von Ulla Grünbacher
Die erste Entscheidung im Sinne des neuen Maklerrechts liegt vor und damit eine wichtige Erkenntnis für alle Wohnungssuchenden: Ihr Recht, von Immobiliengeschäften zurückzutreten, ist äußerst weitreichend. Der Fall: Frau K. rief im Maklerbüro M. an und erkundigte sich nach einem annoncierten Einfamilienhaus. Nachdem sie ein Merkbatt über entstehende Nebenkosten unterschrieben an das Maklerbüro gefaxt hatte, bekam Frau K. die Adresse genannt. Daraufhin besichtigte sie das Haus auf eigene Faust von außen. Am 17.12.1996 sah Frau K. das Objekt erstmals von innen mit einer Mitarbeiterin des Maklerbüros, anschließend legte sie in einem Cafe ein Kaufanbot in Höhe von 2,2 Mio. S. Zur Abdeckung der Provision händigte sie der Maklerin einen Scheck über 200.000 S aus. Das Merkblatt, das eine schriftliche Belehrung über das gesetzliche Rücktrittsrecht enthält, erhielt Frau K. nicht. Einen Tag später übergab sie dem Geschäftsführer des Maklerbüros in seinen Räumlichkeiten 150.000 S und erhielt dafür den Scheck zurück. Das erste Kaufanbot wurde von diesem zerrissen und durch ein neues ersetzt. Vier Tage später erkennt Frau K., daß ein viel größerer als ursprünglich angenommener Reparaturaufwand erforderlich ist, um das Haus zu nutzen. Sie erklärt dem Makler per Fax, daß sie das Haus doch nicht kaufen wolle. Trotz Mahnung bezahlt das Maklerbüro die 150.000 S nicht zurück, Frau K. klagt. - Und bekommt recht. Eine Außenbesichtigung stellt keine Erstbesichtigung dar. Das Kaufanbot wurde am Tag der Erstbesichtigung gelegt; daß einen Tag später ein neues Anbot ausgefüllt wurde, ist ohne Bedeutung. Das einwöchige Rücktrittsrecht beginnt zu laufen, sobald der Konsument eine Zweitschrift seiner Vertragserklärung und die schriftliche Belehrung über das Rücktrittsrecht hat. Das war nicht der Fall. Daher verlängert sich das Rücktrittsrecht auf ein Monat, Frau K. ist rechtzeitig zurückgetreten. Das Maklerbüro wurde zur Rückzahlung der 150.000 S sowie zur Zahlung der Prozeßkosten verpflichtet. Das Urteil ist rechtskräftig. Erstmals seit Inkrafttreten des Maklergesetzes und der entsprechenden Konsumentschutzbestimmungen (1. Juli '96) ist ein Urteil erfolgt. Dieses stelle folgende Punkte klar, erläutert der Anwalt der Klägerin, Benedikt Wallner: ** Für die Erstbesichtigung kommt es auf die vollständige Besichtigung auch im Inneren des Objekts an. Konnte z.B. ein Raum nicht gesehen werden und entspricht er nicht den Vorstellungen des Käufers, ist dies ein wesentlicher Rücktrittsgrund ** Ein zweites Kaufanbot kann die Rücktrittsfrist nicht beeinflussen, wenn es in wichtigen Punkten inhaltlich gleich bleibt ** Die Rücktrittserklärung kann auch per Fax erfolgen ** Beim Inhalt der Rücktrittserklärung kommt es auf die Erkennbarkeit des Rücktrittswillens, nicht auf Formvorschriften an. Die Formulierung "ich trete zurück" reicht völlig ** Der Rücktrittsgrund des Konsumenten ist auch dann beachtenswert, wenn er subjektiv ist. "Immer dann, wenn keine bewußte Schädigung des Maklers vorliegt, ist Rücktritt möglich", erläutert Wallner. Dies könne ein Scheitern der Finanzierung sei, mangelndes Einverständnis des Partners mit der Wahl des Objekts, etc. sein. Der Anwalt rät Wohnungssuchenden, die vom Makler wegen eines nicht zustande gekommenen Immobiliengeschäfts zur Kasse gebeten werden, ihren Fall von Konsumentenschutzorganisationen prüfen zu lassen. Tip: Nichts anzahlen. Wallner: "Eine Anzahlung der Provision ist verboten." Dem Makler stehe sein Honorar erst zu, wenn der endgültige Kauf / Mietvertrag unterschrieben sei. Die Zeiten, wo man sich bei Massenbesichtigungen um Wohnungen raufen mußte, sind vorbei. Auch solle man dem Makler nichts geben, was ihm nicht gebührt. "Wenn man schon eine Anzahlung der Kaufsumme leistet, dann direkt an den Abgeber." Da viele Makler insolvent werden, sieht der Konsument sein Geld möglicherweise nie wieder. "Vorsicht bei GesmbH!"
Quelle: KURIER | 11.5.1998 Seite 33