LINZ/WIEN. Vor genau einem Jahr ging der Baukonzern Alpine pleite. Die OÖNachrichten analysieren, wie viel Geld die Gläubiger sehen werden, was mit den Mitarbeitern passiert ist und welche Gerichtsprozesse laufen.
Bis zuletzt hatten das Management und die finanzierenden Banken an die Rettung geglaubt. Doch während der Alpine-Vorstandschef in Interviews die Entwarnung verkündete, kam zu Mittag ein Anruf von der spanischen Mutter FCC: Es gibt kein frisches Geld. Das war am Dienstag, dem 18. Juni 2013. Am Tag darauf musste die Alpine Bau Insolvenz anmelden, die größte Pleite der Zweiten Republik war Realität.
Ein Jahr später ist klar, die Gläubiger sehen nur einen Bruchteil ihrer Forderungen wieder. Masseverwalter Stephan Riel spricht im OÖN-Gespräch immerhin von einer Quote "fünf Prozent auf oder ab". In mühevoller Kleinarbeit habe ein Massevermögen von 120 Millionen Euro gesammelt werden können. Anfangs schienen nur nullkomma-X Prozent auf 8000 Gläubiger aufzuteilen zu sein.
10.000 Bauwerkzeuge verkauft
Inzwischen seien fast alle 10.000 Positionen, die im Anlagevermögen erfasst gewesen sind, verwertet oder auf einem strukturierten Weg dorthin, sagt Riel.
Von den im Inland betroffenen 4500 Alpine-Bauarbeitern seien 90 Prozent wieder in Beschäftigung, lautet die Aussage der Baugewerkschaft. "Wir kennen keine Fälle, wo nach der Winterpause frühere Alpine-Mitarbeiter nicht wieder vom damaligen Übernehmer genommen worden wären", sagt Harald Dietinger von der Gewerkschaft Bau-Holz für Oberösterreich. Bundesweit bestätigt Baugewerkschafter Josef Muchitsch, dass arbeitslose Alpine- Bauarbeiter kein Thema seien.
Schwieriger nachzuvollziehen sei die Situation der Angestellten. Doch weil stets ganze Teams zu Konkurrenten wie Habau oder Swietelsky wechselten, sind auch hier die meisten noch an Bord. Beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich sind noch 17 großteils ältere ehemalige Alpine-Beschäftigte vorgemerkt. Acht von ihnen haben seit dem Zusammenbruch des Salzburger Unternehmens keinen Job mehr bekommen. 43 weitere sind in eine Arbeitsstiftung eingetreten, davon hat etwa ein Drittel wieder einen Arbeitgeber.
Da die meisten Partien in der Branche geblieben sind, ist eine Kapazitäts-Bereinigung durch den Wegfall des zweitgrößten Baukonzerns in Österreich ausgeblieben. Das Insolvenz-Verfahren selbst wird nach der Einschätzung des Masseverwalters noch sechs, sieben Jahre dauern.
Die größten Aufgaben bleiben das Klären offener Forderungen, die Bauherren nicht mehr zahlen wollen. Gleichzeitig fordern Kunden Schadenersatz in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro von Alpine, die Riel nicht anerkennen will. Dazu kommen, wie berichtet, weitere Klagen und Prozesse. (sib)
Prozesslawine wegen Alpine-Anleihen
7500 Anleger haben 290 Millionen Euro in drei Alpine-Anleihen investiert, die 2010, 2011 und 2012 emittiert wurden. Ihnen droht ein Totalausfall.
Eine „Prozesslawine wie bei Meinl und Immofinanz“ erwartet der Linzer Anwalt Michael Poduschka. Er vertritt 450 Anleger, 30 Klagen gegen Banken wurden schon eingebracht.
Einerseits wirft Poduschka Banken, die die Papiere verkauft haben, Falschberatung vor. Andererseits sollen Banken, die die Anleihe-Emissionen abgewickelt haben (Bawag, Bank Austria, Raiffeisen Bank International, Erste Group), haften. Anleger seien nicht über die Interessenskollision der Banken aufgeklärt worden, sagt Poduschka: „Der Emissionserlös wurde verwendet, um Bankschulden der Alpine zu tilgen.“ Außerdem sei nicht auf das sehr hohe Risiko der Papiere „im Vergleich zu allen anderen Unternehmensanleihen“ hingewiesen worden.
Poduschka verweist auf den laufenden Prozess zwischen sieben Banken und der Republik, bei dem die Institute vom Staat Garantiezahlungen für Alpine-Kredite verlangen. Dort würden die Banken argumentieren, dass sie die Alpine intern schon 2009 nur mit dem Rating „BB“ versehen hätten.
Anwalt Benedikt Wallner aus Wien hat zwölf Klagen eingebracht, 100 sind in Vorbereitung. Es gehe darum, ob die Banken bei der Emission wussten, dass Alpine nicht zurückzahlen wird können, und ob sie dafür haften. „Ich sage in beiden Fällen ja“, so Wallner. Er bereitet mit dem deutschen Prozessfinanzierer Foris auch eine Sammelklage vor. 450 Interessenten gibt es schon.
Die Banken weisen die Vorwürfe der Anwälte zurück. (az)
Quelle: nachrichten.at, 18. Juni 2014