Schauen wir uns das aufsehenerregende Drohnenabschussurteil[1] aus Deutschland etwas näher an:

Keineswegs hat der Pilot des 1.500,00 EUR teuren Fluggeräts den Familienvater, der eine Kameradrohne über seinem Grundstück mit einem Luftdruckgewehr „erlegt“ hatte, auf Schadenersatz geklagt.[2] Man kann es nicht oft genug sagen: Das wäre dann eine Zivilsache gewesen.

Es war aber eine Strafsache.[3] Nur dort kann es überhaupt um „Notwehr“ gehen.[4] Ging es aber auch nicht (sondern um Notstand, s.u.). Der angeklagte Schütze verantwortete sich damit, dass seine drei- und siebenjährigen Töchter aus Angst vor der über dem Grundstück fliegenden Drohne schreiend zu ihm liefen. Seiner Frau, die gerade aus dem Haus kam, um den Hausmüll zu den etwa 30 Meter entfernten Tonnen zu bringen, folgte die Drohne gezielt in ihren Bewegungen (sie muss sie also „gesehen“ haben).

Die Aussagen des Drohnenpiloten waren widersprüchlich. Die Drohne flog in nur fünf bis 15 Metern Höhe über das Grundstück des Angeklagten, dessen Luftgewehr handelsüblich, also freiverkäuflich war. Bevor er schoss, machte er noch einen Ausruf, dass die Drohne entfernt werden soll, der aber vielleicht in dem Geräusch des Betonmischers, den der andere Nachbar gerade in seinem Garten laufen ließ, unterging. Schon der zweite Schuss traf, die Drohne fiel auf das Garagendach des Angeklagten. Totalschaden (der Drohne;[5] das Dach blieb heil).

Der Schuss war zweifellos Sachbeschädigung, und die war, wegen besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, auch noch nicht verjährt. Aber sie war wegen „Notstand“[6] nicht zu bestrafen. Mit derselben Rechtfertigung darf man etwa auch aufsichtslos jagende Hunde, die sich durch Worte nicht vertreiben lassen, totschießen[7] oder Teile eines Feldes mit gentechnisch verändertem Weizen zerstören,[8] immer vorausgesetzt, dass die Beschädigung oder Zerstörung zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht (Defensivnotstand; Notwehr rechtfertigt einen zwar ähnlich, aber zur Abwehr eines menschlichen Angriffs).

Gefahr muss also dem Schützen gedroht haben. Wem, ist damit klar. Aber was muss eigentlich gefährdet sein? Individuelle Rechte und Rechtsgüter aller Art wie Eigentum, Hausrecht sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sagt das Gericht. Klingt soweit logisch, aber noch reichlich abstrakt. Und jetzt wird es spannend, weil doch die Drohne eine Kamera an Bord hatte, mit der, man weiß es, keine Polaroids geschossen werden; vielmehr könnte das Bild oder gar ein Video in Echtzeit bereits im Netz stehen, sobald die Drohne am Himmel erscheint.

Hier war also eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits eingetreten, „welche weiter intensiviert und aufgrund mehrerer anwesender Personen vervielfältigt zu werden drohte“, und zwar in der Ausprägung des Rechts am eigenen Bild, also einem autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, der nicht nur die enge persönliche Lebenssphäre schützt, sondern auch die Befugnis gewährt, sich individuell zurückzuziehen, abzuschirmen oder für sich zu bleiben. Ist das nicht nur das Innere eines Gebäudes? Nein. Die Bereiche eines Wohngrundstücks sind typischerweise Rückzugsorte, weshalb Beobachtungen anderer Personen als „Ausspähung“ das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen. Schon wer davon Fotos anfertigt, greift in das Selbstdarstellungsrecht des Betroffenen ein. Das Bildnis von der Person des Abgebildeten wird damit losgelöst und damit in dieser konkreten Form dessen Kontrolle und Verfügungsgewalt entzogen (m. a. W.: Ich entscheide, welches Bild die Öffentlichkeit von mir und meinem Rückzugsort bekommt). Erschwerend kommt der Angriff „von oben“ hinzu, mit der die aufgenommene Person nicht automatisch rechnet, ja diesen unter Umständen nicht einmal mitbekommt: „Eine solche Heimlichkeit der Aufnahme führt zu einer gesteigerten Erheblichkeit der allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung“.[9]

Man darf von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, nicht unbefugt eine Bildaufnahme herstellen oder übertragen und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzen,[10] was auch für Drohnenführer gilt. Der hat sich also auch strafbar gemacht, wurde aber nicht angezeigt.

Aber ist denn ein Grundstück ein „besonders geschützter Raum“? Ja, wenn es ein durch Hecken oder Mauern sichtgeschützter Garten ist.

Ob die aufgenommenen Kamerabilder auch gespeichert werden, ist ohne Bedeutung. Übertragung einer Bildaufnahme liegt auch im Fall einer Echtzeitübertragung vor, und offenbar hat der Drohnenführer die Frau des Angeklagten gesehen, ist doch die Drohne ihren Bewegungen gefolgt.

Wie in Österreich auch erstreckt sich das Recht des Eigentümers an seinem deutschen Grundstück auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche, im Prinzip also unbegrenzt. Freilich gibt es irgendwo Grenzen: Einwirkungen in solcher Höhe (oder Tiefe), dass der Eigentümer an ihrer Ausschließung kein Interesse mehr hat, muss er hinnehmen. Doch hier flog die Drohne ja höchstens 15 Meter hoch. Dazu kommen noch spezifisch luftfahrtrechtliche Beschränkungen. Die zumindest die US-amerikanische Luftfahrtbehörde schon dazu veranlasst haben, Drohnenführer davor zu warnen, Pistolen, Bomben, Feuerwerkskörper oder Flammenwerfer an ihre Drohnen zu flanschen.[11] Das wiederum könnte für jene russischen Studenten von Interesse sein, die eine Drohne entwickelt haben, die mit einer Schrotflinte ausgerüstet ist.[12]

So, und jetzt kommt die Frage: Wann liegt wirklich eine Notstandssituation vor? Man möchte meinen, wenn wirklich gar nichts anderes mehr hilft, nicht einmal Flucht. So ähnlich ist es auch, nach deutschem Recht, und nach österreichischem ungefähr so: Eine Eingriffshandlung im Rahmen des Notstandes ist nur dann erlaubt, wenn sie die geringste mögliche Verletzung der fremden Interessen darstellt, objektiv geeignet ist, drohende Gefahr abzuwenden und außerdem der letzte Ausweg ist.[13] Also, fragt man sich, hätte es unser Herr Schütze nicht vielleicht zuerst noch mit gutem Zureden, Herbeirufung der staatlichen Macht (Polizei, Gericht), oder gar Flucht versuchen müssen, bevor er schoss? Musste er denn das Ding gleich zerstören? Ja, sagt das Gericht. Denn angenommen selbst, er wäre geflohen, hätte das ja die drohende weitere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes allenfalls verringert, nicht aber vollständig abgewendet. Und: „Soweit vereinzelt vorgeschlagen wird, Drohnen könnten mit einem Gartenschlauch zu Boden gebracht werden, stellt dies aus der Sicht des Gerichts keine geeignete Maßnahme dar, zumal auch in diesem Fall davon ausgegangen werden muss, dass die Drohne zerstört werden würde.“

Man sieht, was das Gericht vor allem stört ist die Kamera! Rechtlich, die Verletzung des Rechts am eigenen Bild.[14] Also Datenschutz, in letzter Konsequenz. Mithin Zivilrecht. Jedenfalls dort, wir sagen es immer wieder, wo Datenschutz mit den Mitteln des Schadenersatzes verwirklicht wird. Für den gibt das deutsche Urteil, in einer Strafsache ergangen, nichts her. Oder doch?

Doch: Denn das Strafgericht musste ja abwägen, ob der Abwehrschaden zu der drohenden Gefahr „nicht außer Verhältnis steht“, m. a. W., ob man eine 1.500,00 EUR teure Drohne zerstören darf, bloß um nicht gesehen zu werden. Darf man, wenn man bedenkt, dass – würde die Beeinträchtigung der Nutzbarkeit eines 980 qm großen Grundstücks etwa in einem zivilrechtlichen Streit um eine Entschädigung beziffert – der Wert kaum unter dem Betrag iHv 1.500,00 EUR liegen würde; sondern eher bei 4.000,00 EUR.[15]

Diese 1.500,00 bis 4.000,00 EUR werden wir einmal vorläufig, bis zur Konkretisierung von Ersatzbeträgen durch reichere Rechtsprechung, zum Anhaltspunkt unserer Schadenersatzklagen nehmen.


[1] z. B. https://www.derstandard.at/story/2000105517382/vater-schoss-drohne-ab-so-begruendet-gericht-aufsehenerregendes-urteil, abgerufen am 29.08.2019.

[2] So aber https://www.derstandard.at/story/2000102295179/gartenbesitzer-schiesst-drohne-ab-gericht-erlaubt-selbsthilfe, abgerufen am 29.08.2019.

[3] Amtsgericht Riesa Urteil vom 24.04.2019 – 9 Cs 926 Js 3044/19.

[4] https://www.dirks.legal/2019/06/26/in-notwehr-mit-kanonen-auf-drohnen-ag-riesa-urt-v-24-4-2019-9-cs-926-19/, abgerufen am 29.08.2019.

[5] Quadrocopter 40x40 cm, mit Kamera ausgestattet; kann aus einer Distanz von bis zu einem Kilometer gesteuert werden.

[6] § 282 BGB

[7] RGSt; RGSt 32, 295 vom 17.06.1901

[8] OLG Naumburg, 25.05.2010 - 9 U 116/09

[9] unter Berufung auf AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, AZ 37 C 454/13, in dem das Gericht den Beklagten unter Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu € 250.000,00 oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zur Unterlassung verurteilt hatte, mit einem funkgesteuerten Fluggerät (Flugdrohne) das Grundstück des Klägers, gleich ob mit oder ohne Kamera ausgestattet, zu überfliegen und es zu unterlassen, Aufnahmen vom Grundstück oder von dem auf dem Grundstück befindlichen Personen anzufertigen.

[10] § 201a Abs 1 Nr. 1 DSDGB

[11] https://www.faa.gov/news/updates/?newsId=94424, abgerufen am 29.08.2019.

[12] https://www.derstandard.at/story/2000100542683/russische-drohne-mit-schrotflinte-gegen-andere-drohnen, abgerufen am 29.08.2019.

[13] RIS-Justiz RS0027179.

[14] Lt. Urteil erreichte der Eingriff durch das „Verfolgen“ der Ehefrau sowie die überaus geringe Höhe des Fluges eine deutlich über eine bloße Lästigkeit hinausgehende Intensität und war nicht mehr nur eine kindlich-unschuldige Freizeitbeschäftigung wie etwa das Drachensteigen lassen oder ein Modellflugzeug, sondern eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch eine kameraausgestattete Drohne (Rz 45).

[15] AG Potsdam, Urteil vom 16.04.2015, Az.: 37 C 454/13, Streitwertfestsetzung.