ENERGIE. Mit viel Schwung dringen die Stromkonzerne in Österreichs Haushalte ein. Da wird nicht lange gefragt und gefackelt, ob man einen „neuen Stromzähler“ haben will. So einfach, wie sich's die Stromer vorstellen ist das Thema aber nicht.

Von Benedikt Wallner[1]

Es wird dunkel in Europa. Immer mehr Elektrizitätswerke schalten sich ab. Unglaublich rasch folgt die Apokalypse. Die Bösen sind in Marc Elsbergs Erstlingswerk Blackout natürlich Terroristen. Aber der Auslöser sind Smart Meter: intelligente Stromzähler, flächendeckend in Europa installiert, aus der Ferne zu kontrollieren.

Das ist nur zum Teil Science-Fiction:

Smart Grids benötigen Smart Meter, heißt es.[2] 80 % der Haushalte in der EU sollen bis 2020 darüber verfügen.[3] Man muss sie nicht bestellen, man bekommt sie einfach. Und man kann nichts dagegen tun. Vielen ist das unheimlich, sogar gesundheitliche Folgen werden befürchtet. Doch wer sich wehrt, dem wird der Strom abgedreht.[4]

Das ist offensichtlich gesetzwidrig: Denn nach dem Gesetz[5] haben Endverbraucher das Recht, kein intelligentes Messgerät zu erhalten („Opt-out“). Doch die auf dieser Grundlage erlassene[6] Verordnung berücksichtigt nur mehr den Wunsch, die Messung mittels eines intelligenten Messgerätes abzulehnen.[7] Das intelligente Kastl an sich kommt – anstelle des alten Ferraris-Zählers[8] – trotzdem in den Keller von 5,7 Millionen österreichischen Haushalten, es wird im Falle eines Opt-out-Wunsches nur „dumm“ geschaltet. Diese Vorgangsweise hat der Rechnungshof bereits zerpflückt.[9] Während das Gesetz richtlinienkonform vom Recht auf Ablehnung spricht, geht die VO einseitig zu Gunsten der Elektrizitätswirtschaft, aber wohl auch der organisierten Zählerindustrie,[10] über die europäischen Vorgaben hinaus,[11] was aus Datenschutzsicht als Verstoß zu werten ist.[12] Durch intelligente Messgeräte werden Verbrauchsinformationen von Privathaushalten erhoben, da durch individualisierte Lastprofile Angaben über die Betroffenen gemacht werden können. Diese Angaben geben wiederum Auskunft über die persönlichen und sachlichen Lebensverhältnisse der Endverbraucher

Nach einer Entscheidung der Datenschutzbehörde verletzt Smart Metering das Recht auf Geheimhaltung – bei Wasserzählern.[13] Bei Stromzählern ist es nicht ausjudiziert. Für die gesetzwidrige Verarbeitung personenbezogener Daten gebührt Schadenersatz.[14] Den fordern nun viele Zivilkläger,[15] und außerdem Vertragszuhaltung: Mit dem Netzbetreiber verbindet sie ein Netznutzungsvertrag.[16] Bisher wurde mit analogen Ferraris-Zählern gezählt, ohne persönliche Daten zu erheben.

Cui bono? Die Ausrollung der Smart Meter eröffnet, wie sich der BM für Nachhaltigkeit und Tourismus auszudrücken beliebte, die Möglichkeit neue Energiepreismodelle auf den Markt zu bringen: Sogenannte flexible oder dynamische Produkte würden Großhandelspreise stündlich, täglich oder monatlich direkt an die Endkundinnen weitergeben – ob diese sich dann für eines dieser Produkte entscheiden, obliege natürlich ihnen.[17] Das ist ein recht vages Ziel für ein so großes Vorhaben. Nur für mehr Kundenzufriedenheit allein macht man es wohl nicht. Sondern abermals geht es darum, aus Daten Geld zu machen. Smart Meter bilden die Basis für ganz neue Geschäftsmodelle[18] mit dem Gratis-Rohstoff Verhaltensüberschuss. Der wird zu „Vorhersageprodukten“ verarbeitet mittels Kalkulationen, die ahnen, was wir jetzt, bald oder irgendwann tun. If something is free, you are the product? Noch schlimmer: Unsere Daten sind das Produkt. Wir sind dann nur mehr sein Kadaver.[19]

Übrigens, der Titel von Elsbergs vorläufig letztem Buch, einem Wirtschaftsthriller, lautet: Gier.

Quelle: Anwalt aktuell 02/2020

Anmerkungen:

[1] Partner bei WALLNER JORTHAN RAe.

[2] https://www.smartgrids.at/smart-grids.html; aA allerdings AAE Naturstrom Vertrieb GmbH: Die Messung erfolge ohnehin an den großen Übergabepunkten, zB Trafos, sodass man wisse, was viele Endverbraucher gleichzeitig machten. Was der einzelne Endverbraucher mache, sei dabei vollkommen egal.

[3] EU-Strom-RL 2009/72/EG, Anhang I Abs 2.

[4] STANDARD 21.01.2019, Umstieg auf Smart Meter verweigert: Netzbetreiber dreht Strom ab.

[5] § 83 Abs 1 ElWOG.

[6] von einer unzuständigen Behörde, nach Meinung des Rechnungshofs (Tz 28.2.).

[7] § 1 Abs 6 IME-VO 2017.

[8] Benannt nach seinem Erfinder Galileo Ferraris, 1847-1897.

[9] Bericht des Rechnungshofs. Einführung intelligenter Messgeräte (Smart Meter) Tz 35.2.

[10] Die European Smart Metering Industry Group ESMIG heißt neuerdings nur mehr harmlos European Smart Energy Solution Providers: https://esmig.eu/.

[11] Stellungnahme der RAK Vorarlberg 11.06.2019.

[12] GA Ennöckl aus Juli 2017.

[13] Thiele, jusIT 2019/58 mwN.

[14] Thiele, RdW 2019/225; krit. Spitzer, ÖJZ 2019/76.

[15] KURIER 09.12.2019 Erste Klage wegen neuer Stromzähler.

[16] Vgl. § 6 Abs 2 Z 3 KSchG.

[17] Erledigungsschreiben des BMNT vom 3.6.2019 an die Autorenkooperative.

[18] STANDARD 16.12.2019, E-Wirtschaft will Amazon & Co Wasser abgraben.

[19] Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Kurzfassung der Autorin zB in http://www.bpb.de/apuz/292337/surveillance-capitalism-ueberwachungskapitalismus.