Für Immofinanz-Chef Eduard Zehetner ist rechtlicher Vergleich mit Anlegern kein Thema. Vom Finanzvertrieb AWD hält er nicht viel. Richter bastelt für 3474 Anleger ein 200-Millionen-Euro-Musterverfahren. Immofinanz-Chef Zehetner sieht sich in guter rechtlicher Position.
Wien. Die Immofinanz-Gruppe unter Vorstandschef Eduard Zehetner ist nach wie vor mit Hunderten Klagen von Anlegern konfrontiert, die sich durch mutmaßliche Machenschaften in der Ära von Karl Petrikovics & Co geschädigt fühlen. So hat der Prozessfinanzierer AdvoFin mit Hilfe von Anwalt Friedrich Schubert 160 Verfahren mit einem Streitwert von mehr als 200 Millionen Euro für 3474 Anleger, darunter sind auch sechs namhafte Kapitalanlagegesellschaften und 20 Stiftungen, beim Handelsgericht Wien eingebracht. Rund 40 Millionen Euro Schaden haben die Anwälte Andreas Köb, Michael Poduschka und Benedikt Wallner für Anleger mit Deckungen von Rechtsschutzversicherungen eingeklagt. Letztere haben sich mit einem tausend Seiten starken Gutachten des Sachverständigen Manfred Biegler gewappnet, der auch in den Fällen Amis, MEL und Imperial tätig ist.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe stehen angebliche Markt- und Kursmanipulationen, eine Täuschung der Anleger durch Fehlinformationen und irreführende Angaben, zweckwidrige Verwendung der Anlegergelder sowie die "Entreicherung" von Immofinanz und Immoeast. Für Immofinanz-Chef Eduard Zehetner ist seine Gruppe der falsche Adressat für die Klagen. Die Immofinanz sieht sich selbst als Opfer von Petrikovics & Co. Nun sollen die beiden Verfahrensgruppen zu zwei Mega-Musterverfahren - zeitlich befristet - gebündelt werden, um je ein Gutachten "über die gemeinsamen Sachverhalte" erstellen zu lassen. Zur Urteilsfindung sollen diese aber wieder in Einzelverfahren aufgetrennt werden. Die Immofinanz legt gegen die Zusammenlegung in Sachen AdvoFin (Aktenzahl 49 Cg 173/11z) Rechtsmittel ein. Mit dem ersten ist man bereits abgeblitzt. Sie vermutet auch, dass sich das Gericht damit einfach nur die Einvernahme der Anleger ersparen will.
Immofinanz kontert
"Das hat es noch nie gegeben. Wir werden auf eine Einvernahme der Parteien bestehen", sagt Immofinanz-Chefjurist Josef Mayer zur "Wiener Zeitung". "Auf das Gutachten freuen wir uns, das wird die Geschichte der Immofinanz sein, denn sie müssen den möglichen Schadenszeitraum vom ersten bis zum letzten Kläger abdecken." Nachsatz: "Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Es wird daran scheitern, dass die Gutachtenserstellung ewig lang dauern und das Gutachten ein Monster sein wird." Schon in den Strafverfahren gehe nichts weiter, weil die Gutachter mit der Komplexität des Falles überfordert sind." Indes wird auch vermutet, dass das Gericht Immofinanz und Anleger mit der Bündelung zu Vergleichsverhandlungen bewegen will.
Ein Vergleich ist für Zehetner kein Thema. "Jeder einzelne Fall ist anders gelagert. Wir haben darunter den Vorstandsdirektor, der eigentlich nur ein Sparbuch wollte, bis hin zum alten Mutterl, dem vom AWD etwas umgehängt wurde", sagt Zehetner. "Wenn jemand streiten will, muss er die Themen mit uns ausstreiten. Unsere kaufmännische Sorgfaltspflicht ist, Schaden vom Unternehmen abzuwehren." Nachsatz: "Wir müssen die Aktionäre, die Immofinanz-Aktionäre bleiben wollen, davor bewahren, dass jene Aktionäre, die keine Immofinanz-Aktionäre mehr sein wollen, ihnen nicht das Geld aus der Tasche ziehen." Denn Vergleichszahlungen müssten am Ende die 70.000 Immofinanz-Aktionäre berappen.
Indes stellt Zehetner klar, dass "alte Mutterln" keine geeigneten Aktionäre sind. "Ich bin der Meinung, dass hier mit AWD-Maßnahmen Leute zu Aktionären gemacht wurden, die besser keine Aktionäre geworden wären", sagt Zehetner. "Nur das war nicht ungesetzlich und viele wollten es auch - ohne die eigene Einkommens- und Vermögenssituation reflektiert zu haben." Nachsatz: "Mit einer - aber rechtlich nicht existenten - Fürsorgepflicht hätte man diese nicht zu Aktionären machen dürfen. Ich halte das auch für unmoralisch." Der Strukturvertrieb AWD bestreitet alle Vorwürfe.
Quelle: Kid Möchel, Wiener Zeitung, 30.5.2012