3. Prozesstag – Fishing for compliments, im Fall Amis-Betrugsprozess fischen die Angeklagten im Austria-Center nach Milderungsgründen, und das Gericht hält die Netze auf.

„Wie waren die Haftbedingungen in Venezuela?“, fragt die Vorsitzende Daniela Setz-Hummel: „Wir werden das bei der Strafbemessung berücksichtigen.“ – „Ein Horror“, sprudelt es aus dem einstigen Amis-Chef Harald Loidl hervor, der gemeinsam mit Partner Dietmar Böhmer 2005 nach der Flucht auf die Isla Margarita verhaftet worden war: Es habe vor Ratten gewimmelt. Und Böhmer habe wegen seiner korpulenten Figur in der engen Zelle so viel Platz gebraucht, dass er von den Mithäftlingen sekkiert worden sei. Ihn selbst habe man gezwungen, auf einem Sims über dem Klo-Loch zu sitzen.

Als Loidl klar geworden war, dass „wir genug Dreck am Stecken haben“ und Böhmer – statt „Dauergast im Landl“ zu werden (was sie dann beide wurden) – das „Ende einer Ära“ lieber gewesen war, hatte ein Anwalt in Wien zur Flucht nach Venezuela geraten: „Sonst werdet ihr eingesperrt und man wirft bis zur Verhandlung den Schlüssel weg.“ Zurück blieben 15.000 Geschädigte (Krankenschwestern, Witwen, Tischler, Heurigenwirte), denen man mit dem Versprechen auf hohe Kursgewinne für Anleihen und Wertpapiere 200 Millionen Euro abgeluchst hatte, von denen die Hälfte unwiederbringlich als Provision abgezogen wurde.

„Außer Schulden ist mir nichts geblieben“, jammert Loidl: „Ich bin ja selbst ein Geschädigter.“ 116.000 Euro veranlagte er in seinem eigenen System, 58.000 Euro davon verschwanden sogleich. Anwalt Benedikt Wallner, der an die 400 Geschädigte vertritt, versteht das nicht: „Im Gegensatz zu den Kunden wussten Sie ja, dass 50 Prozent abgezweigt werden. Warum macht man das?“ – Loidl: „Man klammert sich an einen Strohhalm.“ – „Welchen Strohhalm?“ – „Dass ein Wunder daherkommt ...“

Nach einem echten Geständnis klingt das nicht. „Haben Sie die Schicksale der Geschädigten bedacht?“, fragt die Richterin. „Das verdrängt man“, sagt Loidl. – „Vor lauter Gier?“ – „Da geht es nicht so sehr um das Geld. Es ging ums ganze System, dass das toll wird und groß und dass man sagt, die beiden haben es geschafft.“

„Wir mussten da durch, bis hier her“, sagt der dritte Angeklagte Thomas Mitter. Als er das Ausmaß des Schadens erfuhr, habe es ihn „umgehauen.“ Angekurbelt haben das System überwiegend Versicherungsmakler, die gar keine Konzession zur Vermögensberatung und lediglich Drei-Tages-Kurse bei Amis absolviert hatten.

Quelle: KURIER / Seite 13 / 13.12.2007 / von Ricardo Peyerl