Einen Rechtsstaat zeichnet u. a. aus, dass er jeden aus einer gerichtlichen oder behördlichen Fehlentscheidung resultierenden Schaden am Vermögen oder an der Person ersetzen muss,[1] wenngleich nur in Geld.[2] Wie bei jedem anderen Schädiger muss auch das schädigende Verhalten eines staatlichen Organs schuldhaft, d.h. vorwerfbar gewesen sein. Über das Verschulden entscheidet ausschließlich das Amtshaftungsgericht.[3] Erweist sich die beanstandete Entscheidung „bei pflichtgemäßer Überlegung als völlig überflüssig und willkürlich“, war sie unvertretbar iSd Amtshaftungsrechts.[4] Dann kann man noch darüber streiten, was bei falschen Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden überhaupt der Schaden ist.

Vom falschen Urteil zum Schadenersatz
Ein Arzt aus Bangladesch beantragte in Österreich die Gewährung internationalen Schutzes. Die zuständige Behörde lehnte ab. Dagegen erhob er Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht: Er rügte, dass ein Zeugenbeweis nicht aufgenommen wurde. Auch das BVwG vernahm aber den Zeugen nicht, weil dessen Nominierung verspätet erfolgt sei, und wies die Beschwerde als unbegründet ab. Der dagegen angerufene VwGH gewährte ihm zunächst Verfahrenshilfe im beantragten Ausmaß der Gebührenbefreiung; die kostenlose Beigebung eines Rechtsanwalts hatte er nicht beantragt, sodass eine Kostenforderung seiner Rechtsanwältin entstand. In der Folge hob der VwGH das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (vorgreifende Beweiswürdigung) auf und sprach ihm einen Kostenersatz von EUR 1.106,40 zu. Im zweiten Rechtsgang gab das BVwG der Beschwerde Folge. Der Arzt trat die Klagsansprüche zahlungshalber an die ihn vertretende Rechtsanwältin ab. Diese begehrte von der Republik die Zahlung von EUR 3.314,80 an Kosten für die Vertretung vor dem VwGH: Es handle sich um die tariflichen Beschwerdekosten nach Abzug des vom VwGH zugesprochenen Pauschalbetrags von EUR 1.106,40. Das Erstgericht wies ihre Amtshaftungsklage ab – zu Unrecht, wie das Berufungsgericht (rk.) erkannte: Zwar kann aus unrichtiger Beweiswürdigung eines Richters iaR kein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werden; vorgreifende Beweiswürdigung sei aber nicht dasselbe, sondern ein wesentlicher Verfahrensmangel.[5] 

Anwaltskosten als Schaden
Rechtsanwaltskosten, die aufgewendet werden mussten, um eine Gefahr abzuwenden, hier also die Folgen der beanstandeten Entscheidung, sind als „Rettungsaufwand“ positiver Schaden.[6] Der Rettungsaufwand ist (nur) zu ersetzen, soweit er zweckmäßig und angemessen war.[7] Ob das der Fall ist, muss am Vergleichsmaßstab des Vorgehens eines vernünftigen Menschen in der gleichen Sachlage ex ante geprüft werden.[8] Als zweckentsprechend gilt jede – verfahrensrechtlich zulässige − Aktion, die zum prozessualen Ziel der Partei führen kann – man weiß es nicht im Vorhinein. Notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann.[9] Das könnten sogar die Kosten für eine Vertretung durch zwei Anwälte sein.[10] Anwaltskosten, die infolge der falschen Entscheidung auflaufen, sind zwar nicht unmittelbar auf die schädigende Handlung – die beanstandete Entscheidung – zurückzuführen, sondern erst auf einen anschließenden Entschluss des Geschädigten, deren Folgen abzuwenden. Sie werden allerdings dem Schädiger zugerechnet, wenn der Entschluss durch den haftungsbegründenden Vorgang „herausgefordert“ wurde, der Geschädigte also erst durch die schädigende Handlung gezwungen war, eine solche Entscheidung zu treffen.[11]

Schadensminderungs„pflicht“ und Zweck der Verfahrenshilfe
Wenn der Geschädigte den Schaden ausufern lässt, anstatt nach § 1304 ABGB alle ihm objektiv und subjektiv zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die den Schaden abwehren, verringern oder zumindest nicht vergrößern, ist das nicht mehr ersatzfähig.[12] Die Republik wendete ein, der Arzt habe seine Schadensminderungspflicht dadurch verletzt, dass er iRd Verfahrenshilfe nicht auch die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem VwGH beantragt hat, obwohl er die Voraussetzungen für die Bewilligung erfüllt hätte. Die Anwaltskosten wären dann gar nicht entstanden, sie seien nur mutwillig verursacht worden, um sie in einem nachfolgenden Amtshaftungsverfahren geltend machen zu können.[13] Mit diesem Einwand hatte sie keinen Erfolg: Verfahrenshilfe hat den Zweck, dass auch wirtschaftlich schwächere Personen den gebührenden Rechtsschutz erfahren,[14] nicht hingegen, den Schädiger zu entlasten.[15] Auf den Zweck, sagt das Berufungsgericht, komme es hier aber nicht an: Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht – in Wahrheit eben keine Pflicht, sondern eine Obliegenheit – setzt gerade keine Normverletzung voraus, sondern nur ein Abweichen vom Verhalten des vernünftigen Durchschnittsmenschen, das dem Geschädigten subjektiv zumutbar gewesen wäre.[16]

Kritik
Es ist nicht Sinn der Verfahrenshilfe, die Gegenpartei von einer Zahlungspflicht zu entlasten. Durch einen Nichtersatz von Kosten, die ohne Verfahrenshilfe zustehen würden, tritt in Wahrheit eine Mehrbelastung der die Verfahrenshilfe finanzierenden Personen (Bund, Anwaltschaft) ein.[17] Die geringe Pauschalvergütung des Bundes (sic!) an die Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammern deckt nicht einmal die Hälfte der erbrachten Verfahrenshilfeleistungen. Der die Verfahrenshilfe leistende Rechtsanwalt arbeitet überhaupt unentlohnt. Empören muss schon das Ansinnen einer Schadensverlagerung hin zur Rechtsanwaltschaft, die dabei den Schaden zu tragen hätte. Durch die Verfahrenshilfe wird zudem nur eine vorläufige Befreiung von der Kostentragung gewährt. Verbessert sich die triste finanzielle Lage des Verfahrensbeholfenen, ist er zur Nachzahlung zu verpflichten. Obsiegt er, wird ihm der Ersatz der angemessenen Kosten zugesprochen, obwohl er bislang gar keine zu tragen hatte. Warum ist das so geregelt? Um die Gesamtfinanzierung eines solchen sozialen Instituts nicht zu gefährden.

Fazit
Zu dem ersatzfähigen Schaden, den staatliche Organe anrichten können, gehören auch fehlerhafte Behörden- oder Gerichtsentscheidungen und deren Folgen. Der Fehler muss vorwerfbar sein (z.B. Willkür, weil sich das Erstgericht ohne ersichtlichen Grund über wesentliche Verfahrensergebnisse hinweggesetzt hat[18] oder seine Beurteilung der Rechtsfragen bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände unvertretbar war.[19]) Für die Frage, was wohl ein sorgfältiges Organ gemacht hätte[20], ist unerheblich, wie sich der dem Anlassverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt „wirklich“ zugetragen hat. Es ist auch nicht zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung richtig ist.[21] Vielmehr prüft das Amtshaftungsgericht die Vertretbarkeit der beanstandeten Entscheidung im Regelfall allein aus den Akten des Anlassverfahrens.[22] Zum ersatzfähigen Schaden gehören insb. jene Kosten einer (oder auch mehrerer) frei gewählten (spezialisierten) Kanzlei(en), die zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands tatsächlich erforderlich waren. Niemand ist verpflichtet, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Wer keinen Verfahrenshilfeantrag stellt – um z.B. keinen von der Rechtsanwaltskammer ausgewählten Rechtsanwalt zugeteilt zu bekommen, sondern selbst eine Rechtsanwältin aussuchen zu können, die inhaltlich auf dieses Fachgebiet spezialisiert ist – übertritt keine Norm.[23]

Bendedikt Wallner, anwaltaktuell.at 01-23


1   Art 23 B-VG.

2   § 1 AHG.

3   RIS-Justiz RS0049819.

4   OLG Wien 14 R 68/22f vom 3. Juni 2022.

5   OLG Wien 14 R 162/22d vom 3. November 2022.

6   RS0023516.

7   RS0022802 [T4]; RS0023516 [T5]; RS0106806 [T2].

8   RS0023516 [T1, T3]; RS0023055.

9   Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.246.

10 7 Ob 112/09k.

11 2 Ob 74/12i; 4 Ob 24/18k; 6 Ob 232/18p.

12 RS0027015 [T6]; RS0026909; RS0023573; RS0027043.

13 LGfZRS Wien 67 Cg 2/22i vom 5. August 2022

14 RS0109487.

15 LGfZRS Wien 67 Cg 4/21g vom 28. März 2022.

16 OLG Wien 14 R 109/22k vom 3. November 2022.

17 Obermaier, Kostenhandbuch Rz 412.

18 RIS-Justiz RS0049947.

19 RS0049955 [T7, T8]; RS0049974 [T2]; RS0050216.

20 RS0049955 [T8]; RS0049912; RS0049969; RS0107814.

21 z.B. RS0049951 [T4, T12]; RS0049955 [T2]; RS0050216 [T7].

22 OLG Wien 14 R 147/22y vom 4. November 2022.

23 OLG Wien 14 R 162/22d vom 3. November 2022.