Es waren einmal zwei Brüder, Primeo und Herald, die mussten sich vor König Ogehah verantworten, weil sie ihrem Vater, dem alten Magier Madoff, dabei geholfen hatten, hinter den sieben Bergen gigantische Pyramiden zu errichten aus dem Gold des Königreichs. Die Brüder beriefen sich auf ihre eigene Schändlichkeit, sie hätten doch eh in der Bulle angekündigt, dass sie das Gold stehlen würden, was normalerweise niemand beeindruckt hätte. Doch ihre Mutter Banka hatte dem König Sand in die Augen geträufelt: So konnte Ogehah nicht mehr sehen, was schon sein Urahn Ulpian gesehen hatte [1], und Primeo ging (4-mal) frei [2]. Die Weisen des Reiches raunten [3]. Als jedoch sein Bruder Herald an die Reihe kam, hatte der Sand bereits seine Wirkung verloren. Ogehah verurteilte die böse Mutter Banka [4], verschonte, wie es einem guten Herrscher frommt, seine eigenen Beamten, obwohl die nicht gut auf das Gold aufgepasst hatten [5], und es herrschte wieder Frieden in seinem Reich.

Aber das Märchen geht noch weiter; es werden ja immer wieder Märchen erzählt. Schon seit Jahren nämlich trieb ein finsterer Drache sein Unwesen. Dieser Drache hieß FreiFiMä. Das Volk hatte sich längst an seine Anwesenheit gewöhnt und mied es eben, in seine Nähe zu kommen: Sollte der Drache schon nicht besiegt werden können, so würde er ohne frisches Blut einst doch an Unterernährung zugrunde gehen. (Auch gab es nicht wenige, die mit ihm fraternisierten, weil sie so hofften, etwas von seiner Macht zu erheischen – am Ende verschlang er auch sie). Einmal nun verschlang der fiese FreiFiMä auf einen Sitz 100 tapfere Sparer (€ 5 Mio.). Dazu hatte er sich, damit die arglosen Sparer ihn nicht bereits von weitem an seinem schlechten Odem erkannten, diesmal in die Gestalt des mittelmäßig begabten Kriminellen Klaus M. verwandelt [6]. Zwar warf der König den Klaus M. bald ins Verlies. Aber an den inzwischen zurückverwandelten Drachen wagte er sich nicht. Die Weisen waren uneins, was zu tun wäre [7]. Einige Georgs wollten mutig ausziehen, den Drachen mit des Kaisers Geldwäscherichtlinie zu töten. Doch Ogehah ließ sie nicht gewähren. Wie immer holte er sich Rat bei seinem Kollegen, dem König des großen Nachbarreichs, der ihm sagte: „Der Drache darf das zwar wirklich nicht. Aber er darf es nicht zu unserem Besten nicht, sondern zu seinem eigenen Besten, so steht es geschrieben. Es reicht nicht, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen [8].“ Das klang vernünftig, schließlich gab es (früher einmal [9]) wirklich solche Normen, die „ausdrücklich auch eine Bedachtnahme auf die Interessen der Anleger anordneten“ [10], und die Geldwäschevorschriften tun das eben nicht.

König Ogehah urteilte also: „Der Zweck der Geldwäschevorschriften … ist auf die Verfolgung von Allgemeininteressen gerichtet. Auf den Schutz einzelner Geschädigter aus den Vortaten sind sie daher nicht gerichtet [11].“ Aber war das auch zu Ende gedacht? Nein, meinte da ein Georg, der nämlich eine alte Zauberformel gefunden hatte: Wer sollte das sein, die "Allgemeinheit"? Das Allgemeininteresse kann man doch vom Interesse der Betroffenen nicht unterscheiden [12]! Hatte nicht der König einst selbst gesagt: „Dass … Normen in erster Linie dazu dienen, öffentliche Interessen zu fördern, schließt keineswegs aus, konkrete physische Personen, die bei der Missachtung dieser Vorschriften … Nachteile erleiden könnten, in den Schutzbereich einzubeziehen.“? Und an derselben Stelle: „Ein solcher Schutz konkret gefährdeter Personen muss insbesondere dort angenommen werden, wo es dem Einzelnen gar nicht möglich ist, das allenfalls vorhandene Gefahrenpotential abzuschätzen [13].“

Seither muss der weise König nachdenken, ob er noch klüger werden kann. Denn der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch ist kein Märchen.


[1] Zum Grundsatz Nemo auditur turpitudinem suam allegans vgl. jüngst Lukits, AnwBl 2015, 144

[2] 5 Ob 233/11t; 6 Ob 190/12b; 3 Ob 108/13y; 7 Ob 235/12b;

[3] Graf, Wie intransparent darf ein Prospekt sein? ZFR 2014/4, 12 ff; Wilhelm, Primeo Select Fund: Unvollständiger intransparenter Prospekt fehlerfrei! ecolex 2014, 1, uva.

[4] 5 Ob 26/14f

[5] 1 Ob 117/14h

[6] Die ganze Geschichte, einschließlich Bekennerschreiben im Wortlaut, in ecolex 2010, 513 (Editorial)

[7] G. Graf, ÖBA 2009, 799, und R. Bollenberger, ÖBA 2009, 858

[8] BGH XI ZR 56/07 (= WM 2008, 1252).

[9] §  24 Abs 1 WAG 1996; gibt es nicht mehr. Seit 2008 gibt es § 3 Abs 1 FMABG. Wie der auszulegen ist, wissen wir noch nicht.

[10] 1 Ob 186/11a

[11] 8 Ob 145/09w

[12] Wilhelm, zuletzt: ecolex 2015, 173

[13] 1 Ob 120/09t, Schragel zitierend, was denn das immer beschworene „öffentliche Interesse“ sein soll, das es verhindere, aus einer Gesetzesbestimmung Haftungsansprüche abzuleiten; im Zweifel müsse wohl angenommen werden, dass Gesetze nicht einem abstrakten Zweck, sondern den Interessen bestimmter Bevölkerungsteile dienen oder sie aber einschränken und die Verletzung dieses Gesetzeszwecks dem dadurch Geschädigten Schadenersatzansprüche einräume.

Quelle: Benedikt Wallner, ecolex 2015, 369