Zwischen 2010 und 2012 verkauften fünf Großbanken tausenden Anlegern ­Alpine-Anleihen. Selbst ­ließen sie davon aber weitgehend die Finger. Warum?


Es ist nur eine Fußnote, mit freiem Auge kaum zu lesen: „Die Raiffeisen Bankengruppe Oberösterreich (RBG OÖ) weist darauf hin, dass … ein besonderes Interesse an der erfolgreichen Platzierung der gegenständlichen Unternehmensanleihe besteht, weil die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG als Mitglied des Emissionskonsortiums branchenübliche Provisionen erhält und der Emissionserlös auch zur Abdeckung von seitens der RBG OÖ gewährten Finanzierungen dient.“

Die Textpassage entstammt einem Datenblatt, mit welchem Raiffeisen Oberösterreich Investoren im Mai 2012 auf den Erwerb von Anleihen der Alpine Holding GmbH (Volumen: 100 Millionen Euro) einstimmen wollte. Aus damaliger Sicht ein unverdächtiger Vorgang: Der Salzburger Baukonzern galt als grundsolide und hatte – mit tatkräftiger Unterstützung mehrerer Großbanken – zuvor bereits Anleihen über insgesamt 190 Millionen Euro erfolgreich im Markt untergebracht.
Alpine ist mittlerweile bankrott. Mehr als 7000 Anleihegläubiger, vornehmlich Privatanleger, stehen vor den Trümmern ihres Investments. Die 290 Millionen Euro, welche sie dem Konzern zwischen 2010 und 2012 überantworteten, sind perdu.

Und hier kommt die zitierte Randnotiz ins Spiel. Sie nährt einen Verdacht, dem dieses Magazin seit Monaten nachgeht: Die Banken, bei denen der Alpine-Konzern mit zuletzt rund 600 Millionen Euro in der Kreide stand, könnten im Wissen um die desaströse Lage des Baukonzerns das eigene Ausfallsrisiko Zug um Zug verkleinert haben – indem sie einerseits die Emission von drei Anleihen organisierten und andererseits auch dem Staat Haftungen abrangen. profil-Recherchen haben bereits belegt, dass der Baukonzern spätestens ab 2009 große Probleme hatte, offene Rechnungen zu begleichen. In den veröffentlichten Jahresabschlüssen findet sich dazu allerdings kein brauchbarer Hinweis, ebenso wenig in den Kapitalmarktprospekten. Längst steht auch der Verdacht der Bilanzfälschung durch das damalige Management im Raum.
Die Verkaufsunterlage von Raiffeisen Oberösterreich belegt, dass Risikotransfer – weg von den Banken, hin zu anderen Gläubigergruppen – tatsächlich stattfand. Dass also beispielsweise 2012 bestehende Bankkredite mittels der Zuflüsse aus der Anleihe 2012-2017 (100 Millionen Euro Nominale, sechs Prozent Zinsen per annum) getilgt wurden. Die Frage ist nur eben, ob die Banken mehr wussten als die Öffentlichkeit – und ob hier gezielt Informationen unterschlagen wurden. Die Kreditinstitute bestreiten das mit aller Vehemenz. Sie wollen überhaupt erst im Herbst 2012 von der Alpine-Schieflage erfahren haben.

Klage gegen Republik Österreich

Wie profil vergangene Woche berichtete, klagen nun sieben Geldhäuser die Republik Österreich auf 151,4 Millionen Euro: Bawag PSK, Erste Group, Raiffeisen International, Raiffeisen Oberösterreich, UniCredit Bank Austria, Volksbanken AG sowie die spanische Bankia. Sie machen Kredithaftungen geltend, welche der Staat zwischen 2009 und 2010 im Wege des sogenannten ULSG-Programms („Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz“) gewährt hatte. Doch die Finanzprokuratur verweigert die Auszahlung – eben mit dem Hinweis, die Kreditgeber könnten die wahre Lage des Konzerns gegenüber der Republik camoufliert haben (siehe hier profil 13/47).

Eines fällt auf: Fünf der Klage führenden Häuser waren auch direkt an der Platzierung der drei Anleihetranchen beteiligt: Die Anleihe 2010-2015 (100 Millionen Euro, 5,25 Prozent Kupon pro Jahr) wurde von Bawag PSK und UniCredit Bank Austria organisiert; die Emission 2011-2016 (90 Millionen Euro, 5,25 Prozent) ging auf das Konto von Erste Group und Bank Austria; die letzte Anleihe 2012-2017 (100 Millionen Euro, sechs Prozent) war Sache von Bawag PSK und Raiffeisen Bank International respektive Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

Und es fällt noch etwas auf: Die Banken haben die Anleihen zwar mit großem Enthusiasmus – und gegen angemessene Provisionen – verkauft. So restlos überzeugt dürften Sie von der Bonität des Baukonzerns dann doch nicht gewesen sein. Als die Alpine Holding GmbH am 2. Juli dieses Jahres zusammenbrach, fand sich lediglich eine Bank im Kreis der Anleihegläubiger wieder: die Bawag PSK. Wenn auch mit einer vergleichsweise bescheidenen Position: vier Millionen Euro. Die anderen Banken hatten ihre Anleihen entweder verkauft – oder diese gar nicht erst gezeichnet.

Die von Masseverwalter Karl F. Engelhart gesetzte Frist zur (ohnehin aussichtslosen) Anmeldung von Forderungen ist mittlerweile verstrichen. „Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen, weshalb ich keine endgültige Aussage treffen kann“, so der Rechtsanwalt. „Bis jetzt habe ich mit Ausnahme der Bawag aber keine der genannten Banken auf der Liste.“
profil hat den Pressestellen der fünf Banken vergangene Woche eine gleichlautende Anfrage übermittelt: Hatte Ihr Haus zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung Alpine-Anleihen auf den eigenen Büchern? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein: Gab es dafür einen bestimmten Grund?
Seitens der Bawag PSK wird der genannte Betrag von vier Millionen Euro bestätigt: „Wir haben ein Nominale in dieser Höhe gezeichnet. Wir halten dieses nach wie vor.“ Bei der Erste Group heißt es: „Wir hatten Anleihen aller drei Emissionen in einem zweistelligen Millionenbereich, allen voran die Tranche 2011-2016. Im Zuge der Konkurseröffnung haben wir diese verkauft. Weitere Details wollen wir nicht nennen.“

Die Bank Austria wiederum trägt nicht eben zur Erhellung des Sachverhalts bei: „Aufgrund des von mehreren Banken im Zusammenhang mit der Causa Alpine gegen die Republik Österreich angestrengten und gegenwärtig laufenden Verfahrens können wir dazu keine Auskunft erteilen.“

Etwas klarer da schon die Stellungnahme von Raiffeisen International: „Die RBI hatte zum Zeitpunkt des Konkurses keine Alpine-Anleihen auf ihren Büchern. Die RBI hat Alpine Anleihen ausschließlich an institutionelle Kunden platziert.“

Und dann wäre da noch die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Das Linzer Bankhaus beließ es bei der dürren Mitteilung, man habe „Alpine-Anleihen im Handelsbuch mit unterschiedlichen Beständen“ gehalten. Das Handelsbuch ist übrigens jener Rechnungskreis, in dem nur die Finanzinstrumente verbucht werden, die zum kurzfristigen Weiterverkauf gedacht sind.

Fortsetzung folgt.

Von Michael Nikbakhsh; profil, 28.11.2013