältnis hat [selbstschuldnerisch – fremdschuldnerisch]). Für alle diese Schuldbeitritte wurde der Überbegriff „Interzession“ geprägt, zumal es nicht auf den Namen des Beitritts ankommt, sondern auf die Tatsache der Gutstehung. Interzessionen können, wenn bestimmte typische Faktoren zutreffen, sittenwidrig, also zivilrechtlich nichtig sein – und sind es nur zu oft.
Seit eh und je gibt uns § 879 Abs. 1 ABGB ein Instrument an die Hand, Verträge durch Anfechtung zu vernichten: Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Insbesondere zählt Abs. 2 Zif. 4 leg.cit. den Fall dazu, dass jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Missverhältnisse steht (dem § 1 Wuchergesetz 1949 nachgebildet).
Wenn es einen Fall gab, auf den die Sittenwidrigkeitsjudikatur ideal passte, die der OGH mit 1 Ob 544/95 erstmals entwickelt hat, so war es dieser:
Die Ehefrau des mittlerweile insolventen Unternehmers wurde von der Bank auf annähernd ATS 12 Mio. geklagt. Sie war zum Zeitpunkt der Abgabe ihrer Haftungserklärung einkommens- und vermögenslose Hausfrau gewesen. Auf diesen Zeitpunkt kommt es nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung an, überprüft man die Gültigkeit der Haftungserklärung, nicht hingegen auf vage zukünftige Entwicklungen (7 Ob 217/99h, 1 Ob 87/98w).
Als sie geklagt wurde, lebte sie in Scheidung und bezog Sozialhilfe. Alleine die Rückzahlung der Kapitalforderung ohne Zinsen hätte eines Zeitraums von mehr als 130 Jahren zur Abdeckung bedurft! Auch das von Banken gerne gebrauchte Argument, die Mithaftung der Ehefrau sei notwendig, schütze sie doch die Bank vor listigen Vermögensverlagerungen der Ehe-gatten untereinander, rechtfertigte eine derartige Bürgschaft nicht: gem §§ 2 ff der AnfO sind ohnehin alle Rechtshandlungen anfechtbar, die wegen Benachteiligungsabsicht bzw. wegen Vermögensverschleuderung vorgenommen wurden, insbesondere gegenüber Ehegatten oder anderen nahen Angehörigen. Es gibt hiezu eine umfangreiche Rechtsprechung gerade des deutschen BGH, von dem die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung ursprünglich stammt.
Die Justiz hatte dennoch anfangs ein veritables Problem mit der deutschen Sittenwidrigkeitsjudikatur: Wie vertrug sich das denn mit der Privatautonomie? Wenn ein führender Bankmitarbeiter im Prozeß einmal ausrief: „Falls das so weitergeht mit der Sittenwidrigkeitsjudikatur, dann werden wir [die Banken] bald überhaupt keine Kredite mehr vergeben“, so entbehrte das zwar nicht einer gewissen Komik, traf aber doch im Kern die eingetretene Verunsicherung: Wenn die geleistete (Bürgen-)Unterschrift keine Gültigkeit mehr habe, so bedeute dies eine „unerträgliche Belastung für das Geschäftsleben“.
Freilich bedeutete längst die bisherige Praxis eine unerträgliche Belastung, nämlich für das Privatleben so mancher Mithaftenden. Zu bedenken ist, daß die Mithaftende per definitionem ja nicht selbst Geld ausgeborgt hat und nur aufgrund ihres Versprechens zur (Rück-)zahlung an die Bank verpflichtet war, nicht aber aufgrund wechselseitigen Leistungsaustauschs.
Die erste Entscheidung des OGH 1 Ob 544/95 liest sich noch so, als müsse der Gerichtshof die seltene Ausnahmskonstellation unterstreichen, in der nur eine Haftungsbefreiung in Frage käme. Und sie lautet im Ergebnis, daß die Haftungsbefreiung nicht stattfindet, weil der Schuldner bei einigen der ursprünglich 11 aufgestellten Kriterien (vgl. Georg Graf, Verbesserter Schutz vor riskanten Bürgschaften, ÖBA 10/95) zur Haftungsbefreiung „hängenbleibt“. Das Problem mit einem so komplexen System ist natürlich stets, daß es kaum jemals Anwendung finden wird (so urteilte der OGH noch am 27.3.1997 in 8 Ob 2315/96s: „Die Befreiung ... naher Angehöriger ... kann nämlich nur in Ausnahmefällen wirksam werden ...“ und „Zur [Geschäftsunerfahrenheit] hat schon das Erstgericht darauf verwiesen, daß alle Beklagte bereits früher Bürgschaften eingegangen sind und daher [sc!] über das damit verbundene Risiko Bescheid wissen mußten“, eine Argumentation, die vom OGH wenig später völlig zu Recht aufgegeben wurde und heute nicht mehr vertreten wird). Abgesehen von einem eher untypischen Fall zwischen zwei Schwestern mit einem Streitwert von „bloß“ ATS 276.977,25 am 10. Juli 1997 kam es daher vor dem Höchstgericht – die Untergerichte waren eher geneigt, die Mithaftenden in der nachprüfenden Kontrolle zu entschulden – die ersten Jahre immer wieder zu Verneinungen der Haftungsbefreiung.
So dauerte es bis zur obgenannten Entscheidung 7 Ob 217/99h vom 16.2.2000, womit der OGH eine Revision der Bank (!) mit der zutreffenden Begründung zurückwies, die Rechtsprechung zu diesen Fragen sei mittlerweile gefestigt, alle erheblichen Rechtsfragen seien längst gelöst – und im Ergebnis die Ehefrau entschuldete.
Auch der OGH war inzwischen vom Erfordernis der 11 Kriterien abgegangen und der Einteilung der Lehre, hier vor allem Graf (vgl. wieder Georg Graf, Verbesserter Schutz vor riskanten Bürgschaften, ÖBA 10/95) gefolgt, die übersichtlicher ist und die Voraussetzungen in nur mehr drei Gruppen zusammenfaßt (uzw: a) inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrages, b) Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten und c) Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren auf seiten des Kreditgebers).
Es hat sich wohl auch gezeigt, daß die „seltene Ausnahmskonstellation“, die das Höchstgericht in seiner ersten Entscheidung noch unterstrich, bei Bankkrediten eher den Regelfall darstellte, wenn Banken zweifelhafte Kredite an Geschäftskunden vergeben hatten und dabei eines oder einer Angehörigen habhaft werden konnten.
Folgende weitere Anhaltspunkte (LG für ZRS Wien zu 11Cg 139/97k) für eine Nichtigkeit lassen sich aus der mittlerweile umfangreichen Judikatur destillieren (vgl. auch Rabl, Sittenwidrige Bürgschaften vermögensschwacher Angehöriger, ecolex 8/1998 samt checklist):
- Die strukturell ungleich größere Verhandlungsstärke der Bank, die ein derartiges faktisches Übergewicht hat, dass sie die vertraglichen Regeln faktisch einseitig setzen kann, gegenüber dem Angehörigen;
- Höhe der Verbindlichkeit, im Vergleich dazu eigenes Einkommen oder Vermögen(„so eine Haftung ist für die Gläubigerbank auch wirtschaftlich weitgehend völlig wertlos, weil nicht zu erwarten ist, dass in das Vermögen zielführende Exekution geführt werden kann, weshalb schutzwürdige Interessen der klagenden Partei gar nicht betroffen sein können und es deshalb zu einem unerträglichen Ungleichgewicht des beidseitigen Interesses kommt“ in 11Cg 139/97k, LGfZRS Wien)
- zu diesem Zeitpunkt schon weitgehende Überschuldung des Hauptschuldners? (vgl. die schon länger bestehende Jud. zu SZ 57/70; ÖBA 1992, 74; ÖBA 1993, 61; 4 Ob 1687/95; JBl 1990, 322 = ÖBA 1990, 554 mwN)
- Kreditvaluta bereits geflossen, so dass die Verpflichtung nur zur Absicherung der Forderung der Bank dient?
- kein (unmittelbares) eigenes Interesse des Mithaftenden, vielmehr reine Gutstehung? (daß die Ehefrau von dem Familieneinkommen lebt, das ihr Mann unter anderem mit dem Firmenkredit erwirtschaftete, für den sie bürgte, hat der OGH in dem beschriebenen Musterfall als nicht ausreichendes eigenes Interesse angesehen)
- Verharmlosung des aus dieser Haftung resultierenden Risikos?
- wenn schon nicht Verharmlosung: vollständig unterlassene oder unzureichende Aufklärung über das durch die Interzession übernommene Risiko?
- Überrumpelungssituation durch wen immer (erfolgte Unterzeichnung in der Bank oder zu Hause oder am Arbeitsplatz)?
- wirtschaftliche Abhängigkeit zum Hauptschuldner(-ischen Geschäftsführer), seelische Zwangslage?
- (keine) persönliche Verfügungsgewalt über die Kreditsumme?
- kein unmittelbarer Vorteil aus der Zuzählung der Kreditvaluta (ÖBA 1995, 807)
Das Berufungsgericht im einleitend beschriebenen Fall hat zusätzlich als Leitlinien herausgearbeitet: daß die Bürgin nie aktiv im Unternehmen mitgearbeitet hat; daß sie auch sonst niemals in Unternehmensangelegenheiten involviert war; daß die Bank keinerlei Untersuchungen über die finanzielle Lage der Bürgin anstellte; für die Bank war die Bonität der Bürgin bei Einräumung des Kredites unerheblich; obwohl die Bürgin schon den x-ten Kredit über die Jahre hinweg unterzeichnete, wurde sie als geschäftlich völlig unerfahren gewertet; es schadete nicht, dass die Bürgin auf dem Privatkonto des Hauptschuldners zeichnungsberechtigt war; es schadete ihr auch nicht, dass sie Kommanditistin der hauptschuldnerischen KG war: Sie hatte jedenfalls kein wesentliches Eigeninteresse an der Krediterteilung („Das von der Bank aus der Kommanditistenstellung der Bürgin und aus der Unterhaltsbestreitung durch die Firmenentnahmen abgeleitete Eigeninteresse stellt aber kein wesentliches Eigeninteresse im vorstehend dargelegten Sinne dar. Denn die vom Ehegatten und Geschäftsführer der Hauptschuldnerin der Bürgin unmittelbar zur Lebensführung der Familie zur Verfügung gestellten Beträge sind derart knapp, dass sie zur völligen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Bürgin von ihrem Ehemann führen. Auch ihre Kommanditistenstellung gewährte ihr keine zusätzliche Einkommensquelle, über die sie hätte disponieren können.“ OLG Wien 14 R 224/98h).
Greift nun die Sittenwidrigkeitsjudikatur nur bei nahen Familienangehörigen? Ja, und auch da nicht immer: Der OGH hat sogar im Fall zweier Brüder 1 Ob 87/98w, wo der eine für den anderen gebürgt hat, entschieden, dass (getrennt wohnenden) Erwachsenen und Geschwistern Entscheidungen viel leichter fallen als Lebenspartnern, aber auch Kindern, die sich dem Einflussbereich ihrer Eltern noch nicht durch eine Verselbständigung ihrer familiären und beruflichen Existenz entzogen haben. Eine seelische Zwangslage liege bei erwachsenen Familien-angehörigen mit selbständigen Lebensbereichen nicht vor, obwohl allerdings Ausnahmen denkbar seien. In solchen Ausnahmskonstellationen habe eben der Interzedent jene besonderen Umstände zu behaupten und zu beweisen, die trotz der Verselbständigung seiner familiären und beruflichen Lebensbereiche nach wie vor seine Situation verdünnter Entscheidungsfreiheit verständlich machen könnten.
Mit der KSchG Novelle 1997 hat der Gesetzgeber der neuen Entwicklung Rechnung getragen und – zwar nur für den Konsumentenbereich, jedoch nicht mehr nur im Familienkreis - vor Unterschrift die Aufklärung des Mithaftenden durch die Bank angeordnet. Die neuen §§ 25b ff KSchG sind auf Verträge anwendbar, die ab dem 01.01.1997 geschlossen wurden (7 Ob 217/99h). Die Sittenwidrigkeitsjudikatur gilt daneben weiter.
Allerdings hat der Gesetzgeber mit dem richterlichen Mäßigungsrecht des § 25d KSchG auch einen kleinen Pferdefuß eingebaut, möglicherweise in bester Absicht. Dessen unpräzise Formulierung verleitet nämlich Gerichte dazu, anstelle der vorgesehenen Rechtsfolge für nichtige Haftungserklärungen – i.e. Nichtigkeit nach § 25 c KSchG – lediglich eine Mäßigung (zB auf die Hälfte) nach § 25d KSchG auszusprechen. Das ist bedauerlich, denn das hat der Gesetzgeber nicht gemeint.
Die Schutzfunktion des § 25 c KSchG war vielmehr so gedacht, daß fragwürdige Kredite gar nicht erst vergeben werden; zumindest nicht solange der Interzedent mangels Aufklärung nicht weiß, was er oder sie tut. „Denn mit der Wendung ‚oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht erfüllen wird‘ wird eine Verpflichtung des Gläubigers angesprochen, die den Gläubiger zwingt, die Frage zu beantworten, ob der Kreditwerber von vornherein kreditwürdig war oder nur dank des fast sicher in Anspruch zu nehmenden Interzedenten (weiteren) Kredit erhielt. Kreditverbindlichkeiten, die auf solche Art und Weise „gesichert“ werden müssen, sollen verhindert werden; wenn der Kreditwerber von vornherein nicht kreditwürdig ist, soll er auch nicht – letztlich auf Kosten eines Interzedenten – Fremdkapital aufnehmen“ (RV 311 BlgNr. 20.GP 25, vgl. Kosesnik-Wehrle – Lehofer – Mayer, KschG, Rz 1 zu § 25c). Dabei kommt es nicht auf den subjektiven Eindruck des betreffenden Bankmitarbeiters an. (vgl. ebd., Rz 7 zu § 25c).
Fälle wie diese verdienen daher stets eine nähere Betrachtung, bevor die Bank ein Versäumungsurteil oder einen Wechselzahlungsauftrag erwirkt.
Benedikt Wallner ist RA in Wien,
Vertrauensanwalt des VKI und
hat die E 1 Ob 544/95 erwirkt
Quelle: Benedikt Wallner in: juridikum 4/2001, Seite 162ff (01.12.2001)
Meine Versicherung schreibt mir, der „administrative Aufwand“ mit Erlagscheinen sei so hoch, dass sie ab nun 2,20 für jede Zahlung einheben, die nicht mittels Einzugsermächtigung, sondern wie früher mit Erlagschein erfolgt. Dürfen die das?
Die meisten Unternehmen wollen Sie heute zur Erteilung einer so genannten Einzugsermächtigung zwingen, indem für Barzahlungen oder Erlagscheinzahlungen kräftige „Gebühren“ aufgeschlagen werden. Argumentiert wird meist damit, es sei doch auch für Sie als Kunden viel „bequemer“, Ihre wiederkehrenden Rechnungen mittels Einzugsermächtigung zu begleichen. Und es sei auch „völlig risikolos“, denn falls etwas mit der Rechnung nicht stimme, so könnten Sie binnen 42 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen, und schon sei das Geld - abzüglich Spesen - wieder auf Ihrem Konto.
Was wir bisher vom Obersten Gerichtshof zum Thema gehört haben, ist nur, dass zumindest einem Telefonunternehmen diese Praxis nicht untersagt wurde. In Deutschland ist die Justiz übrigens weit hellsichtiger: Dort wird bereits erkannt, dass eine Einzugsermächtigung keineswegs dem Kunden, sondern vor allem stets dem Unternehmer erhebliche Vorteile bringt, indem er Verwaltungsaufwand und damit Personalkosten spart.
Dass solche Praktiken vom Gesetz nicht verboten sind, will aber nichts besagen. Akzeptieren müssen Sie diese Praxis dennoch nicht, und in entwickelten Marktwirtschaften wie den USA oder Kanada würde jeder Unternehmer sehr schnell recht einsam dastehen, wenn er mit „gestiegenen Administrationskosten“ schamlos seine Kunden ausbeuten wollte: Sie können bekanntlich nicht nur unter verschiedenen Versicherungen, sondern mittlerweile auch unter verschiedenen Telefon-, sowie sogar Strom- und Gasanbietern wählen. Teilen Sie jedem Unternehmen, das Sie mit einer Erlagscheingebühr bestraft, doch einfach brieflich mit, dass Sie dieses Ansinnen zum Anlass nehmen, Ihren Vertrag zum nächstwirksamen Termin zu kündigen, falls Sie nicht binnen 14 Tagen schriftlich Nachricht erhalten, dass in Ihrem Fall auf die Verrechnung einer Erlagscheingebühr eben verzichtet wird.
Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien
Quelle: KURIER | 06.02.2003 | Seite 15
Okan Ersoy hat einen angesehenen Job: Der 32-jährige ist Jurist und arbeitet für die Rechtsanwaltskanzlei Deinhofer, Petri und Wallner. Warum er Rechtsanwalt werden will, hat er ECHO erzählt.
Rechtsanwalt ist ein ungewöhnlicher Beruf für einen Türken, der in Österreich lebt. Magister Okan Ersoy will es werden und ist auf dem besten Weg. Er beweist dadurch, dass es auch ausländischen jungen Leuten möglich ist, einen solchen Beruf auszuüben. „Ich habe immer davon geträumt, als Rechtsanwalt tätig zu sein,“ sagt der junge Jurist. In Istanbul hat Okan das österreichische Gymnasium St. Georg besucht. Er wollte unbedingt Jus studieren, weil er von Familienmitgliedern so beeindruckt war: Sein Vater und seine Onkels waren Rechtsanwälte in der Türkei. „Bei den Familienversammlungen begeisterten sie mich. Jedes Mal saß ich mit ihnen zusammen und hörte mir ihre Gespräche an“, sagt Okan. So entschied er sich, in Wien zu studieren. Es war ihm bewusst, dass er es nicht leicht haben würde, Er konnte zwar sehr gut Deutsch, aber die Gesetze in einer anderen Sprache zu lernen, war schwierig.
Okan hat in Wien und in Salzburg studiert – und nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach seinem Studium folgten die Monate der Gerichtspraxis, die er mit Erfolg meisterte. Nun arbeitet Okan für die Rechtsanwälte >b>Deinhofer, Petri und Wallner: „Ich unterstütze die Anwälte insbesondere was türkische Fragen angeht.“ Nun hofft er, bald eine Stelle als Rechtsanwaltsanwärter antreten zu können. „Ich muss fünf Jahre lang als solcher für eine Kanzlei arbeiten, um später einmal meine eigene Kanzlei zu eröffnen zu können.“
Die Kanzlei Deinhofer, Petri und Wallner existiert seit zehn Jahren und hat sich spezialisiert auf Bau- und Immobilienrecht, Wirtschafts-, Ausländer- und Wohnungsrecht sowie auf Bankangelegenheiten. „Es ist für mich sehr wertvoll, mit erfahrenen Anwälten zusammen zu arbeiten“ meint der 32-jährige Okan.
Nebenbei studiert er an der Donau Universität Krems Europäisches Wirtschaftsrecht und ist zudem fast fertig mit seinem Doktoratstudium. „Es leben sehr viele Türken in Europa und die meisten von ihnen haben keine Ahnung im Bereich europäisches Wirtschaftsrecht. die rechtlichen Grundlagen kennen sie kaum. Und wenn irgendwann mal die Türkei EU-Staat wird, könnte ich meine Erfahrungen einsetzen“, sagt er. Deshalb habe er sich auf europäisches Wirtschaftsrecht spezialisiert. „Außerdem hoffe ich, dass ich für die ausländischen Jugendlichen ein gutes Vorbild werden kann.“.
Freitag, 27.02.2004, ECHO, Seite 15
Montag, 10.06.2002, (Benedikt Wallner in Schlögl/Gruber, Wo gehts hier zum richtigen Kurs? 49 ff, öibf, Wien 2003)
Im kommerziellen Bereich der Erwachsenenbildung wird häufig übersehen, dass der geschäftlichen Verbindung zwischen Teilnehmer und Bildungsträger – ob sie das wollen oder nicht – vertragsrechtliche Regeln zugrunde liegen, wobei es zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum gibt, der aber schmal ist. Umso wichtiger ist es, diese Regeln zu kennen oder zumindest von ihnen einmal gehört zu haben.
Wenn im Bildungsrecht Gerichtsverfahren über das Entgelt noch nicht so häufig sind wie zB im Immobilienmaklerrecht, bei Kreditverträgen oder im Wohnbereich, dann kann das an seiner hervorragenden Organisation mit ausgewogener Berücksichtigung der Interessen von Anbieter und Nachfrager liegen, die einen reibungslosen Ablauf ohne Grund zum Streit gewährleisten. Wenig spricht dafür. Wahrscheinlicher ist, dass dieser Bereich von den Beteilgten nicht oder noch nicht als Vertragsangelegenheit aufgefasst wird, in dem Versprechen einzuhalten und für Mängel einzustehen ist wie beim Kauf eines Gebrauchtwagens oder der Buchung einer Pauschalreise auch. Die vor Gericht ausgetragenen Fälle sind noch nicht zahlreich, dafür aber umso typischer. Dazu 2 Fälle aus der anwaltlichen Praxis, anhand derer grundlegende Begriffe des Vertragsrechts veranschaulicht werden sollen:
- Der Bildungsträger bietet ein Seminar an, Mindestteilnehmerzahl 12 Personen. Zu diesem Zweck schließt er mit dem Referenten einen Werkvertrag. Inhalt des Werkvertrages sind sämtliche Leistungen, die der Referent für den Bildungsträger zu erbringen hat. Dazu gehören neben der reinen Lehr- und Vortragstätigkeit auch umfangreiche Sondierungs- und Vorbereitungsarbeiten.
Verwendet wird das Vertragsformular des Bildungsträgers. Darin ist die Klausel enthalten, dass beiden Vertragsparteien das Rücktrittsrecht zustünde, falls die Teilnehmeranzahl von 12 Personen nicht erreicht würde. Näheres dazu ist nicht ausgeführt.
Der Referent erklärt sich mit dem Vertragstext nach erstem Durchlesen weitgehend einverstanden. Er reklamiert nur, dass doch seine Vorbereitungsarbeiten jedenfalls abgegolten werden sollen, er dafür Honorar jedenfalls bekommen soll. Das Honorar wird daraufhin im Vertrag in mehrere Tranchen aufgeteilt (das hat der Referent einmal, in einem Bauvertrag, so gesehen, wo auch nur nach Baufortschritt ausbezahlt wurde). Seine Leistung unterteilt er daher in mehrere Abschnitte und ordnet jedem Abschnitt einen bestimmten Honoraranteil zu. Das alles schreibt er in den Werkvertrag zum Punkt „Entgelt und Fälligkeit“ hinein. Der Bildungsträger erkennt darin einen legitimen Anspruch und hat nichts dagegen. Der Vertrag wird so abgeschlossen. Daraufhin erbringt der Referent seine Vorleistungen, erstellt also eine Power Point Präsentation, führt insgesamt 3 Besprechungs- und Vorbereitungstermine mit dem Bildungsträger bzw. seinen Verantwortlichen durch und stellt alle Seminarunterlagen zusammen. Der Bildungsträger schreibt den Kurs aus, es melden sich 11 Teilnehmer, und der Kurs kommt nicht zustande.
Wie ist die Rechtslage? - Der Teilnehmer meldet sich 1997 für den einsemestrigen Kurs des Bildungsträgers an und besucht ihn auch. Er verpflichtet sich zur Zahlung der Lehrgangsgebühr in Höhe von ATS 68.000,00, und zwar in Raten. Insgesamt ATS 18.000,00 davon hat er schon an Raten bezahlt, dann stellt er die Zahlung ein. Deswegen klagt ihn jetzt der Bildungsträger auf den Restbetrag. Der Teilnehmer wendet ein, der Kurs war schlechter als angepriesen, habe Mängel aufgewiesen, die vereinbarten Lehrinhalte seien nicht vermittelt worden, die angepriesenen ausländischen Lehrstätten seien nicht alle zur Verfügung gestanden, und außerdem habe er das vereinbarte Zertifikat nicht erworben. Die Referenten seien gar nicht berechtigt gewesen, die Prüfungen abzuhalten. Die Mängel habe er bereits während des Kurses erkannt und auch gerügt, er habe sich beschwert. Daraufhin sei eine „Einverständniserklärung“ zwischen Teilnehmer und Bildungsträger abgeschlossen worden, wonach der Kurspreis um 20% reduziert wird. Diese Vereinbarung habe er aber nur unter Vorbehalt abgeschlossen, in Wirklichkeit sei eine höhere als nur 20%ige Reduktion angebracht. Er schulde dem Bildungsträger daher nichts mehr. Im Verfahren stellte sich unter Beziehung von Sachverständigen heraus, dass die eingewandten Mängel tatsächlich bestanden und eine Preisminderung um 60 % rechtfertigten. Ob allerdings die beiden Referenten die Prüfungsbefugnis hätten, wurde vom Gericht - 2002 - nicht mehr geprüft:
Wieso nicht?
Der Bildungsträger hatte offenkundig zu vollmiundig etwas versprochen – Erwerb eines international anerkannten Zertifikats – ohne die erforderlichen Referenten bzw Prüfer dafür gewinnen zu können. So zumindest die Überzeugung des Teilnehmers. „Betrug“, wie gemutmasst wurde, ist das noch nicht, denn wahrscheinlich war der Bildungsträger in bestem Glauben und wollte niemand schädigen. Betrug wäre auch eine strafrechtliche Kategorie, die uns hier nicht weiter interessieren soll. Aber einen Irrtum (über die Erlangbarkeit des Zertifikats) hat der Bildungsträger allemal im Teilnehmer verursacht, weshalb er dafür einzustehen hat. Theoretisch. Der Irrtum über die Eigenschaft des Vertragspartners (die Prüfungsberechtigung der Referenten) berechtigt zwar zur Vertragsanfechtung. So einen Irrtum kann man, wenn man ihm aufgesessen ist und sein Vorliegen dem Vertragspartner zurechenbar ist, geltendmachen: Liegt er vor, muss man den Vertrag nicht einhalten, vielmehr hebt die erfolgreiche Anfechtung den Vertrag auf. Aber: Das geht nur 3 Jahre lang. Gerechnet ab wann? Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt bereits mit Vertragsabschluß zu laufen (JBl 1995, 175 u.v.a.) und war im Jahre 2002 natürlich längst vorbei.
Der erhobene Einwand des Irrtums war also bereits verspätet und daher unbeachtlich. Anders die ebenfalls dreijährige Frist für Gewährleistung: Solche „Störungen der Abwicklung“ (Mängel, Gewährleistung) können noch binnen 3 Jahren ab Leistungserbringung geltend gemacht werden.
Ergibt sich, dass die Bildungsleistung mangelhaft erbracht wurde, so stellt die mangelhafte Leistung ab dem Zeitpunkt ihrer Ablieferung einen Gewährleistungsfall dar. Gewährleistung ist die bei entgeltlichen Verträgen gesetzlich angeordnete Haftung des Leistungserbringers für Sach- und Rechtsmängel, welche die Leistung bei ihrer Erbringung aufweist. Sie soll Störungen der subjektiven Äquivalenz ausgleichen. Ein Mangel kann darin bestehen, dass die vereinbarte Leistung die ausdrücklich bedungenen oder doch zumindest die im Verkehr gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften nicht aufweist. Es ist unerheblich, ob der Mangel vom Leistungserbringer verursacht und verschuldet wurde, lediglich sein Vorliegen ist relevant.
Das Sachverständigengutachten ergab also, dass der Lehrgang derart mangelhaft war, dass eine Wertminderung von 60% eingetreten ist. Dem entsprach folglich eine Reduktion der Kursgebühr um 60%. Allerdings hatte der Teilnehmer zuvor die besagte Vereinbarung unterschrieben, wonach er sich mit einer Reduktion um 20% einverstanden erklärte. Darin sah das Gericht einen zulässigen Vergleich, der insofern neues Recht zwischen den Parteien schafft. Die vom Sachverständigen ermittelten 60% waren also nur theoretisch und wegen bereits verglichener Sache nicht mehr praktisch anzuwenden.
Dass der Teilnehmer „mit Vorbehalt“ den Vergleich unterschrieben hat, nützte ihm nichts: Das Gericht konnte nicht erkennen, was er mit seinem Vorbehalt gemeint hatte. Seine insofern undeutliche Erklärung fiel auf ihn selbst zurück, denn: Im Zweifel muss sich derjenige, der sich einer undeutlichen Formulierung bedient hatte, die Auslegung zu seinem Nachteil zurechnen lassen.
zurück zu Fall 1:
Beim Vertrag des Bildungsträgers mit dem Referenten handelt es sich häufig um einen Werkvertrag (gemäß §§ 1165ff ABGB): Unter „Werk“ ist nicht unbedingt etwas körperliches zu verstehen: Auch die Erbringung einer Dienstleistung kann natürlich ein Werk darstellen. Durch einen Werkvertrag verpflichtet sich der „Werkunternehmer“ gegenüber dem „Werkbesteller“ zur Herstellung eines bestimmten Erfolges. Also nicht schon die Bereitstellung seiner Arbeitskraft, wie beim Dienstvertrag, soll entlohnt werden, sondern der Erfolg. Es handelt sich demnach um eine Vereinbarung, in der sich jemand gegen Entgelt verpflichtet, ein den Umständen und Vorstellungen des anderen entsprechendes Werk entweder persönlich selbständig herzustellen oder unter persönlicher Verantwortung durch Dritte herstellen zu lassen (Krejci in Rummel3, § 1165 Rz 4).
Jetzt sagt der Referent, er verstehe die Honorarregelung eben genau so, dass er unabhängig vom Zustandekommen des Kurses sein Honorar in Höhe der ersten Tranche bekommt, denn dafür seien doch Tranchen gebildet worden. Der Bildungsträger hingegen sagt, dabei handle es sich bloss um eine „Zahlungsmodalität“, aber ob der Referent überhaupt etwas bekommt, hängt vom Zustandekommen des Kurses ab. Da die Parteien bezüglich des Inhalts dieses Werkvertrages unterschiedliche Ansichten haben, somit der objektive Aussagewert nicht klar ist, sind zur Klärung die Vertragsauslegungsregeln (§§ 914, 915 ABGB) heranzuziehen. Es muss aus dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung der Wille beider Parteien erforscht werden. Lässt sich allerdings auf diese Weise kein eindeutiger Sinn ermitteln, was hier der Fall ist, so ist eine Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Dabei sind die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen (Koziol-Welser, Bürgerliches Recht I 2000, 95ff). Im Zweifel muss sich derjenige, der sich einer undeutlichen Formulierung bedient hatte, die Auslegung zu seinem Nachteil zurechnen lassen. Wer hat nun den Vertrag formuliert, Bildungsträger oder Referent?
Der Bildungsträger beruft sich ausserdem auf sein Rücktrittsrecht – da die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht sei, wäre der Vertrag aufgelöst, und aus einem aufgelösten Vertrag gebühre auch kein Honorar. Doch ist das vereinbarte Rücktrittsrecht, wie jedes Recht, ja an seine Ausübung gebunden: Man muss den Rücktritt dem anderen erklären, der andere muss die Rücktrittserklärung empfangen haben, sonst geschieht gar nichts. Der Bildungsträger wird hier also zu zahlen haben. Wäre es nicht als Rücktrittsrecht sondern als Bedingung formuliert worden, so schuldete der Bildungsträger dem Referenten nichts (alllerdings wäre dann der Referent schlecht beraten gewesen, so einen Vertrag abzuschliessen).
Soviel zum Vertrag des Bildungsträgers mit dem Referenten. Ist aber der Vertrag des Bildungsträgers mit dem Teilnehmer auch ein Werkvertrag? Wäre also der Bildungsträger dem Teilnehmer gegenüber verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizführen? Und welchen? Und wenn er ihn nicht herbeiführt, bekommt er dann nichts bezahlt, und kann der TN seine Kosten zurückfordern?
Lehr- und Ausbildungsverträge, die dem Teilnehmer Fertigkeiten vermitteln sollen, sind weder reine Werkverträge noch reine Dienstverträge, sondern werden als Verträge sui generis angesehen, also als Verträge eigener Art (Krejci in Rummel 3, §§ 1165, 1166, Rz 19).
Diese charakterisiert, dass (wie bei den Behandlungsverträgen mit den Ärzten) der angestrebte Erfolg, also die Erlangung jener Fähigkeiten, jenes Könnens und jener Kenntnisse, zu denen ausgebildet werden soll, nicht allein vom Ausbildner und dem Ausbildungsprogramm abhängig ist, sondern auch von den Anlagen, Begabungen und der Mitarbeit des Teilnehmers. Der Ausbilder kann sich daher sinnvollerweise nur verpflichten, ein an sich taugliches Ausbildungsprogramm anzubieten. Für dessen Mangelhaftigkeit, schlechte Lernunterlagen, Wertlosigkeit der Lehrmethode hat der Ausbildner natürlich einzustehen, SZ 49/13, aber auch dafür, dass er die fehlende Eignung des Auszubildenden übersieht, obwohl er sie erkennen musste, EvBl. 1972/126. Es treffen denjenigen, der eine bestimmte Ausbildung anbietet, daher entsprechende Aufklärungspflichten, insbesondere über notwendige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme am Ausbildungsprogramm.
Obiter dictu hat der OGH in SZ 49/13 = EvBl. 1976/193 auch ausgesprochen, dass die Fehleinschätzung der eigenen Eignung grundsätzlich ein persönliches Risiko sei (vgl. auch 7 Ob 537/95); erkundigt sich also der Bildungsträger eingangs bei den Teilnehmern über deren Wissenstand, und schätzen diese sich dabei falsch ein, so ist das Risiko auf sie übergegangen.
Die grundsätzliche Eignung des Auszubildenden wird als Geschäftsgrundlage des Ausbildungsvertrages gesehen, HS 10987/4; 11905/4 (vgl. zu all dem Krejci in Rummel 3, §§ 1165, 1166, Rz 19).
Bei der „Lehre von der Geschäftsgrundlage“ geht es darum, dass das Motiv oder der Beweggrund, warum jemand einen Vertrag schließt, zwar normalerweise unbeachtlich sind. Gehen aber beide Teile übereinstimmend von bestimmten Voraussetzungen aus, die dann nicht eintreten, so soll die Geschäftsgrundlage des gesamten Vertrages weggefallen sein, was einen Auflösungsgrund darstelle: Jeder der beiden Vertragspartner könne wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage Rückab-wicklung verlangen oder auch die Anpassung des Vertrages (Rummel in Rummel3, Rz 7a zu § 901 ABGB).
Beispiele aus der Rechtsprechung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind etwa
- beim Finanzierungsleasing, der Wegfall des Kaufvertrages: Dann fällt natürlich auch der Grund für den Leasingvertrag weg;
- die Eignung des Bewerbers für den Besuch eines Ausbildungskurses (z.B. zum Programmierer oder zum Handelsvertreter): Sie ist eine „von beiden Parteien dem Vertragsschluss unterstellte Voraussetzung, infolgedessen Geschäftsgrundlage“ (Rummel in Rummel Rz 5 zu § 901 ABGB):
- ein häufiger Anwendungsfall in der Praxis liegt im Unterhaltsrecht begründet: Die Änderung der von den Parteien gemeinsam einem Unterhaltsvergleich „zugrunde gelegten Verhältnisse“, wenn der Berechtigte wider Erwarten eine eigene Pension erhält (EF Sammlung 48578)
- oder auch der Unternehmenskauf als Grundlage für die Übernahme der Dienstverträge (ebd).
Neben der Haftung für Mängel gibt es noch Haftung für Schäden.
Trifft den Bildungsträger ein Verschulden an einem von ihm verursachten Schaden, besteht ein Schadenersatzanspruch, der innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers gerichtlich geltend zu machen ist. Das bedeutet, daß unter Umständen ein Schadenersatzanspruch noch geltend gemacht werden kann, wenn der Gewährleistungsanspruch bereits längst verjährt ist.
Wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden der Personen, derer er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes (Erfüllungsgehilfe, § 1313a ABGB).
Grundgedanke dieser Vorschrift ist es, dass der Teilnehmer nicht dadurch haftungsmäßig schlechter gestellt werden soll, dass der Bildungsträger zu seinem eigenen Nutzen den Kurs nicht selbst erhält, sondern sich eines Referenten als Gehilfen bedient. Der Bildungsträger als Geschäftsherr darf ja schließlich auch den Nutzen aus dem Gehilfenverhalten ziehen, und es ist ihm daher die Zurechnung des Gehilfenverhaltens eher zuzumuten (Dittrich Tades35, E 1 zu § 1313a ABGB).
Dabei ist es gleichgültig, ob der Erfüllungsgehilfe unselbständig oder ein selbständiger Unternehmer ist (ebenda E 38).
Die Haftung des Schuldners wird also nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gehilfe aufgrund seiner Sachkenntnisse selbständig arbeitet und der Schuldner gar nicht in der Lage ist, nähere Anweisungen zu geben (E 39). Der Bildungsträger hat das Verschulden seines Referenten nicht nur zu vertreten, wenn dadurch der Gegenstand der Leistung beschädigt wurde, sondern auch dann, wenn der Referent durch die Ausbildungstätigkeit den Teilnehmer auf andere Weise geschädigt hat (E 46).
Auch eine Kette ist denkbar: Der Bildungsträger haftet für das Verschulden des mit seinem Einverständnis von seinem Referenten verwendeten weiteren Erfüllungsgehilfen, den dieser selbst beigezogen hat (E 50). Selbst wenn er nicht einverstanden war, so liegt in der Eigenmacht des ersten Erfüllungsgehilfen ein Verschulden, für das er ebenfalls haftet (E 51).
Kann sich der Bildungsträger vor Schadenersatzansprüchen schützen, indem er sie – etwa in einem Vertragsformblatt – von vornherein ausschliesst? Vertragliche Haftungsausschlüsse sind zwar grundsätzlich zulässig, aber begrenzt:
- Sie sind dort überhaupt nicht gültig, wo vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Referenten ausgeschlossen werden soll, mithin bei grobem Verschulden.
- Der ganze Bereich des leichten Verschulden, also leichte Fahrlässigkeit – liegt zB vor, wenn man sich geirrt hat, wie das auch einem durchschnittlichen Menschen für gewöhnlich einmal passieren kann – bleibt damit zwar ausschließbar. Es ist jedoch zu beachten, dass die meisten Teilnehmer Konsumenten sein werden und hier die Haftung für Personenschäden überhaupt nicht eingeschränkt werden darf (§ 6 Abs. 1 Ziffer 9 KSchG).
- ausserdem ist generell zu beachten, dass Klauseln in Vertragsformblättern nichtig sind, wenn sie den anderen teil gröblich benachteiligen oder überraschend („im Kleingedruckten versteckt“) sind (§§ 864a, 879 Abs 3 ABGB)
Heißt das, dass der Referent selbst nicht haftet, weil man stets den Bildungsträger in Anspruch nehmen kann? Nein, der Referent selbst haftet sehr wohl, und zwar neben dem Bildungsträger, also solidarisch (der Teilnehmer kann sich also aussuchen, wen er in Anspruch nimmt und auch beide gemeinsam in Anspruch nehmen), aber nur „deliktisch“. Das heißt, nur dann, wenn er dem Teilnehmer rechtswidrig einen Schaden zugefügt hat, und ihm überdies hieraus irgendein Vorwurf zu machen ist – ihn also ein Verschulden trifft, egal wie schwer.
Und die Beweislast? Wer trägt das Risiko, dass die Gerichte auch feststellen, was man selber sagt und behauptet? Den Eintritt des Schadens muss stets der Teilnehmer beweisen. Hinsichtlich Verschulden gilt gegenüber dem Bildungsträger Beweislastumkehr, denn mit dem Bildungsträger hat der Teilnehmer einen Vertrag, und es muss immer der Vertragspartner beweisen, dass er keine Schuld daran hat, dass er die Vertragspflicht nicht eingehalten hat. Mit dem Referenten hat der Teilnehmer aber keinen Vertrag. Deswegen muss er diesem das Verschulden selbst nachweisen, was natürlich schwierig werden kann (E 76ff, ebd).
Zum Beispiel
- haftet der Schulerhalter dem Schüler für den Lehrer an einer Privatschule, der ein gefährliches Reinigungsmittel sorglos verwahrt und dadurch die Schädigung eines Schülers verursacht (E 146)
- oder eine Jugendorganisation (Verein) für ihre Mitarbeiter, denen die Aufsicht über Minderjährige obliegt (E 147).
- Ebenso der Heeressportverein den Teilnehmern an einem von ihm veranstalteten Preisschießen für den ordnungsgemäßen Zustand der ihm vom Bundesheer zur Verfügung gestellten Gewehre (E 148)
- oder das Kinderheim für das Verschulden eines Angestellten (E149).
- Selbstverständlich haftet der Zirkusunternehmer für das Verschulden des von ihm engagierten Artisten, eines Kunstschützen (E 184).
Quelle: Benedikt Wallner in Schlögl/Gruber, Wo gehts hier zum richtigen Kurs? 49 ff, öibf, Wien 2003
Die Bürgschaft
„Ich habe 1996 für meinen Vater gebürgt, obwohl ich damals kaum Einkommen hatte. Die Bank aber sagte, ohne Bürgen bekommt er keinen Kredit. Jetzt will sie mich auf 300.000 S klagen. Habe ich eine Chance?“
Wenn Sie damals einkommens- und vermögenslos waren, ohne Aussicht auf künftiges eigenes Einkommen (meistens: Hausfrau), dann kann eine nähere Prüfung Ihres Falles ergeben, dass Ihre Mithaftung „sittenwidrig“ und damit nichtig war.
Das kann ausnahmsweise der Fall sein, grundsätzlich sind Bürgschaftsversprechen aber einzuhalten.
Für ab 1. Jänner 1997 geleistete Unterschriften gilt zusätzlich, wenn Sie nur Verbraucher(in) sind - und zwar auch, ohne naher Angehöriger zu sein: Das Gericht kann Ihre Schuld ermäßigen, z. B. auf 50 Prozent oder auch ganz erlassen.
Wobei etwa Ihr Leichtsinn oder Ihre Unerfahrenheit, Zwangslage oder Abhängigkeit vom Hauptschuldner zu berücksichtigen ist sowie der Nutzen, den Sie aus der „Gutstehung“ gehabt haben.
Stellt sich bei solchen Krediten aber heraus, dass sie ohne Ihre Unterschrift überhaupt nicht vergeben worden wären, weil der Kreditnehmer nicht ausreichend kreditwürdig war, dann haften Sie zumeist gar nicht"
Denn mit der neuen gesetzlichen Regelung wird eine Verpflichtung der Bank angesprochen, die sie zwingt, die Frage zu beantworten, ob der Kreditwerber von vornherein kreditwürdig war oder ob er nur dank des fast sicher in Anspruch zu nehmenden Interzedenten (weiteren) Kredit erhielt.
Kredite, die auf solche Weise „gesichert“ werden müssen, sollen verhindert werden.
Wenn der Kreditwerber von vornherein nicht kreditwürdig ist, soll er auch nicht - letztlich auf Kosten eines Bürgen - Fremdkapital aufnehmen.
Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien
Quelle: Donnerstag, 17.05.2001, (KURIER | Seite 34)