Konsumenten bräuchten Berater, die im oft schwer verständlichen Dschungel der Finanzprodukte für sie da sind und ihnen das für sie beste, auf dem Markt erhältliche Produkt heraussuchen

Wofür brauchen Konsumenten Vermittler? Gibt es sie, weil es sie eben gibt? Weil sich in dieser Branche viel und leicht Geld verdienen lässt? Oder braucht sie eigentlich die Industrie, um ihre Produkte unter den Konsumenten abzusetzen und die Konsumenten Glauben zu machen, jemand Unabhängiger würde sie ihnen empfehlen? Und ist das den Konsumenten eh ausreichend klar? Wie dem auch sei, nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 62/11p ist die Welt wieder ein wenig besser geworden:

Faule Finanzprodukte hatten mehrere Väter, deswegen waren die tausenden Klagen der letzten Jahre einmal gegen den Vertrieb, ein andermal gegen den Emittenten, und in manchen Fällen auch noch gegen andere gerichtet. Jedoch, wurde der Emittent geklagt, so zeigte der mit dem Finger auf den Vermittler: der war's, der hätte "richtig aufklären" und "seine Kunden" richtig beraten müssen, so ein riskantes Produkt wie wir es herausgeben sei doch bitteschön nichts für den risikoaversen Kleinsparer! 

Das lange Warten

Wurde aber der Vertrieb geklagt, zeigte der flugs auf den Emittenten: was, bitteschön, können denn wir dafür, wenn die Herren im Nadelstreif horribile dictu krumme Sachen machen? Und das sehe man doch schon an dem eingeleiteten Strafverfahren, dass das krumm war, wer rechnet denn mit so was? Jetzt warten wir mal in aller Ruhe das Strafverfahren ab (bei LIBRO dauerte es zB 7 Jahre bis zur Anklageschrift - manchem Kläger geht inzwischen die Luft aus), das Warten freut auch die ob der tausenden Klagen überlasteten Handelsrichter, und dann wird man schon sehen, dass wir vom Vertrieb nichts falsch gemacht haben, indem wir nur auf das vertraut haben, was uns vom Emittenten gesagt wurde.

Geht so nicht, sagt der OGH, und macht sich dazu viele, kluge und abwägende Gedanken. Steht nämlich so nicht im Gesetz, das doch den Vertrieb zu eigener Sorgfalt verpflichtet. Der hätte nachprüfen müssen, ob das im Mindesten so stimmen kann, wie es ihm vom Emittenten gesagt wurde: Ob MEL sparschweinmäßig sichere, österreichische Aktien sind oder bloß außereuropäische Zertifikate. So ist es auch gleichgültig, aus welchem Grund die vermittelten Papiere an Wert verloren haben; auf den Ausgang des Strafverfahrens brauchen wir also gar nicht zu warten, die fehlerhafte Beratung macht den Vertrieb jedenfalls haftbar.

Finaler Schlag gegen ignorante Vermittler

Sapperlot, Sorgfalt! Woran erinnert uns das? Vor 20 Jahren hat es schon einmal eine Vermittlerbranche arg erwischt, als nämlich die Ziviljustiz anfing, zu erkennen, dass die "schwarze" Ablöse bei Mietwohnungen, die trotz strikten Verbots seit Menschengedenken Praxis gewesen war, auch vom Immobilienmakler zurückverlangt werden kann. Viele Unternehmen überlebten das nicht. Die Branche reorganisierte sich, führte Ausbildungsvorschriften ein. Wer heute noch als Immobilienmakler tätig ist, übervorteilt seine Kunden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr, sondern nützt ihnen. 

Finaler Schlag gegen ignorante Vermittler

Und in diese Richtung geht es nun auch bei den Finanzberatern. Der Marktführer hat schon längst angekündigt, künftig nur mehr geprüftes Personal einzusetzen. Pyramidenartige Anreizsysteme im Strukturvertrieb, die den Berater an der Front geradezu zwingen, auf Teufel komm raus Abschlüsse zu tätigen, auf dass die Ebenen oberhalb ein feines Auskommen haben, werden genauer beäugt, echte Pyramidenspiele wären schließlich strafbar. Schwarze Schafe oder schwarze Herde, so oder so wird der Markt gerade bereinigt.

Ganz am Ende könnte gar etwas herauskommen, was Konsumenten angesichts wegbrechender staatlicher Pension und erodierender Großbanken, die sich nur mehr mit Staatshilfe kurzfristig über Wasser halten, wirklich brauchen: Berater, die im oft schwer verständlichen Dschungel der Finanzprodukte just für sie da sind und ihnen das für sie beste, auf dem Markt erhältliche Produkt heraussuchen; und zwar weltweit, denn wozu sich auf den unterentwickelten Finanzplatz Österreich beschränken?

Dieses Ziel wäre einfach zu erreichen, müssten die Konsumenten die Berater selbst bezahlen (zB mittels Erfolgsprovision) und wäre es den Emittenten untersagt, den Beratungsunternehmen Provisionen zu gewähren - was in Österreich allerdings wieder nicht so gut kommt. Lieber erliegen wir der Illusion, die Tätigkeit des Beraters sei irgendwie "gratis" und dennoch für uns da. Ein Anfang wäre schon die deutliche Unterscheidung zwischen interessegeleitetem Vertrieb einerseits und unabhängigem Berater andererseits, um wenigstens offenbar zu machen, wes Brot wer isst.

Leser-Kommentar, Benedikt Wallner, derStandard.at, 5.8.2011

Autor: Dr. Benedikt Wallner, geb. 1963, Rechtsanwalt in Wien (Kzl. Deinhofer.Petri.Wallner), spezialisiert auf Verbraucher- und Anlegerrecht, vertritt u.a. die AK