Abgasskandal: Ansprüche prüfenVom Abgasskandal betroffen?

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Zwei Milliarden Euro Strafe für den VW-Konzern – theoretisch

Das Kraftfahrgesetz wurde kürzlich wieder einmal novelliert. [1] Zum 34. Mal schon, seit 1967. Ganze 84 Änderungen gibt es diesmal. Eine davon, die 77., lautet:

77. Dem § 134 Abs. 1c wird folgender Satz angefügt: „Betreffen die Verstöße mehrere Fahrzeuge, so bezieht sich die Strafdrohung auf jedes einzelne Fahrzeug.“

Welche Verstöße?

Gegen eine EU-Verordnung: [2]  Die verbietet jene Vorrichtung zum An- und Abschalten der Abgasreinigung, mit welcher der VW-Konzern beim Zulassungsverfahren gemogelt hat.

Und was für eine Strafdrohung?

Bisher stand im KFG: „Jemand, der gegen die EU-Vorschriften zur Betriebserlaubnis von Fahrzeugen verstößt, ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro zu bestrafen.“[3]

Warum stand das da?

Weil es die EU dem Mitgliedsstaat Österreich vorgeschrieben hatte, so:

„Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße von Herstellern gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“[4]

Sind „bis zu 5.000 Euro“ abschreckend?

Nein, fanden DIE GRÜNEN, und forderten schon 2015 eine Gesetzesänderung:[5] Für einen großen Automobilhersteller – wie den VW-Konzern, der (in den USA) zugegeben hat, eine illegale Abschalteinrichtung in Millionen von Fahrzeugen verbaut zu haben – hat eine Strafe von höchstens 5.000 Euro keine abschreckende Wirkung. Die Strafdrohung in Österreich verleite vielmehr dazu, die Autokonzerne zur Missachtung dieser Vorgaben einzuladen. Bei ca. 388.000 vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen in Österreich macht dies weniger als 1,3 Cent pro manipuliertem Fahrzeug aus. Das Verkehrsministerium sah das zwar schon damals anders, pro Auto könne eine Strafe von 5000 Euro verhängt werden. Aber nur theoretisch, das Gesetz habe keine Relevanz. Denn nur das Land, in dem die europäische Typengenehmigung ausgestellt wurde, dürfe strafen. Österreich sei aber kein Land der Autohersteller.[6]

Die Gesetzesänderung haben DIE GRÜNEN also jetzt endlich bekommen, seither beträgt die Strafdrohung – bei 388.000 Fahrzeugen – beinahe zwei Milliarden Euro.[7] „Durch diese Ergänzung wird unmissverständlich klargestellt, dass sich die Strafdrohung auf jedes einzelne Fahrzeug bezieht, wenn die Verstöße mehrere Fahrzeuge betreffen.“[8]

Also war es wohl vorher missverständlich unklar gestellt; man weiß nicht wieso.

Gestraft wird von Österreich dennoch nicht, weder abschreckend, noch überhaupt. Weil hierzulande keine Typgenehmigungen für vom Dieselskandal betroffene Autos erteilt wurden. Obwohl wir jetzt abschreckende Strafen hätten. Andere EU-Staaten haben sie erst gar nicht: 
Die EU-Kommission leitete gegen Deutschland, Luxemburg, Spanien und Großbritannien Vertragsverletzungsverfahren ein, weil diese Länder dem Volkswagen-Konzern für die Nutzung "illegaler Abschalteinrichtungen" keine Strafen auferlegt hätten, obwohl dies im jeweiligen nationalen Recht vorgesehen sei. Zusätzlich leitete die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Tschechien, Litauen und Griechenland ein. Diese hätten es versäumt, Strafsysteme für derartige Fälle in nationales Recht umzusetzen.

Wer nicht strafen kann, wird also bestraft. Man kann von Gesetzen halten was man will, einhalten sollte man sie trotzdem: Sie gelten, auch wenn man sie nicht mag.  

1) BGBl. I Nr. 9/2017, kundgemacht am 13.01.2017
2) Verordnung (EG) Nr. 715/2007
3) § 134 Abs. 1c KFG.
4) VERORDNUNG (EG) Nr. 715/2007 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2007 
über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, Artikel 13, Sanktionen.
5) Siehe dazu den Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1389/A(E) der Abgeordneten Georg Willi u.a. betreffend Abgasskandal: Zum Schutz der Verbraucherinnen, der Gesundheit und der Umwelt den Betrug beim Schadstoffausstoß von Kfz wirksam beenden und bestrafen; sowie Sanktionen: Nur 5000 Euro Strafe für Schummler? "Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015.
6) Sanktionen: Nur 5000 Euro Strafe für Schummler? "Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015.
7) Zum Vergleich: In den USA droht dem VW-Konzern eine Strafe von 4,3 Milliarden Dollar, also bei ca. 500.000 manipulierten Fahrzeugen in den USA 8.600 Dollar pro Fahrzeug.
8) EB zur 34. KFG-Novelle, BT zu Z 77 (§ 134 Abs. 1c).