ASYL Als kleiner Beamter hat er Folter als „verhältnismäßig geringe vorübergehende Beeinträchtigung“ bezeichnet. Unter ÖVP-Innenminister Ernst Strasser ist Christian Romanoski zum Chef der sensiblen Asylabteilung aufgestiegen.
Florian Klenk
Am Ende hatte sie ihr Vieh, ihr Haus und das bißchen Schmuck verkauft. In ihrem kurdischen Dorf wollte Sultan T. nicht mehr leben. Der Ehemann war untergetaucht, der Schwager verhaftet, das Dorf von türkischem Militär belagert. Die Familie sympathisierte mit kurdischen Aktivisten. Mehrmals wurde Sultan T. von Polizisten verprügelt, damit sie das Versteck ihres Mannes verrate. Einmal hatten die Polizisten so brutal hingelangt, dass sie das Bewusstsein verlor. Die Frau schwieg, flüchtete nach Wien und bekam nach vielen Jahren Asyl. Der Weg dorthin war mühsam. Denn im Innenministerium war für ihren Fall damals auch der Jurist und Philosoph Christian Romanoski zuständig. Er verweigerte das Asyl. Denn die Folterungen, so schrieb er, seien nicht „asylrelevant“, sondern lediglich „erfolgt, um Informationen über den Aufenthaltsort des Gatten zu erlangen“. Die türkischen Polizisten, so Romanoski, schlugen die Frau auch nicht aus politischen Gründen bewusstlos, sondern sie wollten an das „Sonderwissen über den Aufenthaltsort ihres Gatten“ herankommen. Romanoski wörtlich: „Die von Ihnen behaupteten Befragungen und Misshandlungen stellen aufgrund Ihrer geringen Eingriffsintensität keinen ernsthaften Nachteil im Sinne des Begriffes der „Verfolgung“ dar. Es handelt sich hiebei um verhältnismäßige geringe vorübergehende Beeinträchtigungen im Zuge behördlicher Ermittlungen, die keine Zwangslage zu begründen vermögen.“ Der Mann, der einst solches schrieb, ist heute kein kleiner Beamter mehr. Innenminister Ernst Strasser hat Christian Romanoski, 42, zum Leiter der sensiblen Asylabteilung und damit zum Mastermind der heimischen Flüchtlingspolitik ernannt. „Auf politischen Druck seitens der FPÖ“, wie Beamte des Hauses berichten. Die Vizekanzlerin hätte Strassers Personalrochaden sonst boykottiert, heißt es. Romanoski sei ein guter Freund des FPÖ-Hardliners Ewald Stadler. Strassers Sprecher und Romanoski bestreiten die Freunderlwirtschaft. Die Asylexperten des Hauses wundern sich nun ebenso wie die auf Asyl spezialisierten Rechtsanwälte und Flüchtlingsbetreuer der Stadt. „Er war ein unguter Typ“, sagt der ehemalige SPÖ-Innenminister Casper Einem. „Er hat sogar Togo, Niger und Mali als sichere Drittstaaten bezeichnet“, erinnert sich der Anwalt Gabriel Liedermann. „Diese Bestellung ist unglaublich“, sagt ein Asylexperte des UNHCR. Der Wiener Asylanwalt Herbert Pochieser verweist auf den Fall des Kurden Tacim Y., der nach Wien flüchtete und sich Chancen auf Asyl ausrechnete: weil seine Schwester ermordet wurde, weil die Behörden sogar ihr Begräbnis für Verhaftungen nützten, weil ein psychiatrisches Gutachten feststellte, dass Y. „zweifelsfrei als Opfer schwerster traumatisierender Ereignisse“ anzusehen ist. Doch Romanoski entschied anders. Y. ist nämlich – in Abwesenheit und ohne faires Verfahren – von einem türkischen Gericht wegen „Terrorismus“ verurteilt worden. Das kann in der Türkei schon dann passieren, wenn man sich öffentlich für ein unabhängiges Kurdistan einsetzt. Romanoski urteilte, dass die Verfolgung von Terroristen „in westlichen demokratischen Gesellschaften für die Verteidigung der Ordnung notwendig“ und daher kein Asylgrund sei. Das Problem seines Bescheides: In keiner Zeile wird begründet, wieso der Asylwerber ein Terrorist ist. In einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof beklagte Rechtsanwalt Pochieser, dass „nicht nur sämtliche Beweismittel ignoriert wurden, sondern sogar offen mit den türkischen Verfolgern sympathisiert und deren Auffassung von Terrorismus und Terrorismusbekämpfung geteilt“ wurde. Der Asylwerber sei ohne Beweise, mehr oder weniger offen in Bescheidform als Terrorist im Sinne der Vorstellungswelt der türkischen Verfolger beschimpft“ worden. Ein Beamter, der so agiere, sei befangen und nicht fähig, das Asylgesetz rechtmäßig zu vollziehen, argumentierte Pochieser. Romanoski ist bereits 1992, unter dem roten Asyl-Sektionschef Manfred Matzka, ins Innenministerium berufen worden, um dort die restriktive Asylpolitik des damaligen SPÖ-Innenministers Franz Löschnak zu vollstrecken. Im Akkord und mittels Textbausteinen wurden damals Flüchtlinge mit den abenteuerlichsten Begründungen abgeschoben. Romanoski soll besonders engagiert gewesen sein, berichtet ein Mitarbeiter. Einmal verweigert er einen Afghanen, dessen Tochter und Schwester von Mudschahedin ermordert wurden, das Asyl, weil es für ihn in Afghanistan eine „innerstaatliche Fluchtalternative“ gegeben hätte. „Bei ihm mussten wir manchmal Passagen rausstreichen, weil sie so unerträglich waren“, erinnert sich ein hoher Asyl-Beamter. Textprobe eines, von VwGH aufgehobenen Romanoski-Bescheides, mit dem ein mit Stromschlägen gefolterter Kurde 1994 in das „sichere Drittland“ Rumänien verwiesen werden sollte: „Bietet ein Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (wie dies im Fall Rumäniens anzunehmen ist), so ist Sicherheit im Augenblick des Betretens dieses Staates als gegeben anzunehmen und vermag einmal erlangte Verfolgungssicherheit durch Verstreichen von Zeit nicht zu wachsen, zumal diesem Begriff nichts Graduelles inhäriert, d.h. nur die Disjunktion sicher/unsicher in Rede stehen kann“. Der Anwalt des Kurden, Benedikt Wallner, meint: „Wer sich so einer Sprache bedient, will nicht verstanden werden.“
Romanoski, der vom Sprecher des Innenministeriums als „ausgezeichneter Jurist und Fachmann“ beschrieben wird, stand dem Falter für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Der Sprecher bat um „Schonzeit“. In einem Email richtet Romanoski aus, dass er sich an die umstrittenen Bescheide „nicht mehr erinnern“ kann. Es seien auch nicht „seine“ Bescheide, denn er sei als „weisungsgebundener Beamter“ an gesetzliche Vorgaben und Erkenntnisse der Höchstgerichte gebunden. Zu seiner Freundschaft mit Ewald Stadler und der kolportierten politischen Protektion sagt er: „Ich bin parteilos“.
Quelle: Falter 4/03 | 22.01.2003 | Seite 13