Oberlandesgericht: Vor Prozess muss untersucht werden, ob Ecstasy und Speed überhaupt Suchtgift sind

Auf die Anklagebehörde kommt viel Arbeit zu. Ab sofort muss jedes Suchtgift bzw. jeder Stoff, den der Staatsanwalt dafür hält, zuerst einmal ganz genau auf seine chemische Zusammensetzung sowie auf seine Konzentration untersucht werden.

Auch muss die exakte Menge der konsumierten oder vom Dealer in Verkehr gesetzten Drogen vor dem Prozess feststehen.Anklage wurde erst im Prozess konkret. Bisher kam es nicht selten vor, dass der Staatsanwalt eine „noch festzustellende Suchtgiftmenge“ unter Anklage stellte und darauf hoffte, sie in der Verhandlung präzisieren zu können.Das Oberlandesgericht Wien duldet dieses sogenannte „Gebrechen“ in Strafanträgen nicht länger. Im Urteil 21 Bs 24/98, von Rechtsanwalt Benedikt Wallner für einen jugendlichen mutmaßlichen Drogendealer erkämpft, wird grundsätzlich eine „fallbezogene Ausführung zur Konzentration der Stoffe“ gefordert.
Es sei noch lange nicht alles Suchtgift, was unter diesem Titel verfolgt werde.Nur aufputschende Wirkung oder mehr?

Gerade bei den in der Szene gebrauchten Namen wie Speed oder Ecstasy handle es sich „um Drogen, denen vornehmlich aufputschende Wirkung zugeschrieben wird, ohne dass damit etwas über die konkrete Zusammensetzung der Stoffe gesagt ist.“ Wir zitieren weiter aus dem Urteil: „Vielmehr konnte allgemein festgestellt werden, dass chemisch höchst unterschiedliche Substanzen unter dieser Bezeichnung verbreitet werden.“

Das reiche von reinen Placebos, wie z.B. Kapseln mit Kieselerde, bis zu Opiaten.Der Anteil von (nach dem Suchtmittelgesetz verbotenen) Amphetaminen, der typischerweise in Speed und Ecstasy erwartet werde, sei aber – „sofern überhaupt vorhanden“! - durch Streckung bisweilen zu gering. Und daher zu harmlos, um das Strafgericht damit zu belästigen. Staatsanwälte im Wiener Landesgericht behaupten, vor Suchtgiftprozessen ohnehin immer schon Analysen in Auftrag gegeben zu haben. In der Regel ...
Freilich verteure bzw. verzögere das die Verfahren.

7.000 Schilling pro Befund, wenn es schnell gehen soll

Das Oberlandesgericht fordert in jedem einzelnen Fall eine Feststellung über die Konzentration bzw. das Gewicht der Reinsubstanz. Nur durch eine derartige genaue Untersuchung sei zu klären, ob eine Ecstasy-Tablette oder eine Speed-Kapsel eine im Suchtmittelgesetz namentlich erwähnte Substanz enthält.

In Haftsachen wird das Institut für Gerichtsmedizin mit so einer Spektraluntersuchung beauftragt. Es soll nämlich rasch gehen, und hier liegt das Ergebnis binnen weniger Tage vor. Dafür kostet jede Befundung (den Bund) 5.000 bis 7.000 Schilling.

Bis zu einigen Monaten lässt das Ergebnis auf sich warten, wenn (in Verfahren gegen Verdächtige auf freiem Fuß) die Kriminaltechnik der Sicherheitsbehörden mit der Untersuchung beauftragt wird. Sie ist allerdings sozusagen gratis, weil „hausgemacht“.

Quelle: KURIER / 27.03.1998 / Seite 12 / von Ricardo Peyerl