Um zu verstehen, welche Beschwerde geschädigte Bankkunden erheben, muss man verstehen, was ein geschädigter Bankkunde ist. Wer zB eine Wette verliert, die unter fairen Bedingungen zustande gekommen ist, erleidet zwar einen Verlust, aber keinen Schaden.

Für Verluste wird nicht gehaftet, sondern für Rechtsverstöße, die zu Schäden führen. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt natürlich der Anleger.[2]

Insofern Finanzkontrakte wie Swaps oder, allgemeiner, Derivate funktional meist eine Wette darstellen, liegt nach einem Verlust der Einwand nahe, die Wette sei doch unter fairen Bedingungen zustande gekommen, weswegen nun auch kein Ersatz begehrt werden könne: Denn unfair sei es doch gerade, im Nachhinein das Wettergebnis nicht anerkennen zu wollen, und wer das tue sei ein "schlechter Verlierer".

BGH-Entscheidung

Freilich wird dieser Einwand nur dann Berechtigung haben, wenn die Bedingungen tatsächlich fair waren. Wett- oder Spielbedingungen sind zB dann nicht fair, wenn sie eine Seite bevorzugen. Zu diesem Ergebnis kam die Spread Ladder Swap Entscheidung,[3] wo nämlich "das Chance-Risiko-Profil zwischen den Teilnehmern der Zinswette unausgewogen ist: Während das Risiko des Kunden unbegrenzt ist, ist das der Bank [...] von vornherein [...] eng begrenzt [...]",[4] wie das deutsche Höchstgericht schon vor längerem erkannte. Der Swap war - heimlich! - so konstruiert, dass er für den Kunden einen "negativen Marktwert" hatte und somit für die Bank einen positiven. Das ist dann auch gleich der Sinn der Sache, denn aufgrund dieses positiven Marktwerts kann man das Produkt weiterverkaufen. Und genau das hatte die Bank auch gemacht, womit sie kein eigenes Risiko mehr zu tragen hatte, ihre Kundin aber schon. Wenn einer von zwei Wettpartnern kein Risiko zu tragen hat, erscheinen die Wettbedingungen nicht fair. Noch weniger dann, wenn zwar anfangs - also für beide augenscheinlich - auch für die Bank ein Risiko bestand, diese aber - nun nicht mehr augenscheinlich, sondern verborgen - ihr gesamtes Risiko in die Wettbedingungen bereits "einstrukturiert".[5]

Zudem müssen sich, damit der Einwand "schlechter Verlierer" greift, beide Seiten über den Charakter einer Wette[6] im Klaren gewesen sein. Denn wer zB einen Kauf oder gar ein Garantiegeschäft tätigen will, nimmt nicht an, dass dessen Erfüllung Wettbedingungen unterliegt.

Swappen dient wie hedgen der Risikominimierung.[7] Dieser Zweck kann zB dann nicht erreicht werden, wenn man, um sein begrenztes Risiko aus einem Fremdwährungskredit zu minimieren, mit dem Swap ein Produkt bekommt, dessen Risikopotential "prinzipiell unbegrenzt" ist.

FUSSNOTEN
[1] im süddeutschen Sprachraum eine Sache von sehr schlechter, von vornherein unbrauchbarer Qualität; vgl. http://www.ostarrichi.org/wort-798-at-Glumpert.html .
[2] Deutscher BGH XI ZR 33/10 vom 22. März 2011 (unter Verweis auf frühere Senatsurteile vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 Rn. 12, vom 14. Juli 2009 - XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 Rn. 49 und vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 19).
[3] BGH XI ZR 33/10 vom 22. März 2011.
[4] Ebd Rn 57.
[5] Ebd Rn 43.
[6] "Die beiden Partner wetten über ein zukünftiges ungewisses Ereignis, nämlich darauf, wie sich die jeweiligen Zinssätze und/oder Währungen oder die sonstigen Bezugsgrößen zueinander entwickeln werden." (Karollus, Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert bei strukturierten Finanzprodukten?, ÖBA 2013, 306 [307]). War das dem Kunden auch wirklich jeweils klar?
[7] Oppitz unterscheidet deshalb drei Gruppen von Swap-Käufern, die Absicherer, die Spekulanten und die Arbitrageure (ÖBA 2013, 321, Aktuelle Rechtsfragen des Derivatgeschäfts).

RECHTSGEBIETE
Anlegerrecht, Vertragsrecht, Willensmangel, Swaps

Dr. Benedikt Wallner

Der Autor ist in Wien als Anwalt (Benedikt Wallner Rechtsanwalt-GmbH) tätig und hat sich auf Anlegerrecht spezialisiert. Zitiervorschlag: Wallner,"Ad Stadt Linz: Faire und unfaire Swap-Wetten", RechtsBlatt 19.12.2013 (RDB: RechtsBlatt 2013/51/02).


Quelle: Wirtschaftsblatt - Rechtsblatt 18.12.2013