Depotübertrag. Immer noch warten Brokerjet-Kunden auf die Übertragung ihrer Wertpapiere auf neue Depots. Viele beklagen Wertverluste, erste Schadenersatzbegehren wurden gestellt.

Wien. Der Wirbel um die Einstellung des Erste-Bank-Onlinebrokers Brokerjet setzt sich fort. Kunden, die von den zum Teil monatelangen Verzögerungen bei der Depotübertragung betroffen sind, berichten über immer wieder neue Facetten des Ärgernisses.

 

So können die Anleger zwar bis zur eigentlichen Phase des Übertrags noch via Brokerjet Wertpapiere verkaufen; an einem Tag im Jänner habe jedoch der Button zum Weiterleiten von Verkaufsaufträgen längere Zeit nicht funktioniert. „Das hat mich ein paar hundert Euro durch Kursveränderung gekostet“, sagt ein Betroffener.

Einem anderen Kunden, der wegen der Verzögerung des Übertrags bei der Bank nachfragte, wurde beschieden, er müsse zuerst einen dreistelligen Eurobetrag zur Deckung der anfallenden Spesen (!) überweisen, weil das Konto zu niedrig dotiert sei. Das habe er sofort getan, der Übertrag sei trotzdem nicht erfolgt.

Inzwischen beklagen etliche Anleger auch erhebliche Wertverluste in ihren Depots durch die eingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten – zumal es im Jänner einen Börseneinbruch gab. Auch Anwälte wurden schon eingeschaltet, um Ersatzforderungen bei der Erste Bank zu deponieren.

„Organisationsverschulden“

Einer davon ist der Wiener Rechtsanwalt Benedikt Wallner. „Eine Depotübertragungsdauer von mehreren Monaten ist nicht mehr sachlich gerechtfertigt“, sagt er zur „Presse“. Aus seiner Sicht trifft die Bank ein Organisationsverschulden: „Von einer Großbank kann verlangt werden, dass sie ein schnelles, funktionstüchtiges System einrichtet, das die Übertragung von Wertpapieren möglichst zeitnah auf ein vom Kunden gewünschtes Depot ermöglicht.“ Ebenso könne von ihr erwartet werden, dass bei einem Depotwechsel Wertpapiere nicht „verloren gehen“ (was einigen Anlegern ebenfalls, zumindest zeitweilig, passiert ist). Die Bank als Verwahrerin der Papiere müsse Auskunft darüber geben können, wo sie sich derzeit befinden.

Einen Schaden geltend machen könne man entweder im Rahmen der Naturalrestitution oder, wenn man die Papiere nicht mehr hält, als Differenzschaden, erklärt Wallner. Seien Depotpositionen im Zuge des Übertrags verschwunden (und nicht in der Zwischenzeit wieder aufgetaucht), habe man Anspruch auf Herausgabe.

Außerdem stellt sich für Wallner die Frage, ob nicht die Frist für die Kündigung der Depotverträge zu kurz war: Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen müsse die Bank bei der Kündigung eine angemessene Frist einhalten. „Wenn sie aber nicht in der Lage ist, den Kunden innerhalb der Kündigungsfrist ordentlich zu servicieren (und zwar – wie sie selbst mitteilt – weil es ,aufgrund der aktuell sehr hohen Anzahl an Anträgen für externe Überträge leider zu deutlichen Verzögerungen kommt‘), dann war eben die Frist nicht angemessen.“ Dass viele Überträge anfallen würden, wäre angesichts kolportierter 37.000 Brokerjet-Kunden vorauszusehen gewesen, meint der Anwalt.

Dürfen Gebühren anfallen?

Und die Übertragungsspesen? Müssen die Kunden für dieses Desaster wirklich auch noch zahlen? Die Bank erklärt dazu auf ihrer Website, sie habe die Spesen „um mehr als 50 Prozent auf 15,32 Euro inkl. USt. pro Position reduziert“ (www.sparkasse.at/erstebank/Privatkunden/Veranlagen/Brokerjet/externer-uebertrag). Es stellt sich aber die Frage, ob eine Bank, wenn sie ihre bisherigen Dienste eingestellt hat, überhaupt Spesen für die Depotübertragung verlangen darf.

Noch dazu werde Kleinanlegern oft geraten, Papiere möglichst diversifiziert zu halten – das bedeute aber, dass man mehrere kleine Positionen hat, sagt Wallner. „Und für jede einzelne Position müsste man 15,32 Euro zahlen. Das kann in Summe mehrere hundert Euro ausmachen.“ Der Jurist verweist auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH), in der es unter anderem um Depotübertragungsgebühren ging (6 Ob 253/07k). Hier entschied das Höchstgericht, die Gebühren seien zulässig – allerdings bei einem Depotwechsel, der vom Kunden ausging. Gehe die Depotübertragung aber von der Bank aus, wäre es laut Wallner „gröblich benachteiligend, dem Kunden den nicht von ihm verursachten Aufwand aufzuerlegen“.(cka)

Quelle: Die Presse 09.02.2016 | 10:11 |