Pensionsvorsorge war Verlustgeschäft / Musterprozess
Der Finanzberater, der von Tür zu Tür ging, jonglierte mit blank geputzten Reizworten wie "inflationsgesichert", "steuersparend" und "höchste Bonität". Er sprach von privater Pensionsvorsorge, die immer wichtiger werde. Am Ende übergab er eine Broschüre, in der zu lesen war: "Ihr Geld steht auf sicherem Terrain, und ebenso sicher wird es sich vermehren." Das hörte Frau M., die einst nur eine Mindestpension erhalten würde, damals gern. Sie hatte etwas gespart und legte dieses Geld nun in vermieteten Immobilien in Wien an. Das sei fast so sicher wie ein Sparbüchl, hieß es. Die Mieten würden steigen, so versprach man ihr, und damit auch ihre Gewinne.
Als Frau M. nach zehn Jahren die Früchte ernten wollte, teilte man ihr mit, dass leider gar kein Gewinn erzielt werden konnte. Im Gegenteil: Es sei ein Verlust zu beklagen. Die Anlegerin bekam von ihren 17.400 Euro, die sie in den zehn Jahren in monatlichen Raten eingezahlt hatte, nur noch 14.000 Euro zurück. Der Rest von 3.400 Euro (von den in Aussicht gestellten 8,5 Prozent Zinsen Rendite ganz zu schweigen) fällt unter das Kapitel Pech gehabt.
Wurde die Mindestpensionistin davor gewarnt? Wie Frau M. ging es Hunderten, vielleicht Tausenden Kleinanlegern. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte einen Musterprozess gegen den Anlageberater AWD (Allgemeiner Wirtschaftsdienst) und hat mit Hilfe von Rechtsanwalt Benedikt Wallner ein Urteil in zweiter Instanz erkämpft. Das Handelsgericht Wien rügt die mangelnden Aufklärung durch die vom AWD geschulten Vertreter und verurteilte AWD zur Rückzahlung des Verlustes. Der VKI sucht nun potenzielle Geschädigte und bereitet eine Sammelklage vor (siehe Zusatzinformation).
AWD-Anwalt Rainer Maria Kraft entgegnete, der VKI habe keineswegs eine "g´mahte Wiesen". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die ordentliche Revision allerdings ausgeschlossen.
Das Handelsgericht bewertete die Anlage in Immobilien, die teilweise noch gar nicht vermietet, ja nicht einmal noch fertig gebaut waren, als "typisches Risikogeschäft". Es führe wegen der hohen Verwaltungskosten "vorerst geradezu planmäßig zu einem Verlust des Anlegers." Frau M. war jedoch an einer "Geldanlageform mit geringerem Risiko als Alternative zum Sparbuch" interessiert. Der Berater glaubte - nach einer achtmonatigen Grundausbildung beim AWD - möglicherweise selbst daran, dass das Risiko im Vergleich zu eine Aktienspekulation geringer ist. Aus dem Urteil: "Er suggerierte ein Sicherheitsniveau ähnlich wie bei einem Sparbuch." Der bloße kursorische Hinweis, dass Schwankungen natürlich möglich seien", konnte "substanzielle Erläuterungen" über die Gefahr eines Kapitalverlustes nicht ersetzen.
Sammelklage: VKI sucht Geschädigte
Verlust Wer von einem AWD-Berater Kommanditbeteiligungen an der "Boden-Invest" (unter den Bezeichnungen "Flexibel", "Victor" oder anderen) vermittelt bekommen, gezeichnet und einen Kapitalverlust erlitten hat, kann sich beim VKI melden. Kosten für die Beteiligung an einer Sammelintervention: 70 Euro
Kontakt Kontakt Die Hotline erreicht man unter Tel. 0900 940 024 von Montag bis Freitag (9-15 Uhr) oder im Internet unter www.verbraucherrecht.at
Quelle: KURIER | 23.09.2004 | Seite 13 | von Ricardo Peyerl