von Ricardo Peyerl
Ein neues Urteil des Obersten Gerichtshofes schützt Konsumenten vor den Folgen überstürzter Entscheidungen bei Geschäften von wirtschaftlich erheblichen Ausmaßen. Darunter ist etwa der Kauf oder die Anmietung von Wohnungen oder Häusern zu verstehen.
Bei solchen in der Regel mit Maklern abgeschlossenen Vertragsabschlüssen räumt das Konsumentenschutzgesetz dem Kunden ein Rücktrittsrecht ein, das der Gefahr der Überrumpelung vorbeugen soll: Wird ihm „die Entscheidung bei der ersten Besichtigung abverlangt“, kann er später noch „aussteigen“.
Beim typischen Wohnungskauf war es die Intention des Gesetzgebers, dass der bei allererster Besichtigung vielleicht gleich hellauf begeisterte und freudig den Kugelschreiber zückende Käufer die Sache noch einmal überschlafen kann, ehe seine Unterschrift gilt.
So war das schon bisher.
MIT EIGENEN AUGEN? Nun stellte sich die Frage: Was passiert, wenn die Ehefrau/der Ehemann (die Lebensgefährtin/der Lebensgefährte) die Wohnung allein besichtigt, Feuer und Flamme ist, den Vertrag abschließt, dem Partner die neue Bleibe dann aber gar nicht zusagt? Reicht es, wenn sie/er ihm/ihr das Domizil haarklein beschreibt?
Der Rechtsanwalt und Buchautor Benedikt Wallner hat im Auftrag des Vereins für Konsumenteninformation einen Musterprozess durchgefochten.
Eine Hausfrau machte sich auf die Suche nach einer neuen Wohnung für sich und ihren Mann. Sie fand eine, die ihr gefiel, sie sollte 130.084 Euro kosten. Zwei Tage nach der Besichtigung schaute sich auch ihr Mann, er ist Donaukapitän, die Wohnung an, noch am selben Tag wurde der Kauf abgeschlossen.
Zwei Wochen später scheiterte die Finanzierung, das Ehepaar trat vom Vertrag zurück. Der Verkäufer klagte 13.008 Euro „Reugeld“ ein. Er meinte, die Frau habe die Sache nach ihrer Besichtigung ohnehin schon zwei Tage „überschlafen“ können. Dass der Vertrag am selben Tag unterschrieben wurde, an dem ihr Mann die Wohnung erstmals zu Gesicht bekam, tue nichts zur Sache. Irrtum.
Es geht um eine „persönliche Besichtigung“. Auch noch so detaillierte Schilderungen, selbst wenn sie vom Partner stammen, können den persönlichen Augenschein nicht ersetzen. „Eine früher vorgenommene Besichtigung durch einen Dritten (hier: Ehegatten) muss sich der Erwerber nicht zurechnen lassen“ (OGH, 3Ob22/02k).
Es gilt also der Tag, an dem der Donaukapitän zum ersten Mal die Wohnung betrat. Da bei diesem Termin unterschrieben wurde, gilt das Rücktrittsrecht, und das „Reugeld“ entfällt.
Rücktrittsrecht: Fristen, Belehrungen, Versprechen Eine Woche Gibt der Verbraucher am selben Tag, an dem er das Vertragsobjekt (Wohnung, Einfamilienhaus, Liegenschaft) das erste Mal besichtigt hat, eine Vertragserklärung ab, so kann er binnen einer Woche vom Vertrag zurücktreten. Das müssen nicht unbedingt 24 Stunden sein: Besichtigung um 18 Uhr, die Unterschrift in aller Ruhe am nächsten Morgen gilt.
Vier Wochen Das Gesetz geht davon aus, dass man eine Frist nicht wahren kann, von deren Existenz man gar keine Kenntnis hat. Der Verkäufer bzw. der Makler muss dem potenziellen Käufer/Mieter also eine Kopie der Vertragserklärung samt schriftlicher Belehrung über sein Rücktrittsrecht übergeben. Tut er das nicht, verlängert sich die einwöchige Rücktrittsfrist auf vier Wochen.
Zusagen Ein Konsument kann vom Vertrag auch zurücktreten, wenn der Vertragspartner seine Zusagen nicht eingehalten hat. Das Gesetz spricht von als wahrscheinlich dargestellten maßgeblichen Umständen, wie z. B. der Aussicht auf steuerrechtliche Vorteile, die dann nicht eintreten. Nachzulesen im Ratgeber „Orientierung am Wohnungsmarkt“ (VKI, ÖGB).
Das Konsumentenschutzgesetz beugt, ähnlich wie beim „Haustürgeschäft“, der Überrumpelung beim Vertragsabschluss mit Maklern vor.
Anwalt Benedikt Wallner
Quelle: KURIER | 07.12.2002 | Seite 7