Dr. Benedikt Wallner Ein Spezialgebiet des Wiener Anwalts ist das Schadenersatzrecht.
Nächsten Donnerstag erfahren Sie, in welcher Höhe man mit Schmerzensgeld rechnen kann.
Mein Nachbar hat mir im Streit eine Ohrfeige verpasst. Ich wurde zwar nicht verletzt, aber weh hat es schon getan. Kann ich Schmerzensgeld fordern?
Die Grenzen zulässigen Argumentierens verlässt natürlich nicht erst, wer im Streit eine Verletzung zufügt. Schon das Erteilen einer Ohrfeige kann strafbar machen. Im Strafrecht sprechen wir dann, wenn Sie nicht verletzt sind, zwar eher von Misshandlung bzw. Beleidigung als von Körperverletzung, weil nicht der Körper, sondern in erster Linie die Ehre bzw. die Würde verletzt sein wird.
„Körperverletzung“ im zivilrechtlichen Sinn, wo es nicht um Strafe sondern um Schadenersatz (Schmerzensgeld ist eine Form des Schadenersatzes) geht, ist jedoch recht weit gefasst: Ohrfeigen können ebenso wie Tritte, Umstoßen etc. als Misshandlung und damit als Einwirken physischer Kraft auf den Körper verstanden werden. Das ist jede üble, unangemessene Behandlung, welche das körperliche Wohlbefinden eines anderen nicht unerheblich beeinträchtigt, wodurch ein nachhaltiges, zeitlich über die unmittelbare Einwirkung auf den Körper hinaus reichendes Schmerzgefühl bewirkt wird. Dafür müssen keine äußerlich sichtbaren Verletzungen eingetreten sein. Überhaupt ist schon bloßes Verursachen von Schmerzen zivilrechtlich eine „Körperverletzung“.
Dass die Verletzung eine kleinste „Bagatellverletzung“ war oder der Täter vom Strafrichter freigesprochen wurde, schließt den Schmerzensgeldanspruch nicht aus"
Wurden Ihnen also durch die Ohrfeige Schmerzen verursacht, selbst wenn der Körper keine nachteilige Veränderung erlitten hat, steht Ihnen Schmerzensgeld zu. Sie werden sich darüber hinaus erniedrigt fühlen: Werden seelische Schmerzen zugefügt, die auf einer Verletzung des eigenen Körpers beruhen, so steht ebenfalls Schmerzensgeld zu.
Quelle: Donnerstag, 01.02.2001, (KURIER 1.2.2001 | Seite 35)