Mag sich das unmögliche Möbelhaus aus Schweden zu Recht als solches tadeln oder auch nicht, auf eines war doch immer Verlass: Den Zumutungen herkömmlicher Möbelhäuser konnte man in letzter Konsequenz bislang noch begegnen, indem man die Reißleine zog, das würfelförmige Designkonzept, das offenbar in nordischen Hirnen herrscht, aufwändig in sein eigenes Geschmacksuniversum inkorporierte und der handelsüblichen Ansage: „Lieferzeit 6-8 Wochen, aber ohne Gewähr; wir rufen Sie an, wenn es da ist“ die Aussage entgegenhielt: „Da geh ich lieber zum IKEA“! Außer Handtüchern gab es bei ihnen gefühlt nichts Ausgestelltes, das man nicht mühsam bestellen, sondern sofort mitnehmen, i.e. konsumieren konnte, auch nicht in Metropolregionen. Sogar ein Neuwagen mit (stets) aufpreispflichtiger Farbauswahl hat inzwischen oft kürzere und präzisere Lieferzeiten als ein Einrichtungsgegenstand.

Letzten Samstag dann in help-Das Konsumentenmagazin [1] auf Ö1 der Kulturschock: IKEA liefert nicht zeitgerecht! Zu Wort kam ein frischgebackener Vater, der es gern umgekehrt gehabt hätte, und das IKEA auch gesagt hatte, aber nun doch zuerst Vater geworden ist und dann erst Küchenbesitzer.

Ein Oxymoron! So hatte einst der Philosoph Rudolf Burger im Gefolge von Hainburg – erinnert sich noch wer? – den „Naturpark“ an sich punziert: das künstliche Natürliche. [2] Ist nicht Inbus immer auch für instant gestanden? Was man aus flach gelagerten Einzelteilen unter Flüchen selbst aufbauen darf, hat immerhin den Vorteil, flach gelagert und also vorrätig zu sein. Das kann, ja muss man sogar sehen als Kunde, denn zu dem merkwürdigen Designkonzept gehört auch ein geometrisch ausgeklügeltes Wegkonzept, das die Kunden schließlich als Purgatorium noch vor dem erlösenden Erwerbsprozess an der Kassa durch finstere, überlebensgroße Lagerhallen quält.

Für den Akt des Konsumierens ist der Erwerb des gekauften Produkts, uzw. nicht im rechtlichen sondern im physischen Sinne, ist also dessen physische Benutzbarkeit jene Befriedigung, auf die er abzielt. Für den Akt des Verkaufs ist hingegen die Verpflichtung des Kunden, dessen Unterschrift unter den Kaufvertrag, am besten sogleich erfüllt durch sofortige Bezahlung, der entscheidende Punkt. Das Möbelhaus und seine Kunden wollen also nicht einfach dasselbe (nämlich, dass Tisch „Sven“ den Besitzer wechselt), oder sie wollen es nicht zu denselben Zeitpunkten. Nicht im Einsparen der Endmontage liegt IKEAs Marktvorsprung, sondern im Versprechen der sofortigen Befriedigung des geweckten Konsumwunsches. Das wird mitverkauft, es geht aber nur mit großen Lagern. Deswegen stehen IKEAs nicht auf der Mariahilferstraße, sondern „in der Wüste zwischen Wels und Linz“ [3] und derlei abgelegenen Orten, die man niemals freiwillig ansteuern würde, um dort zu flanieren.

Und nun das: IKEA kann nicht zeitgerecht liefern! Der säumige Abholmarkt. Ein Oxymoron! Das Radiomagazin denkt eine Weile nach und erwägt dann allerlei Freiheitsgrade des typisierten Konsumenten (von dem IKEA schließlich abhängig ist) um solche Unbill künftig zu verhindern. Aber es fällt ihm nur eine Abhilfe ein, von der es schließlich selbst sagt, es sei keine: IKEAs Pönalezahlung für eine allfällige Spätlieferung zu vereinbaren. Was bei größeren Bauwerken durchaus üblich ist, wird bei Haushalts-Küchen kaum gelingen.

Nicht erwogen wurde allerdings, im Kaufvertrag einfach das kompakte Wörtchen „fix“ hinter die vereinbarte Lieferfrist zu kritzeln. Es hätte bei Fristüberschreitung die rechtliche Wirkung gehabt, dass der Vertrag einfach von selbst erlischt und eine Nachfristsetzung entfällt. [4] Nicht, dass der Kunde darauf abzielte, sich im Falle eines Lieferverzugs dann erst recht bei den neolithischen Konkurrenzmöbelhäusern eindecken zu müssen; inzwischen wäre sein Baby wohl eingeschult. Unser Vater in spe wollte, brauchte ja die Küche jetzt. Weil aber nach der Theorie der geteilten Intentionalität [5] der andere weiß, dass ich weiß, dass er weiß usw., antizipiert das Möbelhaus im Falle eines Fixgeschäfts, der Kunde könnte zurücktreten und sich anderswo eindecken und sogar noch den Transaktionsschaden geltend machen. Und dann bliebe es auf der schon verkauft geglaubten (und bezahlten; und gebuchten) Ware sitzen.

Das erhöht seine innere Motivation zu zeitgerechter Lieferung enorm!

Benedikt Wallner, 27.11.2014


[1] Schwere Geburt einer IKEA-Küche, in help-Das Konsumentenmagazin, ORF, Ö1, 22.11.2014 – 11:40.

[2] Hainburg und die Modernisierung. Mutmaßungen eines ehemaligen Demonstranten, in: Wallner u.a. (Hg), hainburg-ein basisbuch (1985), 24 [33].

[3] Wie es so farbenprächtig in „Romeo, Romeo“ (M&T: Dave Alvin/dt. Text: Ostbahn Kurti) hieß.

[4] Näheres dazu schon in meinem RECHTSTIPP im KURIER 1999, hier: http://www.wienrecht.at/veroeffentlichungen/26-rechtstipp-bestellte-ware-fix-ist-fix.

[5] Tomasello, Eine Naturgeschichte des menschlichen Denkens (2014).