Warum nicht? Weil bereits zwei Höchstgerichte die Sache(n) entschieden haben!
März 2022: Nach der ersten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs stellen wir unsere Aktivitäten ein!
Oktober 2021: Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nehmen wir keine weiteren Mandate mehr an; wir warten aber noch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ab.

Zum aktuellen Stand unserer Verfahren

In Favor Ferraris (dieser Artikel ist NICHT mehr aktuell)

Lesen Sie hier unsere Veröffentlichung zum Thema in der Fachzeitschrift anwalt aktuell.

SMART METERING UND DATENSCHUTZ

Smart MeterDie Wiener Netze GmbH treibt den Austausch der alten „Ferraris“-Zähler mit Vollgas voran: Alle Wohneinheiten sollen demnächst ein intelligentes Messgerät erhalten – egal ob erwünscht oder nicht, wie wir aus einem Antwortschreiben der Wiener Netze GmbH in der Causa eines unserer Klienten erfahren. 3 Mio Haushalte sind bereits umgestellt (Oktober 2021).

Es heißt, mit den intelligenten Messgeräten werde die Energiewende vorangetrieben. So ein schlauer Zähler soll dem Verbraucher viele Vorteile bringen, da er durch ihn Energie sparen kann und somit die Stromrechnung kleiner ausfällt. Auf den ersten Blick tolle Neuigkeiten für Verbraucher.

Jedoch ist beispielsweise noch nicht geklärt, wer den Einbau eines solchen schlauen Zählers bezahlen soll. Pro Stück kostet dieses digitale Gerät zwischen 250 und 350 Euro. Wie anfällig es für Wartungen ist, wie lange die Lebensdauer beträgt, das sind – jedenfalls für die Konsumenten – noch offene Fragen. Die Energieversorger versprechen, dass die Kosten nicht vom Endverbraucher zu tragen sind, sondern auf die Messentgelte (pro Haushalt 30 Euro pro Jahr), die bereits seit Jahren von den Kunden eingeboben wurden, zurückgegriffen wird. So wird aber im Endeffekt die Umstellung trotzdem vom Kunden bezahlt. Zudem sollen die bei der Datensammlung anfallenden Kosten nicht explizit angeführt werden. Somit sind die Kosten für den Konsumenten nicht transparent und nicht einmal nachvollziehbar.

Auch die Argumentation, durch die intelligenten Messgeräte können Stromkosten gespart werden, ist mit Vorsicht zu genießen. Studien belegen nämlich, dass der Einspareffekt nicht signifikant ist. Denn wenn Kunden tatsächlich die Funktionen des intelligenten Messgerätes gebrauchten, ging der Verbrauch lediglich um 3,7% zurück. Das wären auf einer durchschnittlichen Stromrechnung ca. 26 Euro pro Jahr.

Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass Daten das Erdöl des neuen Jahrhunderts sind. Mit Datenhandel assoziiert man gewöhnlich die üblichen Verdächtigen, nämlich meist industrielle Datenraffinerien wie Google oder Facebook. Aber auch andere Unternehmen haben längst das enorme Potential von Kundendaten erkannt und investieren in dieses hochprofitable Geschäft. Somit sollte sich eigentlich jeder Verbraucher bei der Übermittlung seiner Daten Gedanken darüber machen, wer an seinem Namen, Geburtsdatum oder Konsumverhalten Geld verdient. Man bezahlt als Kunde nicht mehr nur den „Preis“ eines Gegenstandes oder einer Dienstleistung, sondern „schenkt“ dem Unternehmen darüber hinaus auch noch seine Daten.

Cui bono?

Wem also dienen die smart meter wirklich? Und steht das überhaupt im Einklang mit der Rechtslage? Müssen sich nun hunderttausende Kunden der Wiener Netze GmbH gefallen lassen, schon demnächst durch die neuen „Smartmeter“ minutiös im Stromverbrauch überwacht – und dadurch letztlich ausspioniert – zu werden?

Nein. Denn grundsätzlich ordnet das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) an, dass der Verbraucher das Recht hat, mittels einseitiger Erklärung den Einbau eines intelligenten Messgeräts abzulehnen. Der Netzbetreiber hat diesem Wunsch zu entsprechen.

Der Netzbetreiber, in unserem Fall also die Wiener Netze GmbH, will diesem ausdrücklich erklärten Kundenwunsch dennoch nicht entsprechen – und beruft sich auf eine andere Vorschrift. Die gibt es tatsächlich:

Aufgrund des ElWOG hat der Wirtschaftsminister schon im Dezember 2017 eine Verordnung erlassen, die Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO). Und da steht durchaus Erstaunliches drin, nämlich dass solche Opt-Out-Wünsche nicht etwa durch Unterlassung des Einbaus, sondern dadurch zu erfüllen seien, dass dem Renitenten zwar ein intelligentes Messgerät eingebaut, jedoch mittels Konfiguration die Abschalt- und Leistungsbegrenzungsfunktion sowie die Speicherung und Übertragung der Monats-, Tages- und Viertelstundenwerte deaktiviert wird.

Ergo wird lediglich die Speicherung und Übertragung deaktiviert, nicht aber die Messung der Viertelstundenwerte. Die maximale viertelstündliche Durchschnittsleistung wird also weiterhin erfasst. Der Rechnungshof hat sich auch zu dieser Tatsache geäußert und kritisiert, durch dieses Erfassen werde die (für die gesetzliche Definition relevante) zeitnahe Messung nicht nur als jederzeit aktivierbare Möglichkeit, sondern als tatsächliche Gegebenheit deutlich. Zudem wird diese Verordnung vom Rechnungshof auch hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens kritisiert: Denn die Festlegung der Funktionalitäten der intelligenten Messgeräte nach § 83 Abs 2 ElWOG 2010 kam allein der Regulierungsbehörde E-Control zu, nicht aber dem Wirtschaftsminister.

Allen Wiener Kunden, auch den renitenten, ein neues Gerät notfalls gegen ihren Wunsch einzubauen macht die Sache natürlich planbarer, wenngleich nicht unbedingt billiger. Ihre Bedenken wischt die Wiener Netze GmbH – oder eigentlich der Verordnungsgeber – mit der Beschwichtigung weg, die Bombe sei zwar jetzt im Haus, aber eh noch nicht scharf geschalten.

Das Problem an dieser Argumentation ist einmal, dass sie jederzeit von außen scharf gemacht werden könnte. So wird deutlich, dass die IME-VO keineswegs auf Grundlage des ElWOG, sondern inhaltlich im Widerspruch zu diesem erlassen wurde. So hielt der Rechnungshof in seinem Bericht 2019 fest, dass sich am Wesen eines Geräts nichts ändern kann, wenn einige seiner Funktionen mittels Eingriffs in die Software deaktiviert werden, zumal dieser Eingriff jederzeit – nämlich auch aus der Ferne (!) – rückgängig gemacht werden kann. Kunden müssen dann damit leben, dass jederzeit ein Schalter umgelegt werden könnte und unerwünscht Daten verarbeitet werden, Daten, die darüber Auskunft geben können, wann Sie zu Hause sind, wann Sie aufstehen, welchen Sender Sie sich gerade anschauen, ob Sie alleine leben, etc …

Kann man sich dagegen wehren? Wir meinen, ja. Der Oberste Gerichtshof erkennt, dass es nicht darum geht, ob eine Überwachung aufgezeichnet wird (aktiv ist), weil es bereits eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Grund- und Menschenrechts darstellt, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung und dem äußeren Anschein nach einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt.

Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht bestehen große Bedenken gegen den Einbau eines solchen Gerätes: Durch intelligente Messgeräte erhobene Verbrauchsinformationen von Privathaushalten stellen personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSGVO dar, denn durch individualisierte Lastprofile können Angaben über die Betroffenen gemacht werden und diese geben wiederum Auskunft über die persönlichen und sachlichen Lebensverhältnisse der Endverbraucher. Damit einhergehen schließlich meist spezifische Preiserhöhungen aufgrund der erhobenen individuellen Nutzerdaten: Wenn die Anbieter wissen, wann Sie Strom verbrauchen müssen, steigen irgendwann die Preise just zu dieser Zeit wie von Zauberhand.

Gem § 1 DSG hat „jedermann“, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses ist nur dann ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind. Dies ist in Bezug auf den Energieverbrauch eines Haushaltes nicht der Fall. Weder sind diese Informationen frei zugänglich (im Sinne einer allgemeinen Verfügbarkeit), noch ist es ausgeschlossen, dass der Netzbetreiber diese Daten einer bestimmten Adresse und damit einem konkreten Betroffenen zuordnen kann. Das Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten schützt den Betroffenen nicht nur vor einer Weitergabe von Daten an Dritte; in das Grundrecht wird vielmehr bereits dann eingegriffen, wenn personenbezogene Daten ermittelt und aufgezeichnet werden.

Somit ist es egal, wie man dieses intelligente Messgerät bezeichnet, und ebenso, ob drei seiner Funktionen vorübergehend deaktiviert werden. Solange es intelligent ist, Daten speichert und aufzeichnet, werden beträchtliche Interessen von Betroffenen verletzt und wird in Grundrechte eingegriffen.

Foto auf dieser Seite: © Thomas Bettinger: „Smart Meter“