Franken-Darlehen waren für Banken ein gutes Geschäft. 2008 wurden sie verboten. Noch bestehen 140.000 Verträge. Drei Betroffene schildern ihr Schicksal

 Brigitte Haas, medizinisch-technische Assistentin aus Niederösterreich, dachte vor neun Jahren, dass sie sich nicht auf die staatliche Pension verlassen könne. Sie sorgte daher privat vor. „Ein- bis zweihundert Euro im Monat wollte ich zur Rente dazu haben. Ich bin mit diesem Problem zu meiner Hausbank gegangen“, sagt sie. Dort redete man ihr ein Produkt namens „Pro Futura“ ein. Dieses sah folgende Zahlungen vor: 8.000 Euro als Einmalzahlung und 10.000 Euro für ein Zinsdepot.

Und schließlich 246.000 Euro als Einmalzahlung für zwei Lebensversicherungen. Diese stolze Summe brauchte sie nicht einzuzahlen. Denn dafür nahm sie einen Kredit auf, plus Spesen wuchs der gesamte Betrag auf 266.250 Euro. Der zuständige Bankberater sagte damals: In 25 Jahren werden die Lebensversicherungen so viel bringen, dass Haas den Kredit damit zurückzahlen kann. Und zugleich habe die heute 53-Jährige Anspruch auf die monatliche Privatrente. So weit zur Theorie.

Doch der Kreditbetrag ist dann in eine andere Währung geflossen – in den Schweizer Franken. Seither läuft das Kreditkonto von Haas immer auf Franken. Und wenn sich der Kurs verändert, trägt sie das volle Währungsrisiko. Als sie 2006 das Darlehen aufnahm, entsprachen ihre 266.250 Euro umgerechnet 412.075 Schweizer Franken. Durch den plötzlichen Frankenanstieg mit 15. Jänner diesen Jahres hat sich ihr Kredit empfindlich verteuert. Denn sie muss nun mehr Euro aufbringen, um die gleiche Summe Franken zu berappen. Rechnet man den Frankenkredit auf das heutige Kursverhältnis um, muss sie 396.684 Euro zahlen. Ein Währungsverlust von 130.434 Euro – und das ist noch nicht alles. Auch ihre zwei Lebensversicherungen haben sich unplanmäßig entwickelt. Sie schrumpften um 55.925 Euro. Addiert man Währungsdifferenz, Wertverfall der Lebensversicherungen und die damit verbundenen Gebühren, entsteht ein aktueller Gesamtschaden von 206.359 Euro.

„Vielleicht nimmt man mir jetzt mein kleines Haus weg. Wenn das passiert, dann nimmt man mir alles“, sagt Haas. Doch für ihr Heim kämpft sie nun. Mit einem der profiliertesten Advokaten auf diesem Gebiet, dem Wiener Rechtsanwalt Benedikt Wallner, geht sie gegen die Hausbank vor.

„Meiner Mandantin wurde ein Kredit eingeredet, den sie gar nicht gebraucht hätte“, sagt Wallner. 

Es ist kein Trost für Brigitte Haas, aber sie ist mit ihrem Finanzdebakel nicht allein. In Österreich existieren 140.000 Kreditverträge in Schweizer Franken. Die Kreditnehmer stehen mit insgesamt knapp 10 Milliarden Euro in der Kreide. Das bedeutet eine durchschnittliche Verbindlichkeit von 214.286 Euro pro Vertrag. Derzeit machen Fremdwährungskredite ein Drittel aller Kreditverbindlichkeiten in Österreich aus. Damit sind sie zu einem veritablen volkswirtschaftlichen Problem geworden, auch wenn sich die Schulden in den vergangenen Jahren um 23 Milliarden Euro reduziert haben. Das liegt vor allem daran, dass die Finanzmarktaufsicht (FMA) 2008 den Abschluss neuer Verträge verboten hat, die überwiegend mit unbedarften Kunden gemacht wurden. Verbraucherschützer und versierte Anwälte – wie etwa Benedikt Wallner, Eric Breiteneder oder Alexander Kaserer – bringen daher laufend Klagen wegen eklatanter Beratungsfehler für ein Produkt ein, das die wenigsten Kunden verstanden hatten.

Der 32-jährige Michael Kiener ist einer derjenigen, die mit dem Fremdwährungskredit überfordert waren. Der Oberösterreicher wollte sich im Juli 2008 eine 93-Quadratmeter in Marchtrenk kaufen. Kaufpreis: 120.000 Euro. Seine Bank riet ihm, einen Fremdwährungskredit aufzunehmen. Die Währung sei stabil und an den Euro gebunden. Zudem seien die Kreditzinsen bei den Eidgenossen sowieso niedrig. Und über einen Tilgungsträger – in diesem Fall eine Lebensversicherung – sollte ein Kapital aufgebaut werden, das am Laufzeitende die gesamte Kreditschuld auf einmal begleicht.

Wie im Fall Brigitte Haas war das nur für die Bank ein günstiges Geschäft. 2011 löste Kiener seine Lebensversicherung auf und verwendete das angesparte Geld für das Darlehen. Damit die Kreditverbindlichkeit sinkt, musste plötzlich die Rate im nächsten Monat erhöht werden. Warum das, fragte Kiener verdutzt seinen Bankbetreuer. Die Antwort: Die Bank ging davon aus, dass die Lebensversicherung jährlich um13 Prozent steigt.

Diese Traumrendite war allerdings Illusion. Der Kredit sollte aber so funktionieren, dass die Lebensversicherung den Kreditbetrag bei Laufzeitende tilgen kann. Da aber die Performance der Versicherung zu niedrig war, klaffte eine Lücke auf. Und die musste geschlossen werden: durch Kiener. Anfangs dieses Jahres hat er seine Wohnung verkauft – für 150.000 Euro. Die Freude über die Immobilienwertsteigerung von 30.000 Euro währte nur kurz. Der 32-Jährige zahlte die 150.000 Euro auf sein Kreditkonto. Doch er sollte noch weitere 15.000 Euro bezahlen; denn auch sein Kredit hat sich durch den Frankenanstieg verteuert. Alles in allem hat Kiener aus dem Kreditgeschäft einen Gesamtverlust von 57.976 Euro zu verdauen. Abgesehen davon, dass er und sein vierjähriges Töchterchen noch immer keine eigene Wohnung haben: „Zumindest bin ich beinahe schuldenfrei und schlafe wieder besser. Mit 32 Jahren beginne ich jetzt neu.“

Den schmerzhaften Ausflug in die Hochfinanz lässt Kiener jedenfalls nicht auf sich sitzen. Gerade bereitet er sich mit seinem Anwalt Eric Breiteneder auf den Prozess vor. „Ich habe zudem auf Facebook eine geschlossene Gruppe für Fremdwährungskreditnehmer eingerichtet. Mittlerweile gibt es schon 300 Mitglieder“, sagt Kiener.

Ein Fall ist besonders dramatisch: Leopold Zottl, 51-jährig, möchte von Fremdwährungskrediten überhaupt nichts mehr hören. Der Kranfahrer wollte sich ein Genossenschaftshaus in Niederösterreich kaufen. Seine zwei erwachsenen Kinder sind behindert, seine Frau leidet an Epilepsie. Zottl brauchte eigentlich nur 40.000 Euro – für den Genossenschaftsanteil. Sein Berater vom AWD (firmiert nun unter Swiss Life) riet ihm 2005 zu einem Fremdwährungskredit – in der Höhe von 100.000 Euro. Mit der Zahlung von weiteren 600.000 Euro drei Jahre später sollte das Reihenhaus dann zur Gänze ihm gehören.

Der AWD-Berater hatte noch eine Idee: Zottl sollte in Immofinanz-Aktien anlegen. Sein Erspartes (20.000 Euro) und 30.000 Euro aus dem Kredit sollte der gutgläubige Mann in Immofinanz-Titel anlegen. Er hoffte auf die Prophezeiung des Beraters: In drei Jahren werde sein Investment bei einem „Ertrag von neun Prozent“ auf 62.974 Euro steigen. Und damit könne er sich auch die 60.000 Euro für das Haus locker leisten. Seine Aktien sind heute nur ein Drittel wert.

Zottl, den die Fremdwährungsstrapazen in psychiatrische Behandlung trieben, hat sein Reihenhaus noch immer nicht kaufen können. Er ist dort nur Mieter. Seinen Kredit hat der Kranfahrer aufgelöst. Er einigte sich mit der Bank, die auf 23.000 Euro verzichtete. Zottl selbst hat das Abenteuer 75.248 Euro gekostet. „Ich kann nur einen Tipp geben: Niemandem was glauben und keine riskanten und unverständlichen Geschäfte eingehen“, sagt Zottl. Nun zieht er mit seiner Wiener Anwältin Isabella Jorthan gegen seinen AWD-Vertrauten wegen eklatanter Beratungsmängel vor den Kadi, um zumindest einen Teil seiner Kosten zurückzubekommen. Seine Chancen stehen nicht schlecht.

Tipps: Was Kreditnehmer machen können und worauf sie achten müssen

  1. Kontakt mit der Bank aufnehmen. Gehen Sie zu Ihrer Bank und konfrontieren Sie diese mit Ihrer Situation. Aber informieren Sie sich vorher beim Verein für Konsumenteninformation oder einem Anwalt.
  2. Schaden berechnen. Über die Homepage www.verbraucherrecht.at kann man den Schaden berechnen lassen, der durch den Fremdwährungskredit entstanden ist. Kosten:165 Euro.
  3. In Eurokredit umwandeln. Ältere Frankenkredit-Verträge mit einer Restlaufzeit unter zehn Jahren können in Euro-Kredite konvertiert werden. Achten Sie darauf, dass Ihnen keine neuen Kosten und Spesen dafür verrechnet werden.
  4. Kreditzeit strecken. Frankenkredite, die in ein bis zwei Jahren fällig werden, können auch gestreckt werden. So kann man darauf warten, dass der Frankenkurs wieder fällt, und danach tilgen.
  5. Konsumentenschutzgesetz 27). Mit dieser Norm könnten künftig Prozesse gewonnen werden, die bisher wegen Verjährung verloren wurden.
  6. Versicherung checken. Für den Kredit wurde oft eine Lebensversicherung verlangt. Nicht auflösen! Zum Teil garantieren sie hohe Zinsen.

Quelle: NEWS 19/2015, David Hell