Benedikt Wallner, Anwalt bei Deinhofer-Petri-Wallner. Kläger müssen hinnehmen, dass Verfahren sehr lange dauern. Warum aber in ein Schiedsverfahren zwingen?

Auch wir Klägeranwälte brauchen eine Lösung für das Problem, dass Anlegerverfahren nicht mehr in schicklicher Zeit zu einem Titel führen. Und wie kommen erst all die anderen Kläger dazu, hinzunehmen, dass die Gerichte - durch Tausende Anlegerklagen verstopft - nun auch für ihre Bausachen etc. keine Zeit mehr haben? Sie alle mussten die Justiz bereits vorab für ihr Tätigwerden bezahlen, wir natürlich ebenfalls: Denn Gerichtsgebühr wird bereits bei Klagseinbringung fällig. Massenhafter Vertrieb erzeugt eben auch Massenschäden, die werden immer wieder auftreten. Ein leichtsinniger Gesetzgeber, der darauf nicht reagiert, lässt derzeit zu, dass unser hohes, ausdifferenziertes Niveau der Rechtsverfolgung verfällt. Über so einen Verfall können sich nur die Rechtsbrecher freuen.

Skepsis

Dennoch ist Vorschlägen zur Justizentlastung mit Skepsis zu begegnen. Eine Entlastung der Justiz kann ja nicht der Zweck sein, sondern höchstens eleganter Nebeneffekt des eigentlichen Zwecks, selbst Tausenden Geschädigten noch in brauchbarer Form zu ihrem Recht zu verhelfen!

Beispiele dafür wurden von der Praxis längst entwickelt, vgl. jüngst das Amis-Urteil. Wenn tausendmal dieselbe Rechtsfrage und die ungefähr gleiche Tatfrage zu lösen anstehen, dann liegt es durchaus nahe, sie pars pro toto abzuarbeiten. Auch Rechtsverfolgung lässt sich rationalisieren. Massenkläger brauchen keinen Maßschneider; sie wollen einfach ihr Geld zurück, und das bei geringem Einsatz. In einem vorläufigen Schiedsverfahren kann so ein vollstreckbarer Vergleich - der wohl nicht allzu hoch ausfallen wird - für viele, vor allem kleinere Schäden wenigstens etwas Linderung bedeuten, noch dazu rasch. Die im Wohnrecht jetzt schon obligatorischen Schlichtungsverfahren verzögern und verteuern aber die großen Causen, weil das Verfahren im sukzessiven Instanzenzug wiederholt wird.

Recht

Das wird auch hier, beim angedachten Anlegerschiedsverfahren, wieder so sein. Warum also einen Kläger, der von vornherein Recht und nicht Mildtätigkeit anstrebt, zuvor in das Schiedsverfahren zwingen? Außerdem: Schließt man von vornherein die Klagsmöglichkeit (für einen bestimmten Zeitraum) aus, indem man ein obligatorisches Schiedsverfahren vorlagert, schraubt man damit das allgemeine Ersatzniveau tendenziell nach unten.

Quelle: WirtschaftsBlatt, Print-Ausgabe, 2012-09-05