Nur bei einem kleinen Teil des Alpine-Anleihevolumens wird versucht, Ansprüche zu verfolgen. Untätige institutionelle Investoren könnten in eine Haftungsfalle tappen.

WIEN/WALS. Die Ausfälle bei den drei Anleihen der insolventen Alpine-Holding dürften institutionelle Anleger wie Fondsmanager, Stiftungsvorstände oder Vermögensverwalter noch länger beschäftigen – auch wenn sie das schmerzliche Kapitel gern ad acta legen würden. Laut Compliance-Experten sind Verwalter fremden Vermögens gezwungen, Ansprüche zu verfolgen oder diese zumindest prüfen zu lassen. Tun sie das nicht, könnte ihnen selbst eine Haftung drohen – denn ganz aussichtslos scheinen rechtliche Schritte zumindest aus heutiger Perspektive nicht zu sein.

Zum Status quo: Der Salzburger Bauriese war 2013 in den Konkurs geschlittert. Der Konzern bestand aus einer Holding-Hülle (Alpine Holding), unter der sich als Tochter der tatsächliche Baukonzern (Alpine Bau) befand. Anleger zeichneten von 2010 bis 2012 bei der Holding drei Anleihen im Gesamtvolumen von 290 Millionen €. Nachdem der Konzern im Sommer 2013 bankrott war, war der Aufschrei unter den Anlegern natürlich groß. Neben der Arbeiterkammer stürzten sich im Wesentlichen drei aus früheren Anlegerfällen erprobte Anwälte auf den Fall: Eric Breiteneder, Benedikt Wallner und Michael Poduschka.

Mehrere 100 Kläger

Rückfragen bei den Kanzleien ergaben Folgendes: Bei Breiteneder haben sich bis dato 213 Anleger mit einem Ausfallsbetrag von 25,3 Millionen € gemeldet. Darunter sind elf institutionelle Anleger. Tatsächlich mandatiert wurde der Anwalt von 27 Geschädigten mit einem Schadensbetrag von 1,46 Millionen €. Poduschka vertritt rund 350 Anleger – vor allem Private – mit einem Ausfallsbetrag von acht Millionen €.

Wallner wiederum hat bereits 37 Klagen für Anleger mit einer Schadenssumme von 2,40 Millionen € eingebracht. Rund 300 Geschädigte führt er in seiner Kartei, diese Anleger haben 10,12 Millionen € verloren. Die Arbeiterkammer (AK) gab im Sommer bekannt, dass sie rund 300 Anleger mit 15 Millionen € Schaden vertritt.

Selbst ungeachtet etwaiger Geschädigten-Doppelzählungen zwischen Kanzleien und AK ergibt sich daher, dass sich Anleger von maximal rund 43 Millionen € (von 290 Millionen € Kapitalausfall) via Anwälte oder AK vertreten lassen, zumindest rechtlichen Rat eingeholt haben bzw. wenigstens irgendetwas in der Causa unternommen haben.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass der große Teil der Anleger untätig zu sein scheint und den schmerzlichen Verlust hinnimmt bzw. auf eine (wohl sehr magere) Quote aus dem Insolvenzverfahren hofft.

Verjährungsproblem

Und nun wird die Sache kompliziert: Denn wenn es sich um institutionelle Anleger handelt, verwalten die dahinterstehenden Personen fremdes Vermögen. Laut eines Compliance-Experten, (die Namensnennung muss wegen eines Mandats unterbleiben) befinden sich diese Fondsmanager, Stiftungsvorstände oder Personen mit ähnlichen Funktionen aber im Zugzwang. Sollte sich nämlich herausstellen, dass es Haftungsgegner im Fall Alpine gibt und Klagen gegen sie Aussicht auf Erfolg haben, dann muss der Anspruch auch verfolgt werden. Diese Aussage korrespondiert mit OGH-Rechtsprechung, wonach ein Geschäftsführer Untreue durch Unterlassung begeht, wenn er einen offensichtlichen Schadenersatzanspruch für das Unternehmen (im Fall Alpine: den Fonds, die Stiftung etc.) nicht verfolgt.

Noch etwas verzwickter ist die Situation deswegen, weil auch eine Verjährungsproblematik ins Spiel kommt. Ob im Fall Alpine Klagen gegen Banken oder die FCC (siehe auch S. 19) Erfolg haben, zeigt sich dann, wenn diese bei Gericht „durchgestritten" sind – das ist aber erst nach Ablauf der Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche oder Vertragsanfechtungen (noch für die Anleihe 2012) möglich. Ein Anschluss ans Strafverfahren schützt nicht unter allen Umständen vor Verjährung.

Katharina Müller (Willheim-Müller Rechtsanwälte) ist Stiftungsrecht-Expertin. Wie sollten sich daher nun beispielsweise Stiftungsvorstände verhalten, um im Fall Alpine nicht in die Haftungsfalle zu tappen? Müller verweist darauf, dass Chancen und (Kosten-)Risken etwaiger Klagen genau abgewogen werden müssen. Wird das Verjährungsproblem neutralisiert, sei bereits ein erster Schritt getan, so Müller: Erwirkt der Stiftungsvorstand einen Verjährungsverzicht oder wird eine Klage eingebracht und das Ruhen des Verfahrens bis zur Klärung von Vorfragen vereinbart, ist die Gefahr gebannt, dass man ihm irgendwann den Vorwurf macht, dass er sehenden Auges einen Anspruch hat verjähren lassen.

Absicherung

Wichtig sei laut Müller, dass der Stiftungsvorstand „sorgfältig entscheidet und sorgfältig dokumentiert": Denn entschließt er sich, nichts zu unternehmen, weil man schlechtem Geld nicht noch gutes hinterherwerfen will, kann auch ein transparenter Entscheidungsprozess haftungsbefreiend wirken.

Schaden kann es freilich auch nicht, wenn diese Entscheidungen mit der Einholung eines Rechtsgutachtens oder dem (dokumentierten) Ratschlag einer Anwaltskanzlei verbunden werden.

Mögliche Haftende: Berater, Syndikatsbanken, Konzernmutter FCC

Im Fall Alpine sind mehrere Schlagrichtungen zu beobachten, mit denen derzeit versucht wird, Ansprüche durchzusetzen – denn die Konkursquote wird eher mager ausfallen.

Ein Teil der Ansprüche vor allem privater Anleger betrifft Berater – meist bekamen die Investoren Alpine-Papiere von ihrer Hausbank angeboten. Das Argument ist hier, dass sie auf Risiken nicht ausreichend aufmerksam gemacht wurden.

Anlegeranwalt Benedikt Wallner etwa führt hier in seiner Argumentation aber Hintergründe ins Treffen, die auch institutionellen Anlegern Munition liefern könnten: Die Syndikatsbanken bei der Alpine-Anleihebegebung, bei denen die Garantien der Republik eine Rolle spielten, legten vereinfacht dargestellt ein internes Rating an. Laut Wallner ergab das „BB" – die Anleihe hatte aus Sicht der Banken somit Ramschstatus. Andererseits verkauften diese Banken aber wieder Anlegern diese Anleihen. Viele Private wollten nur „sichere" Papiere zeichnen, viele Institutionelle hätten aufgrund der festgelegten Investment-Kriterien gar nicht investieren dürfen, glaubten aber, ein Papier mit „investment grade" zu erwerben.

Strafverfahren

Eine weitere Gruppe von Ansprüchen beschäftigt sich mit dem Thema FCC. Hier ist es allen voran der Anwalt Eric Breiteneder gewesen, der auch als Erster Strafanzeige erstattet hat. Bei dieser Gruppe an Ansprüchen geht es etwa um Durchgriffshaftung oder Geldabflüsse nach Anleihebegebungen. Hier sind Prozesse bereits im Laufen.

Auch Masseverwalter Karl Engelhart ist nicht untätig – Klagen gegen die FCC oder den Abschlussprüfer werden eingebracht, sobald die Finanzierung steht. Wie bereits exklusiv berichtet wurde, geht es um einen Streitwert von 186,18 Millionen €.

Quelle: Wirtschaftsblatt, Oliver Jaindl, 28.11.2014