Gericht. Ab Montag läuft das Monster-Verfahren im Austria Center (UNO-City).
Wie bringt man Hunderte Geschädigte in einen Gerichtssaal? Gar nicht. Vor diesem Problem stand die Justiz bei der Organisation des Wirtschafts-Strafprozesses gegen fünf Manager des pleite gegangenen Wertpapier-Dienstleisters Amis. Die Lösung des Problems stellt ein Novum in der Wiener Justizgeschichte dar: Ab Montag (10.12.) wird der Konferenzsaal E 1 im Austria Center (UNO-City) zum Gerichtssaal. Ob sich der Betrugsprozess dann, wie geplant, bis 2008 hinzieht, ist fraglich. Da beide Hauptangeklagten Geständnisse ankündigen, könnte kurzer Prozess gemacht werden.
Insgesamt wurden mehr als 15.000 Kunden der Amis-Gruppe geschädigt. Die Anklage wirft den einst führenden Figuren Dietmar Böhmer (37) und Harald Loidl (48) schweren und gewerbsmäßigen Betrug vor. Drei weiteren Amis-Mitarbeitern werden Beihilfe zum Betrug und Verstöße gegen das Finanzstrafgesetz vorgeworfen.
Verteidiger Ernst Schillhammer sagt namens seines Mandanten Loidl zur „Presse“: „Das Amis-Geschäftsmodell war gut, nur haben dann beide Geschäftsführer die Übersicht verloren. Mein Mandant wird sich schuldig bekennen.“ So auch Böhmers Advokat Ewald Scheucher: „Mein Klient wird ein volles Geständnis ablegen.“
Laut Anklage haben Böhmer und Loidl von März 1999 bis Sommer 2005 mehr als 15.000 Kunden der Amis-Gruppe getäuscht „und die Getäuschten dazu verleitet, Verträge über die Verwaltung von Vermögen (...) mit Gesellschaften der Amis-Gruppe abzuschließen (...). Der Gesamtschaden laut Anklage: 62.171.009,06 Euro.
Weiter heißt es, die Täuschung der Kunden lag „in der wahrheitswidrigen Erklärung, der gesamte eingezahlte Betrag werde in das vereinbarte Amis-Produkt investiert, bliebe dort veranlagt und lediglich die vereinbarte Provisionen und Kosten würden abgezogen, während Mag. Böhmer und Loidl dem Kundenvermögen tatsächlich laufend Mittel (...) entzogen.“ Und zwar zu Gunsten diverser Amis-Firmen.
Laut Strafgericht haben bisher 13.000 Geschädigte Ansprüche angemeldet. Ab Ende Februar könnten die ersten Anleger zumindest Teile ihrer verlorenen Gelder aus der Verwertung eines Luxemburger Fonds zurückbekommen. Einen guten Teil der Verluste, zwischen 70 und 80 Mio. Euro, muss – wie berichtet – laut einem (noch nicht rechtskräftigen) zivilgerichtlichen Urteil die Republik Österreich begleichen. Grund dafür, laut den Opfer-Anwälten Benedikt Wallner und Andreas Köb: „Die Finanzmarktaufsicht bzw. deren Vorläufer-Behörde ist ihrer Prüf-Pflicht in keiner Weise nachgekommen.“ Die Finanzprokuratur wird nun Rekurs gegen das Zivil-Urteil einbringen.
Aber zurück zum Strafprozess, dessen „Making Of“ einen organisatorischen Kraftakt erforderte: Vor allem die Zahl der Geschädigten ist rekordverdächtig. Ihr Kommen angekündigt haben etwa 180 Opfer und zuzätzlich 80 Opfer-Anwälte, macht 260 Personen.
Wie viele quasi in letzter Minute unangemeldet erscheinen und sich noch Montagmorgen dem Prozess als Privatbeteiligte anschließen, bleibt abzuwarten. Werden es mehr als 500, könnte es (zu) eng werden.
Ein allgegenwärtiger Ankläger
Außer den Geschädigten kommen natürlich die Strafverteidiger der fünf Angeklagten. Die nächste Fraktion ist eine „Ein-Mann-Gruppe“, bestehend aus jenem Vertreter der Anklage, der omnipräsent zu sein scheint: Georg Krakow. Er ist unter anderem auch Staatsanwalt im Bawag-Prozess, der übrigens Mitte Jänner fortgesetzt wird.
Weiters muss Platz für Beamte der Justizwache sein, zumal Böhmer und Loidl in U-Haft sind und bewacht werden müssen. Zusätzlich braucht der Prozess-Gutachter seinen Tisch. Und auch Mitarbeiter einer privaten Security-Firma wurden engagiert. Abgesehen davon, dass auch Rechtspraktikanten des Wiener Straflandesgerichts für die Zuteilung der Sitzplätze abgestellt werden, hat freilich auch das Gericht selbst einigen Platzbedarf. Dafür wurde das im Saal E 1 befindliche Podium zu einem großen U-förmigen Richtertisch umgebaut.
Wer ist eigentlich „das Gericht“, das für die Organisation verantwortlich zeichnet? Ein vierköpfiger Schöffensenat (plus zwei Ersatzschöffen), angeführt von Richterin Daniela Setz-Hummel. Als Mitglied der Wirtschaftsabteilung des Wiener Straflandesgerichts war sie auch schon als mögliche Vorsitzende des Bawag-Prozess im Rennen. Damals ging der Kelch an ihr vorüber, doch nun beim zweiten großen Wirtschafts-Strafverfahren dieses Jahres schlug der elektronische Zufallsgenerator zu. Wie blickt Daniela Setz-Hummel dem Amis-Prozess entgegen? „Nach all dem Organisieren – mit Gelassenheit.“
Quelle: KURIER / Seite 29 / 07.12.2007 / von Manfred Seeh