Das Telekommunikationsgesetz soll novelliert werden. Dort steht auch drin, dass unerbetene Nachrichten - vulgo Spam - verboten sind. Aber was sind die Konsequenzen, wenn Spammer dieses Verbot millionenfach übertreten? Meine Stellungnahme an die Parlamentsdirektion:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in dieser Stellungnahme fokussiere ich auf die rechtliche Lage von unerbetenen Nachrichten, vulgo Spam (14. Abschnitt Kommunikationsgeheimnis, Datenschutz §§ 160 – 174 TKG).
Spams sind ein soziales Übel. Dabei handelt es sich um jede Form von unerwünschten oder unverlangt zugesendeten Nachrichten. Diese Sendungen können als klassisches E-Mail, SMS oder Anruf empfangen werden, aber auch im Zusammenhang mit anderen technischen Systemen.
Meist werden diese elektronischen Nachrichten massenhaft verschickt und haben zum Inhalt (Direkt-)Werbung, aber auch Computerviren oder Internet-Betrugsabsichten (z.B. Phishing-Mails, Ping-Anrufe, etc).
Laut einer Studie von Statista betrug der Anteil der Spam-Mails am gesamten E-Mail-Verkehr weltweit zwischen 55-58% in den Jahren 2017-2019 (Spam-Mails - Anteil am gesamten E-Mail-Verkehr weltweit bis 2019 | Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/872986/umfrage/anteil-der-spam-mails-am-gesamten-e-mail-verkehr-weltweit/; abgerufen am 08.02.2021).
Schon im Jahr 2016 lag der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher, die sich durch Spams gestört fühlten, bei 60,8 Prozent (Österreich - Spamming als Störfaktor 2016 | Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/665700/umfrage/umfrage-in-oesterreich-zum-spamming-als-stoerfaktor/; abgerufen am 08.02.2021).
Im Jahr 2019 stieg die Anzahl der polizeilich angezeigten Fälle von Internetbetrug abermals stark um rund 26 Prozent auf über 16.800 Anzeigen und die Anzeigen wegen Cybercrime auf 28.439 Anzeigen (Bundeskriminalamt – Cybercrime Report 2019: https://bundeskriminalamt.at/306/files/Cybercrime_2019.pdf; abgerufen am 08.02.2021).
Trotz dieser alarmierenden Zahlen wird, entgegen der Zielsetzung dieses Gesetzesentwurfs, „wirksamen Verbraucherschutz“ zu garantieren, mE auch in der neuen Gesetzesnovelle nicht ausreichend gegen Spams von unseriösen oder schwer/nicht feststellbaren Absendern vorgegangen. § 107 TKG idgF bietet dagegen nur unzureichenden Schutz. Derzeit beschränken sich dieMöglichkeiten der Internetnutzerinnen und Internetnutzer auf die folgenden Maßnahmen:
1. Zivilrechtliche Schritte und Anzeige an die Fernmeldebehörde nach § 107 TKG: Die seit 2018 im § 107 Telekommunikationsgesetz novellierte Bestimmung untersagt grundsätzlich unverlangte Werbemails an Unternehmer und Verbraucher. Es werden jedoch auch Ausnahmen eingeräumt. In jedem Fall muss die Identität des Absenders offengelegt werden, auf die Möglichkeit derAbbestellung hingewiesen werden und diese Abbestellung (Opt-Out-Lösung) leicht möglich sein. Nur Direktwerbung, die sich auf ähnliche Produkte oder Dienstleistungen, welche der Empfänger beim Mailabsender erworben bzw. in Anspruch genommen hat, oder wenn der Empfänger die Zusendung ausdrücklich wünscht, könnte als zulässig gelten. Zwar kann gegen unerbetene Nachrichten zivilrechtlich mittels Unterlassungsklage vorgegangen werden, wobei die Schaffung eines gesetzlichen Streitwerts iSv § 10 RATG (z.B. iHv EUR 7.000) abschreckende Wirkung entfalten würde. Dies scheitert jedoch bei Ab-sendern aus dem (EU-)Ausland häufig an der Identifizierbarkeit; außerdem ist der Verstoß nicht schadenersatzrechtlich sanktionsbewehrt. Verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen, die mittels Anzeige beim zuständigenFernmeldebüro geahndet werden, verlaufen regelmäßig im Sande.
Im neuen Gesetzesentwurf wurde § 107 TKG idgF in § 174 TKG fast wortident übernommen. Es finden sich keine Erläuterungen zu den kleinen sprachlichen Veränderungen (zB Benutzer, Nutzer, Endnutzer) und auch keine weiteren Vorgehensweisen und Verbesserungsvorschläge, wie in Zukunft gegen Spams und gegen die steigende Cyberkriminalität vorgegangen werden soll. Daher entspricht der 14. Abschnitt nur der geltenden Rechtslage.
Es braucht aber einen stärkeren Schutz gegen Spams, da Rechtsverfolgung nur erlangt werden kann, wenn der Spammer bekannt ist. Es müssen daher neue Alternativen geschaffen werden, um auch gegen Spams aus dem Ausland und solchen aus dem Inland vorzugehen, in denen die Identität des Absenders verschleiert oder verheimlicht wird.
2. Eintragung in von der RTR-GmbH geführten Sperrliste (gemäß § 7 E-Commerce-Gesetz): DieECG-Liste betrifft nur Werbung, die per E-Mail verschickt wird, und schützt nur vor österreichischen Spammern und seriösen Unternehmen. Sogar auf der Homepage der RTR-GmbH wird darauf hingewiesen: „Das Eintragen in die Liste schützt allerdings nicht zuverlässig vor weiteren Spam-E-Mails, da Spam überwiegend von Personen versandt wird, die sich nicht um rechtliche Vorschriften kümmern.“ (Spam – unerwünschte Nachrichten | RTR: https://www.rtr.at/TKP/was_wir_tun/telekommunikation/konsumentenservice/information/informationen_fuer_konsumenten/TKKS_Spam.de.html; abgerufen am 08.02.2021).
Die zuständige Institution selbst weist somit auf den unzulänglichen Schutz hin. Wurde die ECG-Liste missachtet, kann zivilrechtlich durch eine Unterlassungserklärung oder durch eine Anzeige verwaltungsrechtlich vorgegangen werden. In dem Gesetzesentwurf wurden die Verwaltungsstrafbestimmungen gem. § 188 TKG zwar angehoben (gem. § 188 Abs 4 Z 23, 24und § 188 Abs 6 Z 8 TKG), jedoch wird es dadurch zu keiner starken Reduktion von Spams kommen. Denn die Anfragenbeantwortungen des Parlaments (2007, 2008) zeigen, dass dieses Mittel von den Durchschnittsbürgen kaum genutzt wird: „Österreichweit, im örtlichen Wirkungsbereich aller vier in Österreich als Verwaltungsstrafbehörden zur Vollziehung des § 107 TKG 2003 zuständigen Fernmeldebüros, wurden im Jahr 2007 nur 355 Anzeigen, davon 107 gegen ausländische Versender erstattet“ (Parlamentarische Materialien [2007, 2008]https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/AB/AB_03910/fnameorig_110722.html;https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/AB/AB_00224/fname_073965.pdf; abgerufen am08.02.2021)
3. Bei massiven Spam-Attacken kann stets auch geprüft werden, ob strafrechtlich verpöntes Verhalten vorliegt. Die Attacken können so umfangreich sein, dass Computersysteme abstürzen und Daten verloren gehen. In diesem Fall würde Datenbeschädigung (§ 126a StGB) vorliegen. In den seltensten Fällen wird jedoch der Vorsatz einer Datenbeschädigung nachweisbar sein. Bei einer Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b StGB) muss trotz geltenden Verbots im TKG noch umständlich nachgewiesen werden, dass die Spamzustellung zu Kapazitätsproblemen am eigenen System geführt hat und damit das eigene System nicht wie vorgesehen genutzt werden konnte.
4. Beschwerde an den Provider: Da die Provider durch § 13 Absatz 1 ECG von einer Haftung für Übertragungen, die sie nicht veranlasst haben, befreit sind, kann gegen sie selbst nicht vorgegangen werden.
5. Beschwerden bei Ombudsstellen wie Internet Ombudsmann und Watchlist Internet: Der Internet Ombudsmann ist zwar eine unabhängige Streitschlichtungsstelle rund um die Themen Online-Shopping, Datenschutz oder Urheberrecht. Wenn jedoch das Unternehmen am Schlichtungsverfahren nicht teilnimmt oder, wie es bei vielen Spams der Fall ist, der Verantwortliche nicht eruiert werden kann, wird das Schlichtungsverfahren ohne Einigung beendet. Watchlist Internet wiederum, gemäß Eigendarstellung eine unabhängige Informationsplattform, dient von vornherein nur der künftigen Prävention, nicht der Schadensregulierung oder Unterlassung im Einzelfall.
Derlei vermeintliche Abhilfen unterminieren daher in Wirklichkeit die mit Imperium ausgestatteten rechtsstaatlichen Institutionen und rangieren nicht unter der Bezeichnung Rechtsbehelf.
Aus den oben genannten Gründen lässt sich feststellen, dass der Gesetzesentwurf keinen Beitragzur Verbesserung der Situation gegen Spams darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Benedikt Wallner