Tausende Anleger, die in Anleihen des insolventen Baukonzerns Alpine investierten, kämpfen um ihr Geld. Im Fokus sind die Banken: Sie butterten Millionenkredite in die Alpine - und verkauften gleichzeitig deren Anleihen.
Die gute Nachricht ist die: Von den 4905 Mitarbeitern des im Sommer pleitegegangenen Baukonzerns Alpine sind nur mehr 133 auf Jobsuche. Der Rest ist auf dem Arbeitsmarkt untergekommen, so die am Dienstag übermittelte Frohbotschaft der Baugewerkschaft.
Die schlechte Nachricht ist aber auch nicht ohne: Tausende Anleger, die in den vergangenen drei Jahren Anleihen der Alpine im Volumen von insgesamt 290 Millionen Euro gezeichnet haben, müssen immer noch um ihr Geld bangen. Laut Masseverwalter Karl Engelhart haben sich bisher 3667 Anleger bei ihm gemeldet, ihre Forderungen belaufen sich auf etwas über 99 Millionen Euro. Da kommt aber zweifellos noch mehr: Die Anleger haben bis zum 19. November Zeit, ihre Forderungen anzumelden.
Wer kommt für den Schaden auf?
Das Problem ist nur: Von der Alpine ist nichts mehr zu holen. „In der Masse befinden sich nur noch ein paar tausend Euro", sagt Engelhart, „und täglich werden es weniger." Das ist natürlich alles andere als beruhigend. Kein Wunder, dass die Nerven ziemlich blank liegen. Freilich nicht nur bei den Anlegern. Sagen wir es so: Irgendjemand wird für den Schaden wohl aufkommen müssen - und die Alpine ist es eher nicht. Folgerichtig haben die zahlreichen Anwälte, die von den Anlegern engagiert wurden, schon eine ganze Palette von potenziell Haftenden ausgemacht: die Banken, die Wirtschaftsprüfer, ehemalige Manager und Aufsichtsräte der Alpine. Die Schlacht kann beginnen.
Es geht um die alles entscheidende Frage: Wer wusste wann von den wirtschaftlichen Problemen der Alpine? Und wurden die Anleger sehenden Auges ins finanzielle Verderben geschickt?
Viele zittern
Zittern müssen viele. Zum Beispiel die Alpine-Aufsichtsräte, die die Anleiheemissionen über die Jahre schön freundlich durchgewinkt haben. Prominentestes Mitglied: die frühere ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die mit März 2011 in das Kontrollgremium einzog.
Dann gibt es noch fünf ehemalige Alpine-Manager, gegen die Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft erstattet wurde. Es sind die Spanier Alejandro Tuya und Enrique Sanz sowie die Österreicher Johannes Dotter, Arnold Schiefer und Werner Watznauer. Die fünf haben sich bereits Anfang September vorsorglich in der Wiener Kanzlei Baker McKenzie zusammengefunden - offenbar wird versucht, eine einheitliche Argumentationslinie zu finden.
Auch der Alpine-Mutterkonzern, die spanische FCC, soll nicht ungeschoren davonkommen. Rechtsanwalt Eric Breiteneder war zu diesem Behufe diese Woche in Madrid. Mit interessanter „Beute": Ein Kollege der spanischen Kanzlei Cremardes wird für einige Monate nach Wien kommen, um mit Breiteneder „Synergien zu nutzen", wie dieser sagt. Das gemeinsame Ziel: Der spanische Baukonzern soll zur Verantwortung gezogen werden. Was einerseits juristisch riskant ist. Andererseits wäre ein „Hinter mir die Sintflut"-Motto der Spanier strategisch einigermaßen ungeschickt: In Österreich gehören der FCC nebstbei bemerkt auch hundert Prozent der A.S.A. Abfall-Service AG - zu deren Kunden auch Kommunen zählen. Eine Politik der verbrannten Erde seitens der Spanier wäre also eher inopportun.
Anwälte wollen gegen FCC vorgehen
„Ich halte ein Vorgehen gegen die FCC für sinnvoll", sagt Breiteneder, „aber letztlich müssen natürlich meine Mandanten darüber entscheiden." 82 sind es an der Zahl - darunter auch Anleger aus Deutschland und Spanien.
Bei der Stoßrichtung sind sich aber sämtliche involvierten Anwälte einig: Zunächst sollen die Banken in die Pflicht genommen werden. Nämlich jene Banken, die die Emission der Alpine-Anleihen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (also ein Jahr vor der Pleite) begleitet haben. Klar: Österreich ist bekanntlich ein Dorf. Und so kommt es, dass ein Gutteil jener Banken, die Alpine-Anleihen verkauften, über die Jahre auch Kreditgeber der Alpine waren. Etwa die Erste Bank, die Bawag, die Bank Austria, die Österreichische Volksbanken AG und Raiffeisen (Raiffeisen International und RLB Oberösterreich begleiteten die Emissionen, RLB OÖ war Kreditgeber).
Anwalt Wolfgang Haslinger, der rund 50 Anleger vertritt, spricht von einer „Umschichtung des Risikos von den Banken auf die Anleger". Soll heißen: Die Banken, die als Kreditgeber von der misslichen Lage der Alpine gewusst haben müssen, haben aktiv dazu beigetragen, dass von anderer Seite Geld in den schlingernden Konzern kommt. In diesem Fall von ahnungslosen Anlegern, denen der Konzern als „too big to fail" und überdies als österreichisches Unternehmen verkauft wurde. Anwalt Michael Poduschka (vertritt über 200 Anleger): „Die Emissionserlöse dienten dazu, die Alpine-Schulden abzudecken. Aufseiten der Banken war das eine klassische Interessenkollision."
"Emission von 2012 ist sehr spannend"
So weit, so unerfreulich. Aber so einfach ist die Sache dennoch nicht. „Wir prüfen gerade, ob es zum Zeitpunkt der drei Emissionen schon wirtschaftliche Probleme gab", erklärt Anwalt Harald Christandl, der rund 40 Anleger vertritt. Nachsatz: „Die Emission des Jahres 2011 ist spannend, die des Jahres 2012 ist sehr spannend." Sein Kollege Benedikt Wallner, der über 200 Anleger im Schlepptau hat, will die Frage per Gutachten geklärt haben: „Schon bei der Begebung der ersten Anleihe im Jahre 2010 war nicht ersichtlich, wie sie zurückgezahlt werden kann."
Die Anwälte haben jedenfalls die involvierten Banken bereits angeschrieben - zunächst wird versucht, außergerichtliche Einigungen herbeizuführen. Doch das wird mühsam, wie die Stellungnahmen der Banken gegenüber der „Presse" zeigen: „Kunden, die über uns Alpine-Anleihen erworben haben, wurden über die entsprechenden Risken ordnungsgemäß aufgeklärt", sagt etwa Bank-Austria-Sprecher Martin Halama. Der übrigens auch betont, dass die Bank Austria bei der letzten Alpine-Anleihe, die im Jahr vor der Pleite begeben wurde, nicht mehr emissionsbegleitend dabei war.
Banken selbst Opfer?
Ingrid Krenn-Ditz, Sprecherin der Raiffeisen Bank International, sagt, dass es „keinerlei Hinweise" gebe, dass „die Angaben im Emissionsprospekt unrichtig oder unvollständig sein könnten". Im Übrigen habe ihr Institut ausschließlich Anleihen an institutionelle Kunden vertrieben, die diese dann weiterverkauft hätten.
Und Erste-Sprecher Michael Mauritz stellt sich auf den Standpunkt, dass die Bank „Kreditentscheidungen aufgrund der letztveröffentlichten Alpine-Bilanzen" getroffen habe. Heißt: Die Erste habe letztlich den Bilanzen geglaubt - und sei damit quasi selbst Opfer gewesen. „Wir haben auch schon Anzeige wegen des Verdachts der Bilanzfälschung erstattet."
Unschwer zu erkennen: „Die Anleger werden viel Geduld beweisen müssen", meint Anwalt Christandl. Wenigstens in dem Punkt wird ihm niemand widersprechen.
Quelle: 27.09.2013 | 17:23 | von Hanna Kordik (Die Presse)