Fünf Gründe für das Recht auf freie Anwaltswahl [1] [2]

Herr Nobile hatte einen Vertrag mit der DAS über eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen.

In dem Vertrag stand, der Versicherte muss der DAS unverzüglich jeden Rechtsfall melden, sonst ist sie von ihrer Leistungspflicht befreit. Das hat Herr Nobile aber nicht gemacht, sondern ohne Zustimmung der Rechtsschutzversicherung einen Rechtsanwalt beauftragt:

Herr Nobile mietete ab 1. September 2014 ein Einfamilienhaus in Liechtenstein. Die Eigentümerin kündigte das Mietverhältnis zum 30. September 2015. Es kam zu einer „Auseinandersetzung betreffend die finanziellen Regelungen nach der Kündigung“. Ab März 2015 gab es mehrfachen telefonischen Kontakt mit der DAS, bei welchem es um das mögliche Vorhandensein von Schimmel im Haus und in der Folge auch um die Kündigung des Mietverhältnisses durch die Eigentümerin und die Rückforderung der Kaution in Höhe von CHF 1900 ging.

Im Herbst 2015 erteilte Herr Nobile dem Rechtsanwalt Antonius Falkner eine Vollmacht, ohne die DAS im Voraus zu informieren. Herr Falkner ersuchte in der Folge die DAS um Kostendeckung für ein Gerichtsverfahren gegen die Eigentümerin. In diesem Verfahren wurde zum einen die Auszahlung der verbleibenden Kaution und zum anderen eine nachträgliche Mietzinsreduktion von mindestens CHF 500 monatlich wegen des Schimmels, der während des Mietverhältnisses vorhanden gewesen sei, begehrt.

Die DAS lehnte dieses Ersuchen mit der Begründung ab, Herr Nobile habe seine vertraglichen Pflichten in schuldhafter Weise verletzt, indem er die Führung des Falles nicht exklusiv der DAS überließ. 

Daraufhin strengte Herr Nobile vor dem Fürstlichen Landgericht ein Verfahren gegen die DAS an, in dem er die Feststellung begehrte, dass ihm die DAS für das Verfahren gegen die Eigentümerin Versicherungsrechtsschutz zu gewähren hat.

Das Fürstliche Landgericht wies die Klage ab: Die freie Wahl des Rechtsanwalts gelte grundsätzlich nur für ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Sie greife noch nicht bei der Fallanmeldung, der Überprüfung der Sach- und Rechtslage und bei außergerichtlichen Vergleichsbemühungen. Nach Auffassung des Fürstlichen Landgerichts befand sich der Rechtsstreit zwischen Herrn Nobile und der Eigentümerin noch in einer Phase, in welcher die DAS exklusiv zur Fallführung zuständig war.

Gegen dieses Urteil erhob Herr Nobile Berufung an das Fürstliche Obergericht. Er brachte vor, er habe sehr wohl ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.

Dem Fürstlichen Obergericht zufolge hängt die Antwort auf die Frage, ob Herr Nobile ein rechtliches Interesse an der von ihm gewünschten Feststellung hat, davon ab, ob er durch die Mandatierung von Herrn Falkner als Rechtsanwalt seine vertraglichen Pflichten verletzt hat. Dies wiederum hängt von der Auslegung von Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a der Solvabilität-II-Richtlinie ab. Mit Schreiben vom 20. und 22. Dezember 2016 ersuchte daher das Fürstliche Obergericht um Vorabentscheidung des EFTA-Gerichtshof, die nun veröffentlicht wurde.

Die DAS meinte, erstens, ohne vorherige Zustimmung der DAS kann der Versicherte keine Aufträge an Anwälte erteilen. Das Recht des Versicherten[3] auf die freie Wahl des Rechtsanwalts kann jedoch nicht von der vorherigen Zustimmung des Versicherers abhängig gemacht werden.[4]

Zweitens meinte die DAS, dass der Versicherte ohne die Zustimmung der DAS keine Verfahren einleiten, keine Rechtsmittel ergreifen und keine Vergleiche abschließen darf; sie habe die Deckung für das Gerichtsverfahren abgelehnt, da sie dieses für unnötig, unverhältnismäßig und verfrüht erachtete. Diese Beurteilung ist jedoch nicht Aufgabe des Versicherers. Dies würde dem Versicherer einen Anreiz bieten, die Deckung abzulehnen, wodurch der Versicherte des Rechtsschutzes beraubt würde.

Drittens meinte die DAS, das Recht des Versicherten auf die Wahl eines Rechtsanwalts entstehe erst, wenn sich aufgrund eines Anwaltsmonopols die Beiziehung eines externen Rechtsanwalts als notwendig erweist. Allerdings ist nicht maßgeblich, ob spezieller rechtlicher Beistand nach nationalem Recht vorgeschrieben ist.

Viertens war die Auswahl an möglichen Rechtsvertretern auf im Gerichtskreis ansässige beschränkt. Auch dies steht dem Recht auf die freie Wahl eines Rechtsanwalts entgegen.[5]

Fünftens hatte der Versicherte noch nicht einmal unter den im Gerichtskreis ansässigen Rechtsvertretern die vollkommen freie Wahl: Die DAS konnte den vorgeschlagenen Rechtsanwalt ablehnen und war nicht verpflichtet, ihre Gründe für eine solche Ablehnung zu nennen. Unter diesen Umständen sah der Vertrag vor, dass der Versicherte drei andere Anwälte aus verschiedenen Kanzleien vorschlägt, von denen die DAS einen auswählt. Anders ausgedrückt liege die Wahl des Rechtsanwalts letztlich bei der DAS, und nicht bei der versicherten Person. Damit beschränkt sich das Recht des Versicherten auf die freie Wahl des Rechtsanwalts darauf, einen Rechtsanwalt vorzuschlagen, wobei die Annahme dieses Vorschlags letztlich im Ermessen des Versicherers läge. Solche Vertragsbedingungen sind aber nicht mit der Richtlinie vereinbar.

Aus diesen Gründen erstellte DER GERICHTSHOF folgendes Gutachten:

Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2009/138/EG steht Versicherungsbedingungen eines Rechtsschutz-Versicherungsvertrags entgegen, wonach es zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens im Hinblick auf seine vertraglichen Verpflichtungen führt, wenn der Versicherte zu einem Zeitpunkt, zu welchem er einen Anspruch gemäß dem Versicherungsvertrag geltend machen kann, ohne Zustimmung des Versicherungsunternehmens selbst einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt.

Benedikt Wallner, 23.11.2017


[1] Mit Dank an den Hinweis des ÖRAK in Infom@il 13/2017.

[2] URTEIL DES EFTA-GERICHTSHOFS in Sachen Pascal Nobile vs. DAS Rechtsschutz vom 27. Oktober 2017, E-21/16 (hier im Volltext abrufbar).

[3] gemäss Artikel 201 Absatz 1 Buchstabe a der Solvabilität-II-Richtlinie.

[4] vgl. sinngemäss das Urteil in der Rechtssache Sneller, C-442/12, EU:C:2013:717, Randnr.23.

[5] vgl. das Urteil in der Rechtssache Stark, C-293/10, EU:C:2011:355, Randnrn. 29 und 30.