Wie Auslandsösterreicher in Vietnam um eine Impfung kämpfen – und dabei vergeblich auf die Unterstützung durch die österreichischen Behörden hoffen.

In der letzten Juliwoche ging ein Foto durch österreichische Medien, wie es sich Message-Control-Architekten nicht besser hätten wünschen können. Darauf zu sehen: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), gewohnt leger-lässig in blauen Jeans, dunklen Turnschuhen, weißem Hemd und Sakko; neben ihm Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) im Anzug. Die beiden Herren stehen am Rollfeld des Flughafen Wien-Schwechat; im Hintergrund ein Container mit kostbarer Ware, auf dem die österreichische Fahne prangt.

Begleitet von pathetischen Worten wurden damals 50.000 Dosen Astra-Zeneca-Impfstoff von Österreich nach Tunesien verschickt. „Es ist ein Gebot der Stunde, die Menschen in Tunesien in dieser Situation nicht im Stich zu lassen und solidarisch zu handeln“, ließ Mückstein verlautbaren. Schallenberg zeigte sich „stolz, dass die Experten meines Hauses die Impfstofflieferung nach Tunesien so rasch bewerkstelligen konnten.“

„Als ich die Fotos samt den Aussagen gesehen habe, ist mir der Kragen geplatzt. Wir versuchen hier seit Monaten von der gleichen Regierung vergeblich Hilfe zu bekommen. Das finde ich traurig“, sagt Herr W., ein Auslandsösterreicher, der seit mehreren Jahren für ein in Österreich ansässiges Unternehmen in Vietnam tätig ist.

Sein Zorn gilt nicht nur der österreichischen Diplomatie, sondern auch dem Umstand, wie ungleich verteilt der globale Zugang zu Corona-Impfstoffen ist. W. hätte den „richtigen“ Pass eines reichen westlichen Landes, das über mehr als genug Impfstoff verfügt. Er befindet sich lediglich am falschen Ort. Denn während in Österreich Impfaktionen in Booten an der Alten Donau laufen, ist im Vietnam nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung vollimmunisiert. Und das in einem Land mit mehr als 96 Millionen Einwohnern.

Bisher ist der Vietnam glimpflich durch die Pandemie gekommen und galt als Musterbeispiel. Die Impfkampagne kommt aber nur sehr schleppend voran – und die Delta-Variante hat die Zahl der Fälle explodieren lassen. Frankreich hat sich daher entschlossen, seine Expats samt Familien in Vietnam selbst zu impfen. Die dortige Regierung unterstützt derartige Initiativen ausdrücklich. Auch die österreichische Community fragte mehrmals bei der Botschaft und im Außenministerium um die Lieferung von Impfstoffen an – allerdings vergeblich. Und dabei bleibt es auch. „Eine Versendung von Impfstoffen zur exklusiven Verwendung für AuslandsösterreicherInnen nach Vietnam oder in eine andere Weltdestination ist derzeit nicht in Planung“, erklärte das Ministerium auf Anfrage von FALTER.morgen.

Tatsächlich lieferte das Außenministerium sehr wohl Impfstoffe nach Vietnam – allerdings nur für die Botschaftsmitarbeiter in Hanoi. Der Vorschlag, man könne sich ja in Österreich impfen lassen, führt sich bei genauer Betrachtung selbst ad absurdum. Wer in Vietnam einreist, muss unabhängig vom Impfstatus einen 21-tägigen Aufenthalt in einer Quarantäneeinrichtung absolvieren, der selbst zu bezahlen ist, und anschließend sieben Tage in Selbstisolation verbringen. Zusätzlich braucht man eine spezielle Einreiseerlaubnis, deren Genehmigung bis zu zwei Monate dauern kann. Für viele Expats ist es nahezu unmöglich, ihren Arbeitsplatz für so lange Zeit zu verlassen.

W.‘s Anwalt Benedikt Wallner wandte sich daher an das Außenministerium und bezog sich auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, das laut der Völkerrechtskommission „Hilfe in Notfällen“ vorsieht. Stephan Wittich vom Institut für Europarecht und Internationales Recht von der Universität Wien meint: „Völkerrechtlich spricht nichts dagegen, es handelt sich um eine rein politische Entscheidung.“


Der logistische Zugriff auf die Impfstoffe liegt beim Gesundheitsministerium. Dort gab man sich auf FALTER.morgen-Anfrage jedoch überrascht. Das Außenministerium habe keine Anfrage für eine Impfaktion im Vietnam gestellt. An der Anzahl der verfügbaren Impfstoffe liege es jedenfalls nicht, wird versichert.

W. erhielt am Freitag überraschend einen Anruf, am Samstag wurde er geimpft. Er hatte Glück. Der Distrikt, in dem er wohnt, hat eine lokale Impfoffensive gestartet. Viele andere Auslandsösterreicher warten hingegen nach wie vor.

Timo Schober, FALTER.MORGEN, 09.08.2021 (FALTER 31/21)