Auf den AWD Österreich rollt eine noch nie da gewesene Klagswelle zu. Es bestehen Zweifel daran, dass der Finanzdienstleister die Millionenklagen überlebt.

Kurt Rauscher war sichtlich bemüht, die Contenance zu wahren, als er diese Woche vor die Presse trat. Ganz gelang es dem AWD-Österreich-Chef aber nicht: „Wir lassen uns nicht durch den Kakao ziehen.“ Er wisse sogar von AWD-Beratern, die beim Kirchgang und im Wirtshaus angepöbelt würden. Dies sei auf eine „Hexenjagd“ des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) zurückzuführen, so Rauscher.

Der VKI hat 6.500 Beschwerden von AWD-Kunden denen Immofinanz-Aktien verkauft wurden, gesammelt und will im April eine Sammelklage bei Gericht einbringen. Geschätzter Schaden: 65 Millionen Euro. Gesammelt wird auch anderswo: Benedikt Wallner, einer der Anwälte, der von den Rechtsschutzversicherern ausgewählt wurde, hat 500 Geschädigte an der Hand, und Prozesskostenfinanzierer Advofin kommt auf mehr als 3.000 vermeintliche AWD-Opfer. Advofin-Chef Franz Kallinger geht dennoch nicht den Weg einer Sammelklage, sondern erst einmal einer Musterklage gegen den AWD: „Uns ist das Risiko zu hoch. Wir fragen uns, ob die Bonität ausreicht.“

Eigenkapital schrumpft

Machen nämlich alle Beteiligten mit ihren Ankündigungen ernst, könnten auf den Finanzoptimierer, wie sich der AWD nennt, Forderungen in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro zukommen. Zwar hat das AWD-Modell in den letzten Jahren auch hierzulande gut funktioniert, derlei Ausmaße wären aber nur schwer zu bewältigen. Gerade einmal 12,7 Millionen Euro Eigenkapital waren nach dem dritten Quartal 2008 noch übrig (nach 88,6 Millionen Euro im Jahr davor). Rauscher ist dennoch zuversichtlich: „Wir sind ein sehr eigenkapitalstarkes Unternehmen“. Nachsatz: „Unser Eigenkapital ist jedenfalls höher als gesetzlich gefordert.“ Quote könne er aber keine nennen. Rückstellungen für die Prozessrisiken seien noch nicht gebildet worden, Sammelklagen gebe es nämlich bis dato nicht.

Ein Haftungsdurchgriff von der österreichischen AWD GmbH auf die Mutter, die börsenotierte AWD AG, halten Juristen für unwahrscheinlich: „Die österreichische Tochter hatte ein eigenes Geschäftsmodell, ein eigenes Management und einen eigenen Wirkungsbereich. In diesem Fall denke ich nicht, dass man sich mit den Forderungen an die Mutter wenden kann“, meint Kapitalmarktrechtsexperte Ernst Brandl. Es sei denn, es gäbe spezielle Patronatserklärungen oder Gewinnabführungsverträge zwischen Mutter und Tochter. Genau das wird aber von Rauscher und von der AWD-Zentrale in Hannover verneint. Für die geschädigten Anleger hätte das fatale Konsequenzen: Sie müssten weitgehend durch die Finger schauen.

Rückzugsgefecht

Kolportierte Pläne, wonach die Deutschen die österreichische Tochter aus ökonomischen Gründen in die Insolvenz schicken wollen, werden dementiert: „Solche Vermutungen sind Teil einer Rufmordkampagne gegen uns. Wir ziehen uns nicht zurück, wenn es Probleme gibt“, versichert ein deutscher AWD-Sprecher. Was seiner These jedoch widerspricht: Aus Italien hat sich der AWD 2006 zurückgezogen, letztes Jahr startete man den Rückzug aus England.

Quelle: FORMAT / Nr. 9 / Seite 40 / 27.02.2009 / von Angelika Kramer