Auf vielfachen Wunsch sollen wir uns nach über 30 Jahren Erfahrung zum Thema Rechtsschutzversicherung äußern. Wir wollen dabei mit einigen Missverständnissen aufräumen, die sich im Publikum leider noch häufig finden, und ein paar Punkte nennen, worauf Sie unbedingt achten müssen.
Welche Anstalt ist die beste?
Eine konkrete Versicherungsanstalt kann natürlich nicht empfohlen werden, und zwar weder von uns noch von jemand anderem: Die Angebote ändern sich laufend, die Qualität der Anstalten über die Zeit leider auch manchmal. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Anstalten sind nicht erheblich (einige verrechnen allerdings einen Selbstbehalt; dazu später).
Wollen denn nicht Versicherungen nur meine Prämien kassieren, aber dann nicht leisten?
Eines vorweg: Wir sind Anwälte, also Parteienvertreter, und daher keineswegs objektiv, sondern eben parteiisch; aus unserer Sicht lohnt es sich meistens, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung (die dann im Ernstfall auch deckt) haben, schon weil sie uns bezahlt. Wir arbeiten mit sämtlichen Rechtsschutzversicherungen zusammen, haben auch (fast) überall unsere bewährten Ansprechpartner. Aber wir werden nicht im Auftrag einer Versicherung tätig und vertreten vor allem nicht deren Interesse, sondern nur Ihres. Und, so will es die Rechtsanwaltsordnung, dann erst unseres.
Eine private Rechtsschutzversicherung schon länger zu haben lohnt sich in Österreich (unsere deutschen Kollegen berichten uns Abweichendes) nicht nur für uns, sondern definitiv auch für unsere Klienten:
Sie kostet Verbraucherinnen und Verbraucher (über Betriebs-Rechtsschutz für Unternehmen reden wir hier nicht) nicht viel, wenn man sich nichts aufschwatzen lässt und nur diejenigen Bausteine auswählt, die man voraussichtlich wirklich braucht, und sie hilft im Schadensfall enorm. Wir hatten Fälle, in denen die Geschädigten nicht einmal daran denken konnten, ihr Recht einzufordern, weil schon die Sachverständigenkosten ihr Vermögen aufgefressen hätten; eine Rechtsschutzversicherung deckt das alles ab – bis zur Höhe der Versicherungssumme.
Bei Neuabschlüssen ab jetzt sieht es zwar nicht mehr so gut aus wie noch bei Altverträgen. Versicherungen oder Makler versuchen heftig, Altverträge loszuwerden und sogar bestehenden Kunden einen Neuvertrag einzureden, manchmal auch mit unlauteren Mitteln (nur Vorteile herausstreichen, Nachteile verschweigen). Überflüssig zu erwähnen, wem allein das Vorteile bringen mag.
Aber sämtliche Anstalten sind durchaus vertragstreu und leisten, wenn sie leisten müssen (Ausnahmen bestätigen die Regel, hier hilft dann meist unsere Deckungsklage). Es ist also ein grobes Missverständnis, auf das man im Publikum immer wieder trifft, dass Versicherungen bloß daran interessiert wären, Polizzen abzuschließen, sich dann aber im Ernstfall für leistungsfrei erklären, nachdem die Kunden jahrelang Prämien bezahlt haben.
Welche Bausteine brauch ich denn?
Früher waren Sie schon mit dem Standardprodukt gut bedient. Es reichte für fast alle Lebenslagen und inkludierte meist Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz sowie allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz. Aber unsere Welt dreht sich weiter und wird in fast allem komplizierter. Daher gibt es heute Bausteine wie z. B. Internet-Rechtsschutz oder Stalking-Rechtsschutz, die es früher gar nicht gab. Und Fahrzeug-Rechtsschutz oder Arbeitsgerichts-Rechtsschutz, die früher in den allgemeinen Bausteinen mitenthalten waren, sind nunmehr eigene Bausteine. Außerdem gibt es heute ausdrückliche Ausschlüsse, also Dinge, die gar nicht mehr gedeckt werden wie z. B. (bestimmte) Anlegerschäden.
Daraus folgt einmal, dass man meist besser dran ist mit einem älteren Vertrag, der all diese Besonderheiten noch nicht aufwies: Hat man den, behält man ihn besser bei und erweitert ihn allenfalls noch, während bei einem Vertragswechsel höchste Vorsicht geboten ist. Zum zweiten müssen Sie sich halt unter Vergleich der jeweiligen Prämienhöhe fragen, was justament Sie in Zukunft brauchen könnten. Wer Zeit und Lust und Aufmerksamkeit aufbringt, wird in den ARB fündig, was gedeckt ist und was nicht. Unseres Erachtens zahlt sich hingegen Haus- und Wohnungs- sowie Erb- und Familien-Rechtsschutz nur in den seltensten Fällen aus, aber das kann gerade für Sie einmal bedeutend werden. Hier hilft nur, Angebote zu vergleichen, Fragen zu stellen.
Aber wenn ich gewinne, zahlt doch die Kosten eh der andere?
Ein weiteres großes Missverständnis mancher Rechtssuchenden ist zu glauben, wenn ich gewinne, zahlt die Kosten eh der andere. Denn erstens lässt sich der Prozessgewinn entgegen jeder Intuition, auch der anwaltlichen, einfach nicht mit Sicherheit vorhersagen. Und zweitens stellt sich immer die Frage, ob der, der zahlen muss, dann auch etwas hat. Drittens schließlich gibt es zum Beispiel im Strafverfahren, aber auch im Verwaltungsstrafverfahren, keinerlei Kostenersatz, auch bei „Obsiegen“ nicht.
Anhand eines kleinen Kostenbeispiels wollen wir das verdeutlichen. Angenommen, es geht um einen Streitwert von vergleichsweise moderaten € 10.500,00: Im besten Fall kann hier mit Kosten von € 2.663,24 brutto das Auslangen gefunden werden. Verliert man, und muss man die Gegenseite bezahlen, kommen nochmals € 1.915,44 dazu. Es kann aber auch – und zwar ohne, dass Sie oder Ihr Anwalt darauf Einfluss hätten – sehr viel teurer werden, sei es, weil mehr oder längere Verhandlungen erforderlich sind, ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss, oder sich auf der Gegenseite ein, zwei oder auch unbegrenzt viele Nebenintervenienten finden: Dann haben Sie es plötzlich nicht mehr nur mit einem kalkulierten Beklagten zu tun, was die Kosten anbetrifft, sondern gleich mit deren zwei, drei oder eben theoretisch unbegrenzt vielen!
Und wir sprechen hier nur von der ersten Instanz. Es ist aber vollkommen üblich, dass derjenige, und zwar egal, wer das ist, der die erste Instanz verliert, und sei es auch nur zum Teil, dagegen Berufung erhebt beziehungsweise erheben muss, um die Niederlage einer Kontrolle durch das Berufungsgericht zuzuführen. Also wohl gemerkt: Selbst, wenn Sie aus Kostengründen auf die Berufung verzichten wollen, könnte es doch die Gegenseite sein, die beruft. Das Berufungsgericht hat dann zwei Möglichkeiten, der Berufung stattzugeben: Dreht es das erstinstanzliche Urteil um oder ändert es sonst wie ab, dann fällt es ein neues Urteil, eben ein Berufungsurteil. Dagegen kann – in engen Grenzen, aber doch – ebenfalls wieder Rechtsmittel und zwar an den Obersten Gerichtshof erhoben werden. Bei angenommenen drei Verhandlungen in dreistündiger Dauer fallen so schon Kosten von € 16.072,71 brutto an; auf Ihrer Seite; und weitere € 7.741,31 für den Gegner, falls Sie verlieren; und nochmal so viel für – jeden – Nebenintervenienten.
Häufig findet das Berufungsgericht auch einen Verfahrensmangel oder sonstigen Anlass, die Sache vom Erstgericht – zwar nicht wiederholen, aber – nochmals ergänzen zu lassen. Und in diesem Fall einer sogenannten Aufhebung und Zurückverweisung fallen erneut Kosten in erster Instanz, im sogenannten zweiten Rechtsgang, an.
Und die Rechtsschutzversicherung übernimmt wirklich sämtliche Kosten, ich trage kein Risiko?
So ist es. Im Prinzip. Freilich gilt es auch hier, ein paar Punkte zu beachten.
Jede Versicherung, auch eine Rechtsschutzversicherung, muss kalkulierbar bleiben und deckelt daher ihre Leistungen – pro Versicherungsfall, nicht pro Kunde! – mit der Versicherungssumme. Mehr muss sie insgesamt nicht zahlen. Waren die Summen in der Vergangenheit oft so niedrig, dass man damit bei höheren Streitwerten nicht das Auslangen finden konnte, so sind sie heute recht hoch und absolut realistisch. In den meisten Fällen kommt man damit bequem aus.
Manche Rechtsschutzversicherungen bieten Ihnen einen Vertrag mit Selbstbehalt an, meist in der Höhe von 10 %. Obwohl in Europa das Prinzip der freien Anwaltswahl herrscht, Sie sich also Ihren Anwalt frei am gesamten Markt aussuchen können, gilt es gerade noch als zulässig, Ihnen 10 % Rabatt dafür anzubieten, dass Sie den von der Versicherungsgesellschaft vorgeschlagenen Anwalt "wählen" (mit dem natürlich die Versicherungsgesellschaft ständige und daher niedrigere Tarife im Vorhinein ausgehandelt hat). Das mag bei Alltagsproblemen wie zum Beispiel Verkehrsunfällen durchaus praktisch sein, beschneidet Sie als Rechtsschutzkunden aber in allen anderen Fällen in Ihrer freien Anwaltswahl, zum Beispiel weil Sie gehört oder gelesen haben, dass die Rechtsanwaltskanzlei xy bereits besondere Erfahrung in einem bestimmten Gebiet hat: Dort müssten Sie dann aufzahlen.
Eine für die Versicherung praktische Fiktion aus alten Tagen ist auch der sogenannte loco-Tarif: Sie könnten, sagt die Versicherung, Ihren Anwalt ja auch am Ort des Prozesses aussuchen, dann fielen für den keine Reisespesen an. Also zahlt sie von vornherein nur den nackten Tarif, ohne Reisespesen, auch wenn Sie z. B. einen Linzer Anwalt, den Sie vielleicht schon kennen oder ständig betrauen, für einen Wiener Prozess einsetzen. Für uns als Wiener Kanzlei spielt das zwar keine so große Rolle, weil die meisten Verfahren ohnehin in Wien stattfinden, wo die großen Beklagten ihren Sitz haben. Aber dieses Thema muss zwischen Anwalt und Klient eingangs besprochen werden, denn auch wir könnten uns nicht leisten, gratis z. B. nach Tirol oder gar Vorarlberg anzureisen.
Alles, was zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, zahlt die Versicherung. Was da alles dazugehört, liegt aber häufig im Auge des Betrachters, deswegen kann darüber schon mal Streit entstehen.
Also gut, ich schließe morgen ab und bin ab dann versichert?
Natürlich muss die Versicherung bereits bestanden haben zum Zeitpunkt des Anlassfalls. Sie könnten ja auch nicht erst nachträglich, nachdem Ihr Haus schon abgebrannt ist, eine Feuerversicherung abschließen. Der häufigste Ausschlußgrund ist in der Praxis „Vorvertraglichkeit“.
Fast alle Verträge sehen aber zu Beginn eine dreimonatige Karenzfrist vor, das heißt, nach Vertragsabschluss darf in den ersten drei Monaten kein Versicherungsfall eintreten, denn der wäre noch nicht gedeckt. Derartiges kann natürlich, insbesondere wenn das versicherte Risiko gleichzeitig mit der Rechtsschutzversicherung in die Welt tritt wie etwa bei der Neuanschaffung eines Kraftfahrzeuges, durchaus problematisch sein. Manchen Kunden, die besonders hartnäckig waren, soll es schon gelungen sein, diese Karenzfrist bei Vertragsabschluss ausdrücklich wegzuverhandeln, und grundsätzlich sollte sie nie gelten, wenn es nicht um den Abschluss eines neuen, sondern nur um die Verlängerung eines schon bestehenden Vertrages geht.
Auch wenn die Versicherung bereits gekündigt ist, muss sie noch decken für Fälle, die sich während aufrechten Bestands ereignet haben. Hier sind aber oft enge Nachmeldefristen zu beachten.
Weil wir gerade vom versicherten Ereignis sprechen:
Ein weiteres häufiges Missverständnis im Publikum betrifft die Natur des sogenannten Versicherungsfalles. Jedenfalls hat das nichts mit Ihrer Kenntnis davon zu tun, dass sich Ihr Gegner fehlverhalten hat (obwohl diese Kenntnis dann auch noch bedeutsam wird, nämlich später für die Frage der Verjährung im Falle der Einklagung)! Sondern der Versicherungsfall bei der Rechtsschutzversicherung ist immer der sogenannte Anlassfall, also im Falle von Schäden der tatsächliche Eintritt des Schadenereignisses und im Falle, dass sich Ihr Vertragspartner nicht so verhalten hat, wie er eigentlich sollte, dessen erstmaliger Verstoß. So weit, so logisch. Das hat aber einen Pferdefuß und ist deswegen von so großer Bedeutung, weil alle weiteren Verstöße oder Schadensereignisse in der Folge eben nur mehr als Folgeschäden gelten, an die Sie keine Eintrittspflicht der Versicherung mehr knüpfen können. Ergo ist die Versicherung leistungsfrei, wenn vor dem Anlaßfall, den Sie ihr heute melden, schon ein Vor-Fall lag, den sie als erstmaligen Verstoß wertet – damals waren Sie vielleicht noch gar nicht versichert. Darüber, ob das wirklich vorliegt oder nicht, kann man ebenfalls trefflich streiten.
Und wenn ich die Versicherung dann mal brauche, findet sie sicher einen Ablehnungsgrund!
Das letzte häufige Missverständnis knüpft wieder an die Gebarung der Versicherungsgesellschaften an. Es lautet, wann immer ich die Rechtsschutzversicherung brauche, erklärt sie sich für leistungsfrei und (er)findet schon irgendeinen Grund, warum sie nicht decken muss. Dieser Eindruck, der schon mal entstehen mag, insbesondere wenn man die Zusammenhänge nicht kennt, ist aber nicht richtig:
Die Versicherungsgesellschaft prüft Ihr Deckungsersuchen, das daher nicht von Ihnen selbst sondern möglichst bereits von Ihrer Rechtsanwaltskanzlei formuliert sein sollte, nüchtern und einfach auf die Frage hin, ob Versicherungsschutz zu gewähren ist. Das hat nichts mit Belieben zu tun, sondern folgt streng dem Vertrag. Es wäre auch ihr nicht damit gedient, Ausschlußgründe zu erfinden, die nicht stichhältig sind. Das würde nur Streit und damit vermeidbaren Aufwand produzieren.
Einen Ausschlußgrund, der tatsächlich besteht, zu verschweigen, wäre natürlich weder zulässig noch sinnvoll, zumal die Versicherung auch nachträglich noch leistungsfrei werden kann, wenn er hervorkommt. Gute Kanzleien werden vielmehr das Deckungsersuchen bereits im Hinblick auf die voraussichtliche Prüfung durch die Versicherung möglichst so formulieren, dass Deckung zu geben ist, oder Ihnen gleich sagen, dass Sie nicht mit Deckung rechnen können (siehe z. B. die Bauherrenklausel).