Hausfrau haftet nicht für 12-Millionen-Schiling-Kredit: Gerichte verurteilen Überrumpelung durch Bank.
Ricardo Peyerl
Allein für die Rückzahlung des Kapitals würde die Frau 130 Jahre benötigen. Von den geforderten 16,5 Prozent Zinsen per anno seit 28. Mai 1997 ganz zu schweigen. Aber Christine R. hat nichts mehr zu befürchten. Sie braucht keinen Groschen zurückzahlen, und die Bank darf 11,882.913 Schilling und 46 Groschen in den Rauchfang schreiben. Die von der Wienerin für ihren (Ex-)Ehemann übernommene Bürgschaft war sittenwidrig. Das hat der Oberste Gerichtshof dieser Tage endgültig festgestellt. Das Ende einer Unart Aus dem Urteil zur Geschäftszahl 7 Ob 217/99h bzw. den bestätigten Vor-Urteilen ("eine der Korrektur durch den OGH bedürftige krasse Fehlbeurteilung kann nicht erblickt werden") ergibt sich aber auch Grundsätzliches. Es lässt sich ungefähr so zusammen fassen: ** Ist der Bürge (die Bürgin) mit dem Kreditnehmer eng verwandt bzw. sonst von ihm abhängig, ** zieht er persönlich aus dem geborgten Kapital keine Vorteile, ** steht die Summe des Darlehens mit seinen eigenen finanziellen Mitteln in grobem Missverhältnis, und ** klärt ihn die Bank nicht ordentlich über die Verwendung des Kredites sowie über das Risiko der Bürgschaft auf - dann hat sie kein Recht, den Bürgen zur Kasse zu bitten. Der weit verbreiteten Unart, ahnungslose Hausfrauen für die Geschäfte ihrer Ehemänner haften zu lassen, dürfte damit ein Riegel vorgeschoben sein. Josef R. war Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft, mit der seine Frau (später wurde die Ehe geschieden) nichts am Hut hatte. Trotzdem überredete er sie - wobei ein Bankangestellter eifrig Überzeugungsarbeit leistete - dazu, einem Kreditvertrag über insgesamt fast 12 Millionen S als Mitschuldnerin beizutreten. Er will sie "voll aufgeklärt" haben. Und zwar wie? Mit dem Satz: "Ich brauche das Geld für die Firma." Als die Firma pleite und von Josef R. nichts mehr zu holen war, wandte sich die Bank an Christine R. Sie wurde auf Rückzahlung geklagt.
Ihr Rechtsanwalt Benedikt Wallner ist zum Glück Konsumentenschutz-Experte. Er wandte ein, dass seine geschäftlich unerfahrene und damals wirtschaftlich vom Ehemann abhängige Mandantin quasi über den Tisch gezogen worden sei, und dass die Bank ihr eigenes Risiko habe abwälzen wollen. Die Gerichte sahen das auch so: Die Mittel, die Josef R. seiner Frau zur Lebensführung zur Verfügung gestellt hatte, waren "derart knapp", dass sie Christine R. keinen Spielraum ließen. Noch dazu, wo er "täglich Fleisch auf dem Tisch" haben wollte. Umgekehrt mussten sowohl dem Ehemann als auch dem Kreditgeber "die rasante wirtschaftliche Verschlechterung" des Unternehmens bekannt gewesen sein. Die Aufklärung der Bürgin über diese Entwicklung wurde aber "offenkundig vermieden" (im Urteil ist von "Überrumpelung" die Rede), diente die Haftungsübernahme durch Christine R. doch "in erster Linie dem Eigeninteresse der Bank, die bereits bestehende Kontoüberziehung abzusichern." Mit Spannung darf erwartet werden, wen die Kreditinstitute in Zukunft dazu "einladen" werden, im Bunde der Dritte zu sein.
Quelle: KURIER | 13.4.2000 Seite 30