von Ricardo Peyerl
Seit 15. September ist es amtlich, wer in Österreich an welchem Ort seinen Hauptwohnsitz hat und wo er sich eventuell sonst noch aufzuhalten pflegt. An diesem Tag wurde das offizielle Ergebnis der parallel zur Volkszählung 2001 durchgeführten Aktion für das Meldewesen veröffentlicht.
Für den Finanzausgleich - die Gemeinden bekommen pro Kopf und Jahr zwischen 500 und 870 Euro - ist das Ergebnis bindend.
UNERLEDIGT Aber der Verwaltungsgerichtshof „sitzt“ noch auf 600 unerledigten Verfahren.
In jedem dieser 600 Einzelfälle muss geprüft werden, ob der vom Bürger angegebene Hauptwohnsitz die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt oder ob sich diesen Bewohner der Bürgermeister einer anderen Gemeinde „einverleiben“ darf. 600 wohl begründete Erkenntnisse müssen gefällt werden - mehr oder weniger für den Mistkübel, wie die ohnehin überlasteten Höchstrichter hinter vorgehaltener Hand murren.
Die Statistik Austria wagt zu widersprechen: Nach dem Meldegesetz habe es schon Bedeutung, wenn sich ein Hauptwohnsitz „verschiebt“.
„Was wiegt's, das hat's“, sagt Hofrat Karl Isamberth und stellt in Aussicht, dass nach Erledigung sämtlicher Verfahren später (wieder in der Wiener Zeitung veröffentlichte) „punktuelle Berichtigungen“ vorgenommen werden, die am Gesamtergebnis gemessen freilich „weit hinter dem Komma liegen“.
Im Verwaltungsgerichtshof ärgert man sich trotzdem ein wenig über den Gesetzgeber, der - damit der Finanzausgleich funktioniert - quasi ein Höchstgericht dazu „verurteilt“ hat, Hauptwohnsitze zuzuteilen.
Insgesamt gab es 68.000 so genannte Reklamationsverfahren, in denen ein Bürgermeister oder Landeshauptmann um die Zuerkennung eines Hauptwohnsitz-Bewohners kämpfte (aber nur in jedem 33. Verfahren gewann). In 2000 Fällen wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Und es wären noch mehr geworden, hätte dieser nicht Musterfälle veröffentlicht (siehe Zusatzbericht), an denen die Parteien ihre Chancen vorher ablesen konnten.
Besonders knifflig ist das Problem ja dort, wo „ausnahmsweise“ zwei gleichwertige Lebensmittelpunkte bestehen. Das kommt gar nicht so selten vor. In einem solchen Fall entscheidet der Bürger selbst, zu welchem Ort er sein „überwiegendes Naheverhältnis“ hat, und das ist dann der Hauptwohnsitz.
Aber auch darum stritten die Bürgermeister bis in die höchste Instanz, wie der Fall einer Oberösterreicherin zeigte: Sie füttert nicht nur die Amseln in ihrem Garten in Bad Goisern, sie pflegt dort auch ihre Lebensbeziehungen, in Wien arbeitet sie nur. Mit Hilfe ihres Anwalts Benedikt Wallner bleibt sie Bad Goisern als Hauptwohnsitz-Bürgerin erhalten.
Quelle: KURIER 12.11.2002 | Seite 11