Das Oberlandesgericht Wien interpretiert das Makler- und Vertragsrecht neu. Hält der Spruch, könnten frei vereinbarte Maklerhonorare steigen.
Wien – Eine überraschende Neuinterpretation der Regelung für Maklerprovisionen hat das Oberlandesgericht Wien (OLG) vorgenommen. In seinem Beschluss vom 22. April (33 R 21/20f) hat der Richtersenat die Berufung eines Hotelinvestors abgewiesen, der die vom dienstbaren Realitätenvermittler verlangte Vermittlungsprovision in der Höhe von drei Prozent des Kaufpreises als zu hoch abgelehnt und in der Folge nicht gezahlt hatte.
Die Höhe der Maklerprovision richte sich primär nach der Vereinbarung der Parteien, stellt das OLG in seinem Erkenntnis fest. "Ist über die Provisionshöhe nichts Besonderes vereinbart, so gebührt dem Makler die für die erbrachten Vermittlungsleistungen ortsübliche Provision." Das ist der Punkt, denn die Vorstellungen über diese Ortsüblichkeit gehen oft weit auseinander.
Provision angemessen?
Zur Orientierung gibt es die Immobilienmaklerverordnung. Diese schreibt vor, dass die Provision für die Vermittlung des Kaufes einer Liegenschaft bei einem Kaufpreis von mehr als 36.336,42 Euro "den Höchstbetrag von drei Prozent nicht übersteigen darf". Im Lichte der Rechtssprechung sei die von der Klägerin verlangte Höchstprovision "jedenfalls ortsüblich, sodass es auf die Angemessenheit der Provisionshöhe nicht mehr ankommt", beschied das OLG.
Das ist starker Tobak. Denn ein Grundprinzip der Privatautonomie lautet, dass das wirksame Zustandekommen eines Vertrages zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraussetzt. Das gilt auch im Maklerrecht: Laut § 6 Abs 1 MaklerG ist man zur Zahlung einer Provision nur verpflichtet, wenn das Geschäft durch die vertragsgemäße Tätigkeit des Maklers zustandekommt. Freilich könnte jeder Vertrag auch schlüssig (konkludent) zustandekommen, einfach dadurch, dass der eine Vertragspartner seine Leistung anbietet und der andere sie in Anspruch nimmt und ihr nicht widerspricht. Viele Entscheidungen zum Maklerrecht gehen von so einem schlüssigen Abschluss eines Maklervertrags aus. Doch im vorliegenden Fall hatte die Beklagte sogleich widersprochen.
Ortsüblich und angemessen
Genau das ist der Punkt, um den die Parteien streiten. Das Erstgericht hatte dazu nichts festgestellt, und das Berufungsgericht hält den erklärten Widerspruch – siehe oben – für unerheblich und erblickt keinen Feststellungsmangel. Auch ein Gutachten zur Ortsüblichkeit und Angemessenheit sei nicht erforderlich, schließlich sei der Maklervertrag schlüssig zustande gekommen.
Das Erstgericht hatte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Angemessenheit der verlangten Provision ausgeschlagen. Das OLG wies dieses Begehren des beklagten Hotelkäufers sogar ab. sah darin gar einen "unzulässigen Erkundungsbeweis", der einzig dem Zweck diente, "dass es der Beklagten "um die Ausforschung der Höhe der ortsüblichen oder angemessenen Provision gegangen ist".
Drei Prozent sind sicher
Dass die Maklerprovision per Verordnung gedeckelt ist und die drei Prozent des Kaufpreises die absolute Obergrenze darstellen, fällt in dem Erkenntnis völlig unter den Tisch. Denn laut OLG-Spruch haben Provisionsfeststellungen zwischen Käufer und Verkäufer ohnehin keine Auswirkungen auf den Provisionsanspruch. "Nach diesem Urteil spielt es keine Rolle mehr, ob der Interessent zum Makler gesagt hat "die drei Prozent zahle ich nicht", sagt der auf Maklerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Benedikt Wallner. Er ist mit dem Fall nicht befasst, beobachtet ihn aber mit Argusaugen. Denn er sieht das Maklerrecht ausgehebelt, sollte der Oberste Gerichtshof dieses OLG-Urteil bestätigen. "Der Makler kriegt immer seine drei Prozent, die laut Gesetz allerdings nur als Höchstgrenze gedacht waren. Letzteres übrigens auch ohne unterschriebenen Maklervertrag."
Konsens irrelevant?
Auch das Vertragsrecht wäre massiv betroffen. Denn dann wäre ein Konsens über die Provisionshöhe für den Abschluss eines Maklervertrags nicht mehr erforderlich. Zudem galt nach bisheriger Judikatur, dass eine stillschweigende (konkludente, schlüssige) Auftragserteilung dann anzunehmen ist, wenn der Interessent die vom gewerbsmäßigen Realitätenvermittler für ihn entfaltete Tätigkeit kennt und ihr nicht widerspricht (siehe RIS-Justiz RS0062658). Allerdings hatte der Immobilienkäufer in dem dem Zivilgerichtsverfahren vor dem Landesgericht Krems vorausgegangenen Tauziehen der Geschäftspartner über die Höhe der Provision ebendieser Forderung (mündlich) widersprochen.
"Zweifel, ob eine schlüssige Auftragserteilung erfolgt sei, gehen stets zulasten des Maklers", verweist Anwalt Wallner von Wallner Jorthan Rechtsanwälte auf die gängige Judikatur des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 604/93), "er ist für das Zustandekommen des Vermittlungsauftrages beweispflichtig", nicht der Kunde.
Feilschen um die Provision
Ob der Hotelkäufer die eingeklagten 288.000 Euro an Maklerprovision nachzahlen muss, bleibt in dem an Wendungen reichen Fall abzuwarten. Am Anfang des Geschäftsfalles stand ein Inserat, in dem ein Hotel feil geboten wurde. Jedes der involvierten Maklerbüros verlangte eine Provision jenseits der 600.000 Euro. Als der Kaufvertrag vom 3. April 2018 über 34 Millionen Euro unterschrieben wurde, belief sich die verlangte Provision auf je 510.000 Euro, was der Käufer ablehnte.
So sank die nunmehr eingeklagte Provisionshöhe zunächst auf 420.000 Euro, im Juni auf 275.000 Euro zahlbar binnen fünf Banktagen. Da sich der Hotelinvestor noch immer zierte, bot die Klägerin weitere 5000 Euro Preisnachlass (alle Angaben netto, also exkl. Umsatzsteuer) an. Daraufhin überwies der Käufer fristgemäß 318.000 Euro, den Rest erst im August – nach Meinung des einen Maklers zu spät und nicht vollständig, weshalb er Klage einbrachte. Dem zweiten Makler war das den Maklerhöchstsatz deutlich unterschreitende Honorar übrigens ausreichend.
Quelle: derstandard.at, Luise Ungerboeck,