Erster Prozess gegen Patienten, der auf sich warten ließ, endete mit einem Vergleich
von Ricardo Peyerl
Der erste Prozess, der in Wien zu diesem Thema geführt wurde, endete mit einem Vergleich. Leider, muss man sagen. Es wäre spannend gewesen, die Frage zu lösen: Muss ein Patient, der den Behandlungstermin platzen lässt, Stornogebühr zahlen?
Der Sprecher der Zahnärzte, Gerhard Bachmann, hält das für legitim. Er kann sich sogar Verdienstentgang vorstellen: Eine (verlorene) Zahnarzt-Stunde kostet rund 230 Euro, rechnet er vor.
Ein Blick nach Deutschland zeigt: Die Gerichte sind sich nicht einig. Zwar gibt es eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts, doch diese betrifft nur die Verrechnung mit der Krankenkasse. Ein Kassenarzt kann demnach für das vergebliche Warten auf einen bestellten Kassenpatienten keine „Verweilgebühr“ verlangen, da dieses Warten „kein Bestandteil einer ärztlichen Behandlung ist.“
Mehrere Gerichte wiesen Schadenersatzforderungen von Ärzten mit der Begründung zurück, Terminabsprachen dienten im allgemeinen Geschäftsleben bloß der Koordinierung und würden keine juristisch relevanten Ansprüche auslösen.
Andere wiederum sprachen vergeblich wartenden Ärzten eine Vergütung zu; allerdings nur dann, wenn diese nachweisen konnten, dass sie sich extra ein, zwei Stunden freigehalten hatten.
Verpflichtet sich der Patient durch eine Zusatzvereinbarung zum Behandlungsvertrag, fixe Termine einzuhalten oder rechtzeitig abzusagen, stehen die Chancen des Arztes auf ein Ausfallhonorar etwas besser.
Der Prozess, den eine Wiener Zahnärztin gegen den fern gebliebenen Patienten führte, zog sich über mehrere Verhandlungstage. Zwei Ordinationsgehilfinnen sagten als Zeuginnen, sie hätten mit Frau Doktor eine Stunde Kaffee getrunken. Der Anwalt des Patienten, Johann Etienne Korab, konterte, die Wartezeit wäre besser zu nützen gewesen: Durch das Einschieben anderer Patienten oder - in Ermangelung solcher - durch administrative Arbeiten.
Irgendwann hatten die Streitparteien genug, die Zahnärztin wurde für ihren Ausfall mit einem kleinen Trostpflaster entschädigt, und jeder trug seine Verfahrenskosten selbst.
Der Wiener Konsumentenschutz-Anwalt Benedikt Wallner würde den Spieß gern umdrehen: Vereinbarungen sind stets beidseitig auszulegen. Vergibt der Facharzt einen Termin zur Behandlung und hält ihn dann nicht ein, sitzt der Patient also eine halbe Stunde, eine Stunde, zwei Stunden länger im vollen Wartezimmer, dann könnte er vom Arzt (Straf-)Gebühr fordern.
Vielleicht 230 Euro pro Stunde?
„Dann müsste auch der Arzt zahlen, wenn er den Patienten warten lässt.“ ANWALT WALLNER
Gar nicht gebohrt und trotzdem Honorar? Gerichte sind uneinig
Quelle: Samstag, 15.03.2003, (KURIER | Seite 11)