OLG Wien stellt klar, dass bei Rechtsstreitigkeiten über eine mögliche Fehlberatung beim Erwerb von Anteilen an Geschlossenen Immobilienfonds der Spekulationsausschluss nicht zur Anwendung kommt. Die ARAG SE muss daher für derartige Prozesse Deckung gewähren. Zu demselben Ergebnis war in einem ähnlich gelagerten Fall zuvor auch der OGH gekommen.

 Im Anlassfall hatte der klagende Anleger im Jahr 2004 über Empfehlung seines Anlageberaters seinen Euro-Kredit in einen endfälligen CHF-Kredit umgewandelt, die Kreditsumme verdoppelt und mit dem überschüssigen Betrag iHv EUR 19.000 eine Beteiligung am MPC-Immobilienfonds Holland 53 als Tilgungsträger erworben. Der Berater hatte ihm zuvor versichert, dass es sich um eine sichere Veranlagungsform handelt. In Wahrheit ist dies freilich nicht der Fall - nach Reduktion der Ausschüttungen ist der Fonds mittlerweile stark insolvenzgefährdet.

Als der Anleger bei der ARAG SE um Deckung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen infolge fehlerhafter Beratung ansuchte, lehnte diese die Deckung ab. Sie stützte sich dafür ua auf eine Risikoausschlussklausel für Spekulationsgeschäfte sowie darauf, dass die Schadenersatzansprüche des Anlegers bereits verjährt seien und eine Rechtsverfolgung daher aussichtslos sei.

Das OLG Wien ist diesen Einwänden - wie bereits das HG Wien in erster Instanz - nicht gefolgt und hat der Deckungsklage vollinhaltlich stattgegeben: 

  • Der Spekulationsausschluss (Art 7.1.10. ARB 2003) ist nicht anwendbar: Das OLG Wien verweist diesbezüglich auf die OGH-Entscheidung vom 12.3.2015 (7 Ob 210/14d), wonach der Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem Geschlossenen Immobilienfonds, bei dem der Veranlagungszweck im Vordergrund steht, nicht einem Glücksvertrag im engeren Sinn (Wette, Spiel) vergleichbar ist und daher nicht dem Risikoausschluss unterliegt.
  • Der Risikoausschluss sonstiger Erwerbstätigkeit (Art 22.1.1. ARB 2003) greift nicht, da sich die Funktion der Kläger als Treugeber ausschließlich auf diejenige eines einmaligen Geldgebers beschränkt, denen aufgrund der Konstruktion der Publikums-KG keinerlei Einflussnahme auf die Gesellschaft zukommt. Streitigkeiten aus privater Vermögensveranlagung sind grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen.
  • Im Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem Geschlossenen Immobilienfonds liegt keine (anzeigepflichtige) Gefahrenerhöhung (Art 1, Art 3 ARB 2003). Verweis auf OGH: Die Kapitalanlage ist weder bezogen auf Höhe und Zeitraum noch hinsichtlich des Veranlagungsorts unüblich, der Versicherer hätte daher mit ihr rechnen müssen.
  • Verneint wurde ferner eine Verletzung der Auskunftsobliegenheit gem Art 8.1.1. ARB 2003. Der Versicherer soll nach dem Zweck dieser Obliegenheit vor einem Informationsdefizit bewahrt werden. Seine Leistungsfreiheit wäre in Fällen, wo er - wie hier - ohnehin zeitnah über alle Informationen verfügt, weil er sie selbst recherchiert hat, "krass unbillig und mit dem Sinn der Regelung unvereinbar".
  • Keine Verjährung des Ersatzanspruchs: Der Verjährungsbeginn kann - entgegen der Ansicht der ARAG - nicht schon mit der Kenntnis über Ausschüttungsreduzierungen angenommen werden, weil sich das Sinken oder Ausbleiben der jährlich prognostizierten Ausschüttungen von der Kenntnis und Sorge um einen Kapitalverlust wesentlich unterscheidet.
  • Von einer "aussichtslosen Rechtsverfolgung" iSd § 63 ZPO ist trotz der betriebswirtschaftlichen Ausbildung des Anlegers und seiner beruflichen Erfahrungen (GmbH-Gründer und Geschäftsführer-Tätigkeit) nicht auszugehen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Stand: 18.6.2015). Die Revision ist nicht zulässig. Das Urteil ist bereits vollstreckbar; die beklagte ARAG SE kann aber ggf noch einen Zulassungsantrag gem § 508 ZPO stellen.

OLG Wien 28.5.2015, 4 R 208/14h
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Klagsvertreter: Dr. Benedikt Wallner

Anmerkung:
Auch der OGH hat bereits klargestellt, dass die ARAG SE für Schadenersatzansprüche aus einer Fehlberatung gegen den Vermittler von MPC-Fondsbeteiligungen deckungspflichtig ist (dort: ARB 2000, 7 Ob 210/14d ).

Dass die Deckungspflicht auch für Prospekthaftungsansprüche gegen die Emissionsgesellschaften der Fonds besteht, hat das OLG Wien zuletzt mittels Zurückweisungsbeschluss klargestellt (30 R 23/14v, rk). 

Deckungspflichtig ist die ARAG SE nach einem rezenten OGH-Urteil ferner für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus einer Fehlberatung iZm der Aufnahme eines Fremdwährungskredits (7 Ob 191/14k).

OLG_Wien_28.05.2015_4_R_208_14_h.pdf [140 K]

Quelle: verbraucherrecht.at, 18.6.2015