Verfrühter Jubel über Fremdwährungskredit-Urteil
RechtsBlatt 4.7.2013

RechtAktuell. Die jüngste OGH-Entscheidung zu Fremdwährungskrediten bringt wichtige Klarstellungen - bei genauer Betrachtung aber auch zum Nachteil des Kreditnehmers. Eine Analyse von Anwalt Dr. Benedikt Wallner.

Die jüngste E des OGH zum Fremdwährungskredit1 („Harakiri“-Paket) wurde von den Medien als verbraucherfreundlich begrüßt.2 Tatsächlich enthält sie bedeutsame Klarstellungen; aber nicht alle sind zu der Kreditnehmer Vorteil. Vor allem entwickelt der OGH darin seine Auffassung vom Gesamtfinanzierungskonzept weiter und bleibt nicht kleben an den einzelnen Komponenten, aus denen es zusammengesetzt ist. Darin ist er allerdings am Ende nicht konsequent:

„Das spekulative Element eines Rechtsgeschäfts stellt keineswegs per se einen Nachteil dar.“ Wer sich also verspekuliert hat, kann nicht klagen! Nicht schon für Verluste am Kapitalmarkt wird gehaftet, sondern nur für Rechtsverstöße.

Verspekulieren konnte sich aber nur, wer wusste, dass er spekuliert! Wer das nicht wusste – weil ihm nur die Vorteile, aber nicht die Risken erklärt wurden – erleidet durch Hinzutreten des verborgenen Spekulationsrisikos einen realen Schaden in Form der dauerhaften Veränderung seiner Rechtsposition.

Das böse Spiel Leistungs- versus Feststellungsklage3 wird beendet: Wer sich auf einen keineswegs sicher eintretenden, jedenfalls zur Zeit nicht bezifferbaren Schaden aus fehlerhafter Beratung beruft, hat keine Möglichkeit zur Leistungsklage.4

Auch der schon geschiedene Ehegatte, der „nur mehr“ nach § 98 EheG als Ausfallsbürge haftet, hat noch ein – eben dieses – Feststellungsinteresse.

Kein Zwang zur Naturalrestitution – wie beim herkömmlichen Einkomponentenprodukt fehlerhafter Anlageberatung, zB ein bestimmtes Wertpapier – beim verschränkten Mehrkomponentenprodukt „Fremdwährungskredit mit Tilgungsträger“, wenn nicht nachgewiesen ist, dass Naturalrestitution tunlich oder möglich ist.

Ausnahmsweise persönliche Eigenhaftung des Vermittlers neben der Haftung seines Geschäftsherrn, der Vermittlerfirma, immer dann, wenn der Vermittler gesagt hat, „aufgrund seiner besonderen Sachkunde eine bessere Finanzierung anbieten zu können als die bisherigen Kreditgeber.“ (Freilich wird diese Konstellation häufig zutreffen und nicht die seltene Ausnahme bilden.)

Nachträgliche Konvertierungen heben den spekulativen Charakter des einmal empfohlenen gesamten Finanzierungsmodells nicht mehr auf, selbst dann nicht, wenn damit ein Kursgewinn einherging!

Erkennt er noch richtig, dass der Bank ihr Einwand, sie habe ihre Finanziererrolle nicht überschritten und das vom Vermittler stammende Gesamtfinanzierungskonzept nicht entworfen, nichts hilft, wenn sie die Informationsbedürftigkeit ihrer Kundin sogar positiv gekannt hatte, so lässt der OGH die Bank dann doch nur für den Währungsverlust und nicht auch für den Verlust aus dem Gesamtfinanzierungskonzept haften. Das ist angesichts eines schadensträchtigen Gesamtfinanzierungskonzept inkonsequent und ein Rückschritt hinter die E 10 Ob 12/11d (bzw. RIS-Justiz RS 0016390): Danach besteht die Aufklärungspflicht dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte – mit dem Umfang des verursachten Geschäfts hat das nichts zu tun.

Die verjährungsrechtliche Keule kommt allerdings zum Schluss, und sie kommt anscheinend harmlos: „Solange die Abwicklung des Kreditverhältnisses im Wesentlichen den ursprünglichen Erwartungen entsprach, hatten [die Kreditnehmer] noch keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit ihrer professionellen Beratung zu zweifeln“. Das heißt nämlich im Umkehrschluss: Hatte jemand dazu konkreten Anlass, etwa weil sich nur eine Komponente des schadensträchtigen Gesamtkonzepts (Fremdwährungskredit mit Tilgungsträger) nicht so wie erwartet entwickelt, dann begann die Verjährung zu laufen – und wäre heute, etwa drei Jahre nach Beginn dieser Anlässe, in aller Regel bereits abgelaufen! Das erscheint, bevor man das Gesamtkonzept verstanden hat, vor dem Hintergrund des § 1489 ABGB unbillig. Der Fokus des achten Senats ist hier also zu eng.5 Die E 6 Ob 103/08b hatte demgegenüber noch erkannt, es komme nicht auf die Risikolosigkeit einzelner Komponenten an; keine Risikolosigkeit des Gesamtfinanzierungskonzepts liege erst („jedenfalls“) dann vor, wenn es sich rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung der Darlehen und Geldmittelbeschaffung vor dem Umschuldungs- und Finanzierungskonzept entwickeln konnte. Ob das der Fall ist oder nicht, kann aber oft erst ein Sachverständigengutachten klären, zumal es ja auch Mehrkomponentenprodukte gibt, die aus mehr als zwei ineinander verschränkten Produkten aufgebaut sind wie zB private Pensionsvorsorgemodelle unter Einsatz von Fremdwährungskredit und gleich mehreren Lebensversicherungen.

Rechtsgebiete und Normen
Fremdwährungskredit, Tilgungsträger, realer Schaden, Verjährung, Feststellungsklage, nachträgliche Konvertierung; § 98 EheG, § 1489 ABGB

Fußnoten
[1] 8Ob66/12g.
[2] zB "Die Presse" vom 17.06.2013; Kurier vom 15.06.2013; vorarlberg ORF.at vom 13.06.2013.
[3] Vgl schon Prückner, Zum Feststellungsanspruch des geschädigten Anlegers: Feststellungsklage trotz möglicher Leistungsklage? Zak 2012, 327.
[4] Dabei hilft es wenig, jedes Klagebegehren immer als Leistungs- und in eventu Feststellungsbegehren zu formulieren, verlangte doch die Naturalrestitution einen weit höheren Streitwert als jenen Nettoschaden, den § 56 Abs 2 JN im Auge hat.
[5] Allerdings kam es in dem der E 8Ob66/12g zugrundeliegenden Sachverhalt kaum auf die Schäden aus dem Tilgungsträger, einem kapitalgarantierten Produkt, sondern hauptsächlich auf die Schäden aus dem Währungsverlust an. Meistens tut sich jedoch die Deckungslücke zu gleichen Teilen auf Seiten des Kredits wie des Tilgungsträgers auf.

Dr. Benedikt Wallner

Der Autor ist Rechtsanwalt in Wien und auf Bankrecht für Kunden spezialisiert. Zitiervorschlag: Wallner, "Verfrühter Jubel über Fremdwährungskredit-Urteil", RechtsBlatt 4.7.2013