12. Februar 2024: OGH kippt Kreditbearbeitungsgebühr
Erinnern Sie sich noch an die EuGH-Entscheidung C‑565/21 (Caixabank), über die wir hier berichtet haben? Wenn schon "Servicepauschalen" von Fitnesscentern unzulässig sind, und eine "Bereitstellungsprovision" bei Banken rechtswidrig war, dann würde es höchstwahrscheinlich auch eine "Kreditbearbeitungsgebühr" sein - wer Ihnen Geld aus der Tasche ziehen will, ist ja meist recht kreativ mit der Erfindung von solchen Namen; aller Erfindungsreichtum hilft aber nicht, sagt jetzt derOGH in 2 Ob 238/23y:
Es bleibe nämlich unklar, welche konkrete Leistungs- bzw Aufwandskategorie mit der Bearbeitungsgebühr abgegolten werden soll. Diese dient nämlich ebenso (pauschal) der Abgeltung der Tätigkeit und des Aufwands bei der Bearbeitung und Bereitstellung des Kredits und würde daher grundsätzlich auch die mit den Zusatzentgelten verrechneten Leistungen abdecken. Inwieweit es daher zu Überschneidungen oder Doppelverrechnungen zwischen der Kreditbearbeitungsgebühr und den weiteren Entgelten kommt, lässt sich für Verbraucher nicht mehr ausreichend klar überprüfen. Am Vertrag als Ganzes gemessen erweist sich daher die vereinbarte Bearbeitungsgebühr mangels Überprüfbarkeit von Überschneidungen mit den übrigen Entgelten als intransparent (dh, der OGH wendet "das schwächste Glied in der Kette" der Klauselprüfungsinstrumente an und stellt noch immer nicht klar, ob er eine Hauptleistung iSd § 879 Abs 3 ABGB betroffen sieht).
In einem Interview mit der PRESSE am 15.02.2024 wundert sich Prof. Vonkilch, warum für die Beurteilung der Klausel als intransparent „nicht die dafür allein einschlägige Norm herangezogen wurde“, also § 6 Abs 3 KSchG. Die österreichische Rechtslage ist hier tatsächlich strenger als das Unionsrecht. Vonkilch stellt die Vermutung in den Raum, es könnte hier „ein grundlegendes Missverständnis“ über die Relevanz des Transparenzthemas in der EuGH-Judikatur vorliegen.
Der VKI, der hier wieder einmal im Rahmen eines Verbandsprozesses geklagt und gewonnen hatte, betont in seiner Aussendung, dass Betroffenen Rückforderungsansprüche für solche Gebühren zustehen, die erst in 30 Jahren ab Zahlung verjähren und mit vier Prozent zu verzinsen sind.
23.11.2023, EuGH C-321/22 (Provident Polska): Weitere Klarstellungen zum Verbraucherkredit, nämlich dass
- die Missbräuchlichkeit einer Klausel über zinsunabhängige Kosten unter Berücksichtigung des Umstands festgestellt werden kann, dass diese Klausel die Zahlung von Gebühren oder einer Provision durch den Verbraucher in einer Höhe vorsieht, die offensichtlich außer Verhältnis zu der als Gegenleistung erbrachten Dienstleistung steht.
- [...]
- es der Nichtigerklärung eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags nicht entgegensteht, wenn festgestellt wird, dass nur die Klausel dieses Vertrags, in der die konkreten Modalitäten der Zahlung der zu den wiederkehrenden Fälligkeitsterminen geschuldeten Beträge festgelegt werden, missbräuchlich ist und der Vertrag ohne diese Klausel nicht fortbestehen kann. Enthält eine Klausel jedoch eine Bestimmung, die sich von den anderen Bestimmungen dieser Klausel abtrennen lässt und Gegenstand einer individualisierten Prüfung ihrer Missbräuchlichkeit sein kann, deren Streichung es ermöglichen würde, ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen den Parteien wiederherzustellen, ohne den wesentlichen Inhalt des betreffenden Vertrags zu beeinträchtigen, dann impliziert diese Vorschrift im Licht dieser Grundsätze nicht, dass diese Klausel oder sogar dieser Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären wären.
22.11.2023: Auskunft der Bank bei Kleinbetragssparbüchern und Verpflichtung zur Rechnungslegung (10 Ob 43/23f)
17. Oktober 2023: Kann die Bausparkasse ihre Kunden rauswerfen? (4 Ob 74/22v)
12. Oktober 2023: Der EuGH (C‑326/22) zum Recht auf lnformation und Herausgabe des Kreditvertrags
Über die Jahre kann es schon mal vorkommen, dass man seine Kreditverträge nicht mehr findet - blöd, wenn man daraus Ansprüche (zB aus vorzeitiger Rückzahlung, vgl. Lexitor, C‑383/18) geltend machen will. Aber die Bank müsste doch noch darüber verfügen: Muss sie die Verträge (nochmals) herausgeben?
Ja: Verbraucher können von ihrer Bank eine (neuerliche) Ausfertigung des Kreditvertrags fordern; außerdem auch alle nicht im Vertrag selbst enthaltenen Informationen zur Rückzahlung, die unentbehrlich sind, um die Berechnung des von der Bank
aufgrund einer vorzeitigen Rückzahlung geschuldeten Betrags zu überprüfen und eine Klage auf Rückzahlung dieses Betrags zu erheben (vgl. auch die Besprechung dieser Entscheidung in VbR 5/2023 durch Leupold/Gelbmann).
Warum? Weil Verbraucher - wegen des Ziels eines hohen Schutzes der Verbraucherinteressen - über sämtliche Informationen zu den Kosten des Kredits verfügen können müssen, so dass sie deren gesamten Umfang bestimmen können! Daraus folgt, dass es Sache des Kreditgebers ist, die Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um den Betrag, auf den Verbraucher Anspruch haben, bestimmen zu können. Und nicht umgekehrt.
Aber was, wenn sich die für die Berechnung dieses Betrags erforderlichen Informationen im Vertrag selbst gar nicht nicht finden? Dann verlangt die Verpflichtung zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 außerdem, dass der Verbraucher diese Informationen vom Kreditgeber erhält, wenn sie für die Berechnung dieses Betrags erforderlich sind.
Im Übrigen hat der Kreditgeber, der dem Verbraucher, obwohl er weiß, dass dieser nicht über die Vertragsunterlagen verfügt, das Recht auf eine anteilige Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits aufgrund seiner vollständigen vorzeitigen Rückzahlung versagt, kein berechtigtes Interesse daran, diese Unterlagen vor dem Verbraucher oder seinem Rechtsnachfolger zu verbergen.
Anm.: Im innerstaatlichen Recht gilt seit jeher, dass eine Bank dem Kunden (auch, wenn er nicht Verbraucher ist) gegenüber jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten und die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung verpflichtet ist (vgl. RS0035050 [T8]); dieses Recht ist einklagbar.
28. Juni 2023: Unwirksame Klauseln in AVB einer Lebensversicherung (7 Ob 69/23g)
27.6.2023, wann ist ein Darlehen fällig? 1 Ob 92/23w
"... dann zurückzahlen, wenn sie es brauchen ...", ist das ausreichend deutlich?
Seit 15. Juni 2023 gibt es mit C-520/21 – Arkadiusz Szcześniak ein Urteil des EuGH ("Gratiskredit") zum Abschreckungseffekt des Verbots missbräuchlicher Klauseln bei einem an eine Fremdwährung gekoppelten Hypothekenkredit.
Was war geschehen? Herr A. S. und seine Ehefrau E. S. hatten im Juli 2008 einen Hypothekenkredit über 329 707,24 polnische Zloty (PLN) (etwa 73 000 Euro) mit einem variablen Zinssatz und einer Laufzeit von 336 Monaten aufgenommen. Die Klauseln waren nicht einzeln ausgehandelt worden. Das Darlehen war an den Schweizer Franken (CHF) gekoppelt, und der Vertrag sah vor, dass die monatlichen Darlehensraten nach Umrechnung auf der Grundlage des in der am Tag der Zahlung der jeweiligen Monatsrate geltenden Devisenkurstabelle der Bank M. veröffentlichten CHF‑Verkaufskurses in PLN zu zahlen waren. Mit Zusatzvereinbarung vom 6. September 2011 wurde A. S. und E. S. die Möglichkeit eingeräumt, die monatlichen Darlehensraten unmittelbar in CHF zu zahlen. 2021 klagte A. S. die Bank M. auf Rückzahlung von 3 660,76 PLN (etwa 800 Euro), weil der Hypothekendarlehensvertrag missbräuchliche Klauseln enthalte und aus diesem Grund nichtig sei, so dass die Bank M. die monatlichen Darlehensraten von Juni 2011 bis September 2011 ohne Rechtsgrund erhalten habe.
Das vorlegende Gericht in Warschau fragt jetzt den EuGH, ob die Parteien neben der Erstattung der in Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Beträge (seitens der Bank – des Darlehensbetrags, seitens des Verbrauchers – der Raten, Gebühren, Provisionen und Versicherungsprämien) und der gesetzlichen Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung noch andere Leistungen verlangen können (insbesondere Vergütung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz oder Valorisierung der Leistung), obwohl
- dem Erbringer der Geldleistung die Möglichkeit zur Nutzung seines Geldes vorübergehend entzogen wurde, so dass er keine Möglichkeit hatte, dieses zu investieren und daraus Gewinn zu erzielen,
- der Erbringer der Geldleistung die Kosten für die Abwicklung des Darlehensvertrags und die Übermittlung des Geldes an die andere Partei getragen hat,
- der Empfänger der Geldleistung einen Vorteil erlangt hat, da er vorübergehend über fremdes Geld verfügen, es u. a. investieren und daraus Gewinn erzielen konnte,
- der Empfänger der Geldleistung vorübergehend kostenlos über fremdes Geld verfügen konnte, was unter Marktbedingungen unmöglich gewesen wäre,
- die Kaufkraft des Geldes durch Zeitablauf gesunken ist, was für den Erbringer der Geldleistung einen realen Verlust bedeutet,
- die vorübergehende Überlassung von Geld zur Nutzung als Dienstleistung behandelt werden kann, für die der Erbringer der Geldleistung keine Vergütung erhalten hat?
Die Frage ist wichtig, weil die in Polen tätigen Banken den Verbrauchern öffentlich mit schwerwiegenden Folgen drohten, wenn diese sich dafür entschieden, die Nichtigkeit ihres Hypothekendarlehensvertrags geltend zu machen, weil diese Gewerbetreibenden dann gegenüber den Verbrauchern Forderungen wegen deren ohne vertragliche Grundlage erfolgter Nutzung des Kapitals geltend machen würden [Rz 45].
Erinnern wir uns: Eine für „missbräuchlich“ erklärte Vertragsklausel ist grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Daher muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte, und zwar insbesondere durch Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Vorteile, die der Gewerbetreibende aufgrund der missbräuchlichen Klauseln zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat (Rz 65). Wegen der Abschreckungswirkung gilt das auch, wenn die Missbräuchlichkeit von Klauseln nicht nur zur Nichtigkeit dieser Klauseln, sondern auch zur vollständigen Unwirksamkeit dieses Vertrags führt (Rz 66). Folglich steht die Richtlinie 93/13 einer Auslegung des nationalen Rechts nicht entgegen, wonach der Verbraucher von dem Kreditinstitut einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht, sofern die Ziele der Richtlinie 93/13 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind. (Rz 74).
Das kann durchaus dazu führen, dass Verbraucher ein „kostenloses“ Darlehen erhielten (Rz 80), weil nach dem Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans (niemand kann sich auf sein eigenes rechtswidriges Verhalten berufen) weder zugelassen werden kann, dass eine Partei aus ihrem rechtswidrigen Verhalten wirtschaftliche Vorteile zieht, noch, dass sie für die durch ein solches Verhalten verursachten Nachteile entschädigt wird (Rz 81). Für Banken gilt also umgekehrt keineswegs dasselbe, sondern sie dürfen vom Verbraucher keinen Ausgleich verlangen, der über die Erstattung des zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kapitals sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht (Rz 84).
8.6.2023, dual use: Handle ich beim "Verbraucehrkreditvertrag" wirklich nur als Verbraucher oder teilweise auch als Unternehmer?
EuGH 570/21: Nur als Verbraucher muss nicht (hier: 35% vs. 65%), solange nur der Verbraucherzweck überwiegt.
22. Mai 2023, wieder mal ein Sparbuchfall: Auszahlung beim identifizierten Sparbuch an einen Vollmachtsnehmer? 5 Ob 38/23h
17.5.2023, Kreditaufnahme beim Oder-Konto und gefälschte Unterschriften (6 Ob 222/22y)
8.5.2023, OGH setzt EuGH um - bei laufzeitunabhängigen Spesen iFd vorzeitgen Kreditrückzahlung (5 Ob 25/23x)
27.4.2023, der EuGH kann aber auch anders: Zur Aufrechterhaltung des infolge missbräuchlicher Klauseln unwirksamen Kreditvertrages (C-705/21)
25.04.2023, OGH entscheidet wie EuGH
Wir hatten am 16.12.2022 <unten> über die Entscheidung des EuGH vom 8. 12. 2022, C-625/21, Gupfinger, berichtet. Die war insofern aufsehenerregend, als sie nahelegte, dass dass der Kunde am Ende gar nichts zahlen muss. Aber der EuGH legt nur Europäisches Recht aus, entscheiden muss dann das nationale Gericht. Nun liegt die OGH-Entscheidung 4 Ob 236/22t vom 25.04.2023 vor, und sie lautet, dass die Klage des Unternehmens gegen den Kunden zur Gänze abgewiesen wird.
Was wir schon vorher wussten, ist, dass
Wozu führt diese Nichtigkeit jetzt, nach der EuGH-Entscheidung? Was gilt, wenn die Klausel nicht gilt? Der Unternehmer könnte doch auch ohne diese Klausel, schon nach dem Gesetz, vom Kunden Schadenersatz wegen verschuldeter Nichterfüllung verlangen (§ 921 ABGB).Aber genau das geht nicht mehr, sagte doch der EuGH, und der OGH folgt ihm natürlich:
zustünde. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Unternehmer seine Schadenersatzforderung nicht einmal auf die (unwirksame) AGB-Klausel, sondern auf das allgemeine Zivilrecht stützte. Diese für den Unternehmer harte Auslegung diene, zitiert der OGH den EuGH, dem langfristigen Ziel von Art 7 der RL 93/13/EWG, das darin bestehe, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, indem der Abschreckungseffekt aufrechterhalten werde, der darin bestehe, dass diese Klauseln schlicht unangewendet blieben.Zur Auswirkung auf FX-Kredite enthält diese Entscheidung keine ausdrücklichen Aussagen, siehe aber schon 7 Ob 223/22b (keine Anwendung von Gupfinger auf echte FWK-Verträge).
18.04.2023, Zur Einlagensicherung bei Treuhandkonten: 6 Ob 139/22t
Das ist besonders blöd gelaufen: Jemand kauft eine „Vorsorgewohnung“ um 167.600 EUR. Wie üblich überweist er den Kaufpreis auf das im Kaufvertrag genannte Treuhandkonto. Dieses befindet wich allerdings bei der C*bank * AG
Jetzt müsste der Treuhänder also an die Verkäuferin auszahlen. Über Aufforderung des Treuhänders überwies am 31. 8. 2020 die 100.000 EUR. 67.638,62 EUR. Aber es sind doch zwei Leute geschädigt, Käufer und Verkäuferin, und zusammen kriegten sie doch EUR 200.000 von der Einlagensicherung? (Spannende Lösung! Nicht ganz richtig)
23.3.2023, Zulsässige Klauseln im FX-Kreditvertrag: 9 Ob 83/22d
16.03.2023, EuGH C-351/21, ZG gegen Beobank - Information über Zahlungsempfänger (ZaDiG):
In der Nacht vom 20. auf den 21. April 2017 befand sich ZG, ein Belgier, in Valencia (Spanien). Um 0.35 Uhr erfolgte eine erste Zahlung von 100 Euro mittels seiner Debitkarte in einem Lokal, über dessen genaue Natur sich die Parteien des Ausgangsverfahrens nicht einig sind. Anschließend wurden mit dieser Karte am selben mobilen Zahlungsterminal zwei weitere Zahlungen getätigt, und zwar in Höhe von 991 Euro um 1.35 Uhr und in Höhe von 993 Euro um 2.06 Uhr. Eine vierte Zahlung in Höhe von 994 Euro erfolgte um 2.35 Uhr, wurde jedoch abgelehnt. ZG bestreitet die erste Zahlung von 100 Euro nicht, wohl aber die zweite und die dritte Zahlung. Er kann sich nicht mehr daran erinnern, was nach dem Konsum eines Getränks in dem betreffenden Lokal geschehen sei. Er erinnere sich auch nicht an den Namen und die Adresse des Lokals und sei einem Betrug zum Opfer gefallen, der durch die Verabreichung einer Droge erleichtert worden sei. Muss ihm die Beobank sagen, an wen diese Zahlungen gegangen sind? Ja.
Am 16.03.2023 ist noch eine Entscheidung des EuGH ergangen,
nicht nur C‑565/21, über die wir schon hier berichtet haben, sondern auch C‑6/22 ("Nichtigkeit eines FX-Kreditvertrags infolge missbräuchlicher Klauseln").
Zwei Verbraucher schlossen 2007 mit der Bank einen Hypothekendarlehensvertrag über 339.881,92 polnische Zloty (PLN) mit einer Laufzeit von 360 Monaten, der an den Schweizer Franken (CHF) gekoppelt war: Die monatlichen Raten wurden ebenso wie der geschuldete Restbetrag in CHF berechnet und gemäß dem auf jede einzelne dieser Raten anwendbaren Verkaufskurs CHF‑PLN in polnischen Zloty gezahlt. Der dabei verwendete Wechselkurs wurde von der Bank nach deren freiem Ermessen festgelegt.
Die Verbraucher forderten also die Aufhebung dieser Vertragsklauseln und wollten, dass die Monatsraten in polnischen Zloty berechnet und zum LIBOR-Satz verzinst werden . Sie erklärten sich mit der Nichtigerklärung des Vertrags durch das Gericht einverstanden. Aber war ihnen klar, worauf sie sich da einlassen?
Inzwischen wissen wir ja, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind. Im Interesse der Verbraucher und der rechtstreuen Wettbewerber (also den "guten" Banken) müssen angemessene und wirksame Mittel vorhanden sein, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch eine Bank in den Verträgen, die sie mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird (Abschreckungseffekt). So will es das EU-Recht, das auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können.
Das Gericht fand, dass der Darlehensvertrag aber nicht ohne diese Klauseln fortbestehen könne, daher müsse es den Kreditvertrag als Ganzes für nichtig erklären. Das sei jetzt aber nicht so gut, weil (nach polnischem Recht) die Vertragsparteien die sich aus der Nichtigerklärung ergebenden Verluste zu gleichen Teilen tragen müssten. Was tun, fragt das polnische Gericht den EuGH?
Ganz einfach, sagt der EuGH: Europäisches Recht schützt doch die Verbraucher und beschwert sie nicht (übrigens sogar noch nach Erfüllung des Vertrags)! Entscheiden, ob sie vom EU-Recht geschützt werden wollen oder nicht, tun aber letztlich die Vebraucher. Wenn ein Vertrag wegen Missbräuchlichkeit einer seiner Klauseln für nichtig erklärt werden muss, dann muss jene Sach- und Rechtslage wiederhergestellt werden, in der sich die Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätten. Das Gericht muss unter Berücksichtigung seines gesamten innerstaatlichen Rechts alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um die Verbraucher vor den besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die die Nichtigerklärung des Vertrags für sie nach sich ziehen könnte.
03.03.2023 - noch immer keine Amtshaftung für Fehler der FMA (wie schon am 14.07.2022):
Der Bund haftet nicht für Vermögensschäden geschädigter Gläubiger aufgrund eines behaupteten Fehlverhaltens der FMA bei der Aufsicht! Solche Schäden sind nicht vom Schutzzweck des Aufsichtsrechts umfasst.
Aber widerspricht das nicht dem Unionsrecht, etwa RL 2003/71/EG (Prospekt-Richtlinie)? Nein (1 Ob 261/22x; „RelaXXbonusplan“).
28.02.2023, OGH zum FX-Kredit: ausreichende Bestimmtheit des Kreditvertrages und Intransparenz von Verweisklauseln (4 Ob 202/22i).
27.1.2023, was ist ein "echter" FX-Kreditvertrag, was ein "unechter"? (1 Ob 9/23i)
Zu den Voraussetzungen für eine echte Fremdwährungsschuld hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen. Demnach ist nicht die Frage maßgebend, in welcher Währung der Kredit ausbezahlt wird, sondern ob die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (6 Ob 76/22b [Rz 6]; 7 Ob 58/22p [Rz 3]; 1 Ob 88/22f [Rz 7]). Wird dem Kreditnehmer in einem solchen Fall (überdies) die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Euro auszahlen zu lassen, liegt zudem ein Angebot der Bank vor, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt daher zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu, was auch einer typischen, nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (4 Ob 15/22t [Rz 10]; 1 Ob 9/22p [Rz 9] je mwN).
[7] Nach den Feststellungen besteht kein Zweifel, dass der Klägerin klar war, einen Fremdwährungskredit in CHF aufzunehmen, den sie auch in dieser Währung zurückzuzahlen hat. Die Auszahlung erfolgte vereinbarungsgemäß in Euro, sodass die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege ein echter Fremdwährungskreditvertrag und ein mit der Beklagten abgeschlossener Geldwechselvertrag vor, den in gefestigter Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen entspricht.
[8] Die Kreditsumme und damit die Geldschuld der Beklagten ist im vorliegenden Fall in ausländischer Währung ausgedrückt, und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von (insgesamt) 70.000 EUR. Soweit die Klägerin dennoch eine mangelnde Bestimmtheit des Kreditvertrags zu erkennen vermeint, weil dem Vertrag selbst die genaue Kreditsumme in CHF nicht zu entnehmen sei, übersieht sie, dass nach der getroffenen Vereinbarung der Kreditbetrag in CHF auf ihr Verrechnungskonto überwiesen wurde und sie regelmäßig Kontoauszüge darüber erhielt. Für einen solchen Fall hat der Oberste Gerichtshof aber bereits wiederholt den Kreditvertrag
[9] Der Oberste Gerichtshof hat in der Beurteilung vergleichbarer Fälle bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln nicht automatisch dessen Nichtigkeit bewirkt (6 Ob 24/22f [Rz 6 zur Bestätigung, über die Besonderheiten und Risiken eines Fremdwährungskredits belehrt worden zu sein]; 9 Ob 66/21b [Rz 11]; 4 Ob 15/22t [Rz 12]; 1 Ob 9/22p [Rz 12]). Entfiele daher die von der Klägerin beanstandete „Konvertierungsklausel“ („Devisenfixing“), bliebe der Kreditvertrag bestehen und sie hätte den Kredit in der fremden Währung zurückzuzahlen (6 Ob 76/22b [Rz 9]; 7 Ob 58/22p [Rz 5]; 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 1 Ob 88/22f [Rz 9]), die sie sich allenfalls auch von dritter Seite beschaffen könnte (9 Ob 62/21i [Rz 11]).
20.12.2022 - noch eine E (4 Ob 196/22k) zum FX-Kreditvertrag, bei der die Verbraucher beinahe Recht bekommen hätten:
Die Kläger hatten zum Ankauf eines Eigenheims bereits im Jahr 2002 mehrere Kreditverträge mit einer anderen Bank abgeschlossen, davon auch einen Kreditvertrag in Franken und einen in Yen. Im Jahr 2006 sollte eine Umschuldung der bestehenden Verbindlichkeiten zur Beklagten erfolgen und dabei die Verbindlichkeiten in einen Vertrag überführt werden. Die Kläger waren damit einverstanden, dass nur ein Kreditvertrag abgeschlossen wird. Es wurde vereinbart, dass ein Frankenkredit vergeben wird und wurde besprochen, dass der damals geltende Wechselkurs nicht in den Vertrag mit aufgenommen werde.
Am 13. 11. 2006 schlossen die Parteien den Kreditvertrag ab, mit dem die Beklagte sich bereit erklärte, einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von EUR 230.000,00 in Schweizer Franken zur Verfügung zu stellen.
Ab dem Jahr 2010 wurden die Kläger in mehreren Informationsgesprächen mit der Beklagten auf die negative Wechselkursentwicklung hingewiesen. Es wurde mit ihnen die Möglichkeit besprochen, den Kredit in Euro zu konvertieren. Dies lehnten die Kläger jedesmal ab. Die Kläger haben jeweils Kontoauszüge erhalten, in denen der Kreditbetrag in Franken und daneben in Euro angegeben war.
Tatsächlich, so die Kläger, sei vereinbart worden, dass der Kredit in Pauschalraten in Euro zurückbezahlt werde. Bei jeder Zahlung einer Pauschalrate hätte die Beklagte den einbezahlten Eurobetrag in Franken umgerechnet und hätte dabei den Wechselkurs einseitig ohne Zustimmung der Kläger festgesetzt und den dabei angewendeten Wechselkurs jederzeit einseitig abändern können. Der Vertrag sei daher letztlich als Ganzes unwirksam.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Da im Kreditvertrag kein bestimmter Wechselkurs angegeben sei, fehle es an den essentialia negotii. Wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots sei damit zwischen den Streitteilen gar kein Kreditvertrag zustandegekommen.
Jedoch: Das Berufungsurteil hatte vor dem OGH keinen Bestand:
Im vorliegenden Fall war der Wille beider Parteien bei Abschluss des Kreditvertrags im Jahr 2006 auf einen echten (endfälligen) Fremdwährungskredit in Schweizer Franken gerichtet (Schweizer Franken auf Ihrem Konto Nr. *).
Der CHF war daher auch die „ausgenützte Währung“, in der die Kläger den Kredit grundsätzlich rückzuführen gehabt hätten. Dies war den Klägern ebenso bewusst wie das damit verbundene Risiko. Der Wille der Kläger war damit darauf gerichtet, das Wechselkursrisiko zu Schweizer Franken zu tragen. Sie wurden über das damit verbundene Risiko belehrt und lehnten in der Folge trotz mehrfacher Hinweise auf die Wechselkursentwicklung eine Konvertierung ihres Kredits ab. Da die Kläger auch jeweils Kontoauszüge erhalten haben, in denen der Kreditbetrag in Franken und daneben in Euro angegeben war, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Kläger die von der Beklagten zugrundegelegten Wechselkurse kannten und dennoch eine Fortsetzung des Kreditverhältnisses wünschten. Dies entsprach auch zweifellos ihrer Interessenlage, wäre doch andernfalls eine sofortige Rückzahlung der zugezählten Kreditvaluta erforderlich gewesen.
Hier haben die Kläger auch noch im Rahmen einer späteren Vertragsänderung die Rückzahlung in gleichbleibenden – aus Zinsen und Kapitaltilgung bestehenden – Raten in Euro vereinbart. Die Abrechnung des Kreditkontos, einschließlich der Gutschriften der Ratenzahlungen, erfolgte jedoch jeweils in Schweizer Franken und blieb durch die Kläger unbeanstandet. Könnten die Kläger sich nun auf die (ursprüngliche) Unbestimmtheit des Kreditbetrags berufen, so könnten sie das bewusst übernommene Wechselkursrisiko nachträglich auf die Bank abwälzen. Dies wäre vom Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nicht gedeckt. Die Berufung auf eine solche Nichtigkeit dient nämlich einem völlig anderen Zweck als die Norm, deren Absicherung die Nichtigkeitssanktion bezweckt: Das Verbot der (willkürlichen) einseitigen Festsetzung des Entgelts soll den Vertragspartner vor den damit verbundenen Gefahren schützen, ihm aber nicht ermöglichen, sich von der Tragung eines von ihm bewusst und fehlerfrei übernommenen Risikos (hier: des Wechselkursrisikos) zu lösen.
16.12.2022
Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem über einen ganz normalen Verbraucherfall entschieden, keinen FX-Kredit. Dennoch ist diese Entscheidung überaus wichtig:
- Auf einem Messestand verkaufte Fa. Gupfinger an einen österreichischen Verbraucher eine Einbauküche zum Preis von 10.924,70 Euro. Weil er aber das Haus, für das die Küche bestimmt war, doch nicht erwerben konnte, trat er – ohne dazu berechtigt zu sein – vom Kaufvertrag zurück. Daraufhin klagte ihn Fa. Gupfinger auf Zahlung von 5.270,60 Euro als vertraglichen Schadenersatz entsprechend ihrem entgangenen Gewinn.
- Allerdings beruhte der Kaufvertrag auf den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Fa. Gupfinger. Darin gab es eine Klausel, die ein Wahlrecht der Firma vorsah, wenn der Kunde, ohne dazu berechtigt zu sein, vom Vertrag zurücktritt: entweder Schadenersatz in Höhe von 20 % des Verkaufspreises oder Erfüllung des Vertrags. Natürlich wären 20% des Kaufpreises (2.184,94 Euro) für den Kunden wesentlich billiger gewesen. Der Kunde erhob daher den Einwand der Missbräuchlichkeit der strittigen Klausel. Weil missbräuchliche Klauseln nichtig sind, schulde er höchstens 2.184,94 Euro. Eine Stornogebühr iHv 20 % ist missbräuchlich, weil sie den Kunden gröblich benachteiligt: 3 Ob 237/16y; 4 Ob 229/13z. Eine solche Klausel begründet nämlich ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers, da sie dem gewerblichen Verkäufer eine Wahlmöglichkeit einräumt, die es ihm ermöglicht, eine Entschädigung in Höhe des ihm entstandenen Schadens zu erhalten, wenn dieser sich auf mehr als 20 % des Vertragswerts beläuft, oder in Höhe von 20 % dieses Werts, wenn der ihm tatsächlich entstandene Schaden geringer ist. Der Mechanismus einer solchen Klausel ist aufgrund der Möglichkeit, die sich der Gewerbetreibende vorbehält und die es ihm ermöglicht, eine Entschädigung zu verlangen, die den ihm tatsächlich entstandenen Schaden übersteigen kann, missbräuchlich. Vgl § 1336 Abs 3 ABGB: Der Ersatz eines die Konventionalstrafe übersteigenden Schadens ist nur zulässig, wenn die Klausel im Einzelnen ausgehandelt wird.
Und damit kommen wir zu unserem Thema bei FX-Krediten: Wie umgehen mit missbräuchlichen Klauseln? Was gilt, wenn die Klausel nicht gilt? Wie wir noch sehen werden, bekräftigt der EuGH mit Gupfinger seine schon zu den FX-Krediten begonnene Klauseljudikatur – indem er eine abschreckende, überaus harte Entscheidung fällt. Aber der Reihe nach: - Das Erstgericht entschied zwar, dass die Klausel missbräuchlich sei, lehnte es jedoch ab, sie für nichtig zu erklären, mit der Begründung, dass die Nichtigerklärung der Klausel für den Kunden nachteilig wäre. Bei Nichtigerklärung der Klausel wäre er nämlich nach dem Gesetz verpflichtet gewesen, Gupfinger in Höhe des gesamten Schadens zu entschädigen, d. h. eines Wertes, der fast die Hälfte des Verkaufspreises ausmache. Dementsprechend verurteilte es den Kunden nur zur Zahlung von 2.184,94 Euro.
- Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab und verurteilte den Kunden zum Ersatz des gesamten Schadens mit der Begründung, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 es einem nationalen Gericht nicht verwehre, eine missbräuchliche Klausel, die es für nichtig erklärt habe, durch eine Vorschrift zu ersetzen, die im nationalen Gesetz ohnehin besteht.
- Gegen diese Entscheidung erhob der Kunde Revision beim Obersten Gerichtshof. Dem kamen jedoch Zweifel, und so fragte er vor seiner Entscheidung erst einmal den EuGH, wie denn die sog. Klausel-Richtlinie 93/13 zu verstehen ist. Denn es sei doch so: Wenn eine missbräuchliche Klausel, die zugunsten eines gewerblichen Verkäufers eine pauschale Stornogebühr in Höhe von 20 % des Kaufpreises vorsieht, als nichtig wegfalle, habe der Verkäufer halt laut Gesetz (§ 921 ABGB, Kaufpreis abzüglich Ersparnisse) Anspruch auf vollen Ersatz des aus der verschuldeten Nichterfüllung des Vertrags entstehenden Schadens. Die nichtige Klausel sei also im Ergebnis besser für den Kunden. Anwenden dürfe man sie aber nicht, denn sie sei ja eben nichtig. Was tun? Wenn man nämlich auch § 921 ABGB nicht anwende, würde das doch dazu führen, dass ein Verbraucher von der Verpflichtung zum Ersatz des Schadens gänzlich befreit würde, den er aber durch den unberechtigten Rücktritt vom Vertrag verursacht hat. Und das würde der Systematik und den Werten des Zivilrechts widersprechen, die nämlich auf einem gerechten Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien beruhen. Hinzu komme noch, dass die strittige Klausel im Verfahren eigentlich keine Rolle hätte spielen dürfen, weil Fa. Gupfinger ihre Klage gar nicht auf die strittige Klausel gestützt habe, sondern ganz normal auf das Gesetz. Gut, die Gerichte müssten zwar das Vorliegen einer missbräuchlichen Klausel von Amts wegen prüfen; aber doch wohl nicht von solchen Klauseln, die für den Anspruch gar nicht relevant sind? Oder könne man vielleicht die strittige Klausel teilen: ein Teil (20% Schadenersatzpauschale) fällt als nichtig weg und der Rest (Anspruch laut Gesetz) bleibt bestehen?
- Geht alles nicht, sagt der EuGH: Die Klausel ist nicht teilbar, sondern muss als Ganzes für nichtig erklärt werden. Ist der Fortbestand des Kaufvertrags nach Streichung der strittigen Klausel dann noch rechtlich möglich? Wenn ja, kann das Gericht die strittige Klausel nicht ersetzen, uzw auch nicht durch das Gesetz! Daher kann ein Gewerbetreibender, der dem Verbraucher eine missbräuchliche Schadenersatzklausel auferlegt hat, nicht einmal den Schadenersatz beanspruchen, den das Gesetz vorsieht. Außerdem ist unerheblich, dass die Nichtigerklärung der missbräuchlichen Schadenersatzklausel zur Folge hat, dass der Verbraucher von jeglicher Schadenersatzpflicht befreit ist. Warum das? Weil es gerade das langfristige Ziel der Klausel-Richtlinie 93/13 ist, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, indem der Abschreckungseffekt aufrechterhalten wird, der darin besteht, dass diese Klauseln schlicht unangewendet bleiben. Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz, der den Verbrauchern gewährt wird, beruht und gemäß dem die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten verpflichtet, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird, rechtfertigen eine solche Konsequenz. Daher kann sich ein Gewerbetreibender, der das vertragliche Gleichgewicht durch Auferlegung einer missbräuchlichen Klausel gestört hat, nicht selbst auf dieses Gleichgewicht berufen, um den Folgen der Ungültigerklärung dieser Klausel zu entgehen. Dabei ist auch unerheblich, dass sich der Gewerbetreibende, der eine missbräuchliche Schadenersatzklausel auferlegt hat, in seiner Schadenersatzklage gar nicht auf die Klausel stützt, weil nämlich die Durchführung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Folgen nicht von den prozessualen Entscheidungen dieses Gewerbetreibenden abhängen kann.
Das Verfahren ist noch nicht beendet; erst einmal ist wieder der OGH am Zug, der ja jetzt weiß, was er zu tun hat. Gut möglich, dass der Kunde am Ende gar nichts zahlen muss. Denn es zählt, sagt uns der EuGH, der Sanktionscharakter der Richtlinie! Eine materielle Ausgewogenheit zwischen den Parteien wird gar nicht angestrebt, das Fortbestehen eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs (oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung) würde die Abschreckungswirkung der Richtlinie vereiteln.
Unzulässige Stornoklauseln führen also zu einem kostenlosen Stornorecht des Kunden, wenn der Vertrag solche Klauseln auch nur enthält, ohne dass sich der Unternehmer auf sie stützt.
Ob das, was der EuGH zu den unzulässigen Stornoklauseln sagt, allgemein auf missbräuchliche und auch auf intransparente Klauseln umlegbar ist, müssen erst noch künftige OGH-Entscheidungen zeigen. Während die Klausel-RL 93/13 ausdrücklich nur missbräuchliche Klauseln untersagt, geht ja österreichisches Recht zulässigerweise (Mindestharmonisierung) noch darüber hinaus insofern, als nach § 6 Abs 3 KSchG auch solche Klauseln nichtig sind, die einfach unklar oder unverständlich abgefasst („intransparent“) sind. Aber bedingt nicht das Eine stets auch das Andere? Immerhin sieht auch Art. 5 der Klausel-RL 93/13 vor: „Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. […]“.
21.11.2022: Und wieder gewinnt die Bank (8 Ob 81/22b)!
Die Kläger schlossen als Verbraucher 2007 mit einer in Österreich tätigen Bank einen Kreditvertrag mit einer Laufzeit bis 2032 ab. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte den Klägern einen in „Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 120.000 EUR in folgender Währung: Schweizer Franken“ auf ihrem Konto zur Verfügung zu stellen.
Zusammengefasst bringen sie vor, dass eine unechte Fremdwährungsschuld vereinbart worden sei. Eine hinreichende Aufklärung über das unter Umständen existenzbedrohende Wechselkursrisiko sei nicht erfolgt. Sie hätten ihren Wohnsitz in Österreich und bezögen ihr Einkommen ausschließlich in Euro. Sie hätten keine Verwendung für Schweizer Franken, sondern vielmehr Verbindlichkeiten in Österreich abzudecken gehabt. Für die abgeschlossene Schweizer Franken-Variante des Kredits sei ein Zinssatz von 4 % heranzuziehen, bei richtiger Aufklärung hätte sich jedoch ergeben, dass dieser Kredit für die Kläger teurer sei als ein konventioneller Euro-Kredit. Die Auszahlung sei in Euro erfolgt. Für die Rückzahlung bestehe eine für die Kläger nicht abänderbare Einzugsermächtigung vom Euro-Verrechnungskonto. Die inkriminierten Klauseln seien intransparent und missbräuchlich. Sie stellten das Währungsrisiko, die Kreditkosten sowie die zur Anwendung kommenden Umrechnungskurse, Devisenhandelsspannen und Spesen nicht oder nur unzureichend dar, enthielten unwirksame Tatsachenbestätigungen und seien für die Kläger gröblich benachteiligend. Die Klauseln hätten daher ersatzlos zu entfallen. Der Kreditvertrag werde dadurch undurchführbar und sei deshalb gesamtnichtig. Wären nur die Klauseln nichtig und der Restvertrag gültig, wäre der Kredit jedenfalls nicht in Schweizer Franken, sondern in Euro abzurechnen und zurückzuzahlen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge: Zwar sei die Kreditsumme bestimmt. Damit sei in hinreichend bestimmter Form eine echte Fremdwährungsschuld begründet worden. Das bedeute jedoch noch nicht, dass die Klausel auch dem Transparenzgebot entspreche. In einem Verbandsprozess habe der Oberste Gerichtshof eine vergleichbare Klausel als intransparent erachtet. Das sei jedoch nicht ohne Weiteres auf einen Individualprozess übertragbar. Nach dem Vertragstext sei von keiner ausreichenden Aufklärung auszugehen. Die Beklagte habe aber vorgebracht, dass die Initiative zur Umschuldung auf einen Fremdwährungskredit von den Klägern ausgegangen sei. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs sei auch die Risiko- und Kostenaufklärung Teil der Prüfung der Transparenz der die Hauptleistungspflichten eines Fremdwährungskredits regelnde Klauseln. Es komme daher darauf an, inwieweit die Kläger umfassend über das Wechselkursrisiko, wie von der Beklagten behauptet, informiert worden seien, was vom Erstgericht aber noch nicht geprüft worden sei. Dass Banken bei einem Geldwechsel Gewinn anstrebten, sei auch einem Konsumenten bekannt. Aus dem Fehlen einer Aufklärung über die mit der Auszahlung der Kreditsumme und den Zahlungen des Kreditnehmers verbundenen Kosten sei daher nicht auf die Intransparenz der die Hauptleistungspflichten eines Fremdwährungskredits regelnden Klauseln zu schließen. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagten eine Einziehungsermächtigung zu Lasten eines Euro-Girokontos der Kläger erteilt worden sei. Dass die Kläger damit nicht verpflichtet worden seien, die Zahlungsflüsse über dieses Konto abzuwickeln, sei für den durchschnittlichen Verbraucher nicht transparent. Damit könne die Duldung der Einziehung aber auch als Wahrnehmung der Ersetzungsbefugnis des § 907b ABGB angesehen werden. Die Verrechnung von Geldwechselspesen sei dann aber nicht gedeckt.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde vom Berufungsgericht zugelassen, um klarzustellen, ob einem Durchschnittsverbraucher der Umstand erkennbar sei, dass bei Auszahlung eines Fremdwährungskredits in Euro ein zusätzlicher, entgeltlicher Geldwechselvertrag geschlossen worden sei. Auch sei eine Klarstellung zur Währung, in der eine allfällige bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu erfolgen habe, erforderlich.
Ein Fremdwährungskredit ist ein Kredit, der dem Kreditnehmer in einer anderen Währung als in Euro (zB Schweizer Franken) gewährt wird (vgl § 2 Abs 12 VKrG).
Kriterium der echten Fremdwährungsschuld ist, dass der Gläubiger den Anspruch auf Zahlung in Fremdwährung hat, während bei der unechten Fremdwährungsschuld dem Gläubiger eine Forderung nur in inländischer Währung zusteht und die Angabe der fremden Währung lediglich als Rechnungsgrundlage zur Ermittlung des geschuldeten Euro-Betrags dient.
Voraussetzung für den echten Fremdwährungskredit ist daher, dass der Kredit in einer anderen Währung als in Euro gewährt und die fremde Währung die – vor allem für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers – maßgebliche Grundlage bildet.
Die Kläger haben über viele Jahre weder die im Kontoauszug angegebene CHF-Summe noch den Umrechnungskurs beanstandet. Aus diesem Verhalten ist daher auch im vorliegenden Fall auf das Einverständnis der Kreditnehmer mit dem ihnen auf diese Weise bekanntgegebenen Schweizer Franken-Betrag zu schließen. Damit ist der Kreditbetrag in CHF und damit die – echte – Fremdwährungsschuld ausreichend „bestimmt“ und der Vertrag mit dieser Kreditsumme zustande gekommen.
Die Kläger haben sich im vorliegenden Fall unmissverständlich dafür entschieden , den Kredit in CHF aufzunehmen, womit ein Fremdwährungskredit vorliegt. Insbesondere haben die Kläger wiederholt darauf hingewiesen, dass sie sich (aufgrund behaupteter mangelhafter Aufklärung) für einen CHF-, nicht Euro-Kredit entschieden haben. Dass sie tatsächlich kein Interesse an einer realen Verwendung von CHF hatten, sondern diese Konstruktion zur Ausnutzung von erwarteten Zinsvorteilen wählten, ändert nichts daran, dass der Kredit in CHF „ausgenutzt“ wurde.
Steht aber fest, dass die Kläger den Kredit in CHF aufgenommen haben, folgt schon aus der Definition des Fremdwährungskredits, dass sie die Rückzahlung in dieser Währung zu leisten haben. Die Klausel, wonach die Rückzahlung des Kredits in der jeweils ausgenutzten Währung erfolgt, ist weder unklar noch unverständlich. Die Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich.
Zwar sieht der Kreditvertrag eine Einzugsermächtigung vom Euro-Girokonto der Kläger vor. Diese steht der Möglichkeit, die Fremdwährung anderswo zu beschaffen, schon aufgrund ihrer Widerruflichkeit nicht entgegen. Wenn die Kläger meinen, dass eine derartige Möglichkeit unrealistisch sei, weil sie ihr Einkommen in Euro bezögen, übergehen sie, dass sie CHF gegebenenfalls bei einer anderen Bank kaufen könnten, wenn sie der Ansicht sind, dass dies für sie günstiger sei.
Es liegt im Wesen des Fremdwährungskredits, dass Vorteile, die sich aus dem Zinsniveau einer fremden Währung ergeben, nutzbar gemacht werden sollen. Daher steht der Umstand, dass die Kläger ihr Einkommen in einer anderen Währung lukrieren, als der Kredit aufgenommen wurde und zurückzuzahlen ist, mit dem Zweck eines Fremdwährungskredits typischerweise nicht in Widerspruch.
26.09.2022
Über die einzige ermutigende Entscheidung 6 Ob 51/21z haben wir bereits berichtet (am 21.04.2022 zu Punkt 7.):
Die Bank sollte dort laut Kreditvertrag einen „in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 50.000 EUR“ zur Verfügung stellen. Der Kredit soll erst 2025 endfällig zurückgezahlt werden. Die Rückführung des Kredits erfolgt laut Kreditvertrag „in jener Währung, in der der Kredit ausgenützt ist“ bzw. in der Währung, „in der sie das Kreditinstitut gegeben hat“. Eine Umrechnungsklausel enthält der Kreditvertrag nicht. Das schafft freilich ein Problem, denn eine Schuld muss ja stets bestimmt sein. Eine Schuld ist zwar auch dann „bestimmt“, wenn sie nur „bestimmbar“ ist und der (möglichen; billigen) Ermittlung des anderen Teiles anheimgestellt wurde. Dann muss aber die Art der Ermittlung vertraglich festgelegt sein (RIS-Justiz RS0014707). Das war hier eben nicht der Fall.
Wenn also ein Kreditvertrag keine Umrechnungsklausel enthält und der Kreditbetrag in EUR ausbezahlt wurde, ist die Schuld nicht bestimmt und nicht einmal bestimmbar und der Vertrag daher unwirksam. Er muss dann bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden: Bank und Kreditnehmer stellen einander alles Empfangene (verzinst) zurück, an der ruinösen Wechselkursentwicklung der vergangenen Jahre nimmt der Kreditnehmer nicht teil.
Es gibt aber – von anderen Senaten des OGH – inzwischen viele entmutigende Entscheidungen:
- In 4 Ob 3/22b blieb der Kreditnehmer mit seiner Klage erfolglos. Auch hier fehlte dem Vertrag eine Umrechnungsklausel. Der OGH hält aber den Sachverhalt für „insofern untypisch, als die Parteien die Verknüpfung von Euro und Schweizer Franken im Vertrag völlig offenließen“. Unverdrossen geht der OGH von einer Vertragslücke aus, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden müsse. Dass der EuGH wiederholt diese Möglichkeit der Ersetzung von Vertragsbestimmungen durch dispositives Recht eingeschränkt hat, sei im vorliegenden Fall deshalb nicht einschlägig, weil die EuGH-Entscheidungen zu nachträglichen Vertragslücken ergangen sind, wo es also durchaus Klauseln gab, die jedoch als missbräuchlich erkannt worden sind und daher der Klauselkontrolle nicht standgehalten haben, sondern weggefallen sind. Auf den Fall einer bereits anfänglichen Vertragslücke (gar keine Umrechnungsklausel vereinbart!) ließen sich diese E nicht übertragen, sagt der vierte Senat.
- Ganz ähnlich der Fall 4 Ob 15/22t: Dieser, so der vierte Senat, unterscheide sich nämlich dadurch von dem ermutigenden Fall des sechsten Senats zu 6 Ob 51/21z (wo lediglich Euro-Beträge angegeben waren und der Kreditnehmer keine Kenntnis vom CHF-Saldo erlangte), dass hier die Kreditsumme in ausländischer Währung ausgedrückt ist, „und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von 100.000 EUR, konkretisiert im Kontoauszug anlässlich der Zuzählung mit 155.000 CHF“. Die Kreditvaluta sei daher gar nicht „unbestimmt“. Für so ein Ergebnis muss man sich schon ziemlich über den Kopf kratzen.
- Im Fall des ersten Senats 1 Ob 173/21d wiederum wurde der Kreditnehmerin zum Verhängnis, dass die Bank ihr die Kreditsumme in CHF und den Kurs, zu dem der Geldwechsel (von CHF in EUR) erfolgte, schon im ersten Kontoauszug offengelegt und sie das auch nie beanstandet hat. „Aus ihrem Verhalten ist auf ihr Einverständnis mit dem ihr auf diese Weise bekanntgegebenen CHF-Betrag zu schließen.“ Also wieder nicht „unbestimmt“, obwohl auch dieser Kreditvertrag keine Umrechnungsklausel enthielt!
- Und schließlich die E 5 Ob 54/22k, wo sich die Kläger auf missbräuchliche und also unzulässige Konvertierungsklauseln berufen haben, weil die Kursbildung unklar und nicht nachvollziehbar sei. Eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Recht sei ja nach der EuGH-Rechtsprechung unzulässig, das Kreditverhältnis somit rückabzuwickeln. Mag sein, sagt der fünfte Senat, aber wenn die von den Klägern beanstandeten „Konvertierungsklauseln“ entfallen würde und auch eine Lückenschließung nicht in Betracht käme, so bliebe es doch „nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 47/21z; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 62/21i) dabei, dass die Kreditrückzahlung (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen“. Der OGH unterstellt bei diesem sog. „Trennungsmodell“ einfach zwei Verträge, einen Fremdwährungskreditvertrag und einen Geldwechselvertrag.
Weder die Entscheidung des sechsten Senats noch die übrigen Entscheidungen erscheinen bereits ausgegoren. Von „untypischen Sachverhalten“ kann aber keine Rede sein. Viele FX-Kredite enthalten einfach keine Umrechnungsklausel. Der OGH will wohl so viele FX-Kreditverhältnisse „retten“ wie möglich, aber die EuGH-Rechtsprechung, an die er gebunden ist, setzt ihm dabei gewisse Schranken.
14.07.2022
Wer hätte das gedacht: Die Republik Österreich haftet nicht für Vermögensschäden geschädigter Bankkunden aufgrund einer fehlerhaften Bankaufsicht durch die FMA!
Bei der anonymisierten Bank mit Namen C* Aktiengesellschaft, um die es in dem Fall 1 Ob 91/22x geht, könnte es sich um die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG gehandelt haben, denn auch dieser untersagte die Finanzmarktaufsichtsbehörde („FMA“) mit Mandatsbescheid vom 14. 7. 2020 gemäß § 70 Abs 2 Z 4 BWG die weitere Vornahme von Bankgeschäften mit sofortiger Wirkung.
In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Bank eingeleitet und mit 29. 7. 2020 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet, Schadenssumme EUR 826 Millionen.
Wenn die zuständigen Beamten die gebotenen bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen früher gesetzt oder Strafverfahren gegen die verantwortlichen Personen der Bank eingeleitet hätten, wären die „Malversationen“ innerhalb der Bank früher bekannt geworden und die Klägerin hätte – da sie dann kein Geld bei dieser eingelegt hätte – keinen Schaden erlitten. Normalerweise haftet die Republik für das Versagen ihrer Organe. Hier nicht. Denn gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG ist eine Amtshaftung für Schäden, die Dritten (sohin auch der Klägerin) von Organen der FMA in Vollziehung von Aufgaben der Bankenaufsicht zugefügt wurden, seit ein paar Jahren ausdrücklich ausgeschlossen, so will es der Gesetzgeber.
Wir hatten das schon hier vorausgesagt. Und deswegen diesmal nicht mehr zu so einer Klage geraten (früher war das noch anders).
Aber wenn man als Gesetzgeber (s)eine Haftung einfach so ausschließt, ist das dann nicht verfassungswidrig? Nein (G 224/2021). Und unionsrechtswidrig? Auch nicht (C-222/02; C-501/18).
Aber da war noch was, die Haftung für den „Revisionsverband“:
Banken werden ja nicht nur beaufsichtigt, sondern auch geprüft. Hätten nicht die Prüfer etwas erkennen müssen? Schon möglich, meint der OGH, aber nicht zu prüfen. Die Bank selbst war zwar eine AG, aber ihre Hauptgesellschafterin war genossenschaftlich organisiert. Bei Aktiengesellschaften, in die der Bankbetrieb oder der bankgeschäftliche Teilbetrieb einer Genossenschaft eingebracht wurde, hat das Prüfungsorgan auch die Aufgaben des Bankprüfers wahrzunehmen. Prüfgegenstand sind Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Einrichtungen der Genossenschaft, ihrer Rechnungslegung und ihrer Geschäftsführung, insbesondere die Erfüllung des Förderungsauftrags und die Wirtschaftlichkeit, sowie die Zweckmäßigkeit, Stand und Entwicklung ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Tätig (oder nicht) wurde hier die Burgenländische Landesregierung als „Revisionsverband“. Aber der, erkennt der OGH, ist keine Behörde. Die Ausübung staatlicher Kontrolle und Aufsicht im privatwirtschaftlichen Bereich ist nicht per se Hoheitsverwaltung (1 Ob 170/17g mwN). Verbleiben Zweifel, ob ein bestimmter Verwaltungsakt im Bereich der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung zu ergehen hat, ist letzteres anzunehmen (RS0050117). Die Genossenschaftsrevision verfolgt in erster Linie einen gesellschaftsrechtlichen Prüfungsansatz. Sie dient primär der Sicherung der Interessen der Genossenschafter.
Und wieso haftet die Republik nicht für die Staatsanwaltschaft, die es trotz zahlreicher Hinweise jahrelang unterlassen hat, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten?
Weil die Strafverfahrensvorschriften den Interessen der Gemeinschaft, der Öffentlichkeit und des Staats dienen, nicht denen des Einzelnen! Wenn die Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse tätig geworden wäre, so wäre also ihre Amtshandlung nicht oder nur mittelbar auch dem geschädigten Dritten zugutegekommen („Reflexwirkung“). Man merkt dann, wie sich der OGH hier deutlich schwerer tut mit seiner Begründung, aber sein Fazit lautet: Dass ein Schaden durch die frühere Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter Umständen verhindert werden hätte können, kann als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keinen Amtshaftungsanspruch begründen.
- Gruß aus Schilda: Wir haben zwar eine Bankenaufsicht. Die ist aber nicht dafür da, die Banken zu beaufsichtigen. Vielleicht sollten wir sie daher lieber umbenennen in „Bankenbundesamt“. Die Entscheidung ist richtig. Das Gesetz ist falsch.
29.06.2022: FX-Kreditvertrag selbst bei unwirksamer Konvertierungsklausel wirksam (7 Ob 58/22p)!
Hier hatten sich die Kläger entschlossen, den Kredit in der Währung Schweizer Franken auszunützen, in der vertragsgemäß auch die Rückführung des Kredits erfolgen sollte. Dafür wird auch das CHF-Konto der Kläger geführt. Da diese Währung hier daher unzweifelhaft die von den Klägern „ausgenützte Währung“ ist, gingen die Vorinstanzen im Einklang mit der genannten Rechtsprechung davon aus, dass der den Klägern gewährte Kredit als echter (endfälliger) Fremdenwährungskredit in CHF zu qualifizieren ist.
Ist der Geldwechselvertrag unwirksam, fällt der Fremdwährungskreditvertrag nicht automatisch weg. Entfielen beim Fremdwährungskreditvertrag die „Konvertierungsklauseln“ und käme auch eine Anwendung des § 907b Abs 1 ABGB nicht in Betracht, so bliebe es grundsätzlich dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen.
Hier wurde die Kreditsumme bei Vertragsabschluss mit „zum Gegenwert von 149.000 EUR“ umschrieben. Der vorliegende Fall enthält nun zwar keine Klauseln für die Ermittlung der Umrechnung in den CHF-Betrag (der naturgemäß erst nach dem Kreditabruf nach Maßgabe des aktuellen Kurses errechnet werden konnte). Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 51/21z zugrunde liegenden Fall brachten die Kläger hier aber selbst vor, dass nach Kreditvertragsabschluss das CHF-Kreditkonto mit einem Betrag in Höhe von 228.595,80 CHF belastet worden sei, in welchem Zusammenhang sie sich ausdrücklich auf den ihnen – offenkundig zugegangenen – Kontoauszug des CHF-Kontos bezogen, der nach ihren eigenen Behauptungen sowohl den CHF-Betrag auswies als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs dokumentierte. Erlangten sie aber auf diese Weise Kenntnis vom Kreditbetrag in CHF und beanstandeten sie diesen CHF-Betrag nicht, so lässt ihr Verhalten hier nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF-Betrags einverstanden gewesen zu sein, mit dem ihr CHF-Konto belastet wurde (vgl 9 Ob 66/21b, 1 Ob 173/21d). Damit ist die Fremdwährungsschuld betraglich mit 228.595,80 CHF bestimmt und zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz vertragsgegenständlich.
01.06.2022, 5Ob54/22k: Zur Wirksamkeit des Trennungsmodells
Im schriftlichen Kreditvertrag aus 2005 heißt es auszugsweise:
„1. Kreditbetrag:
Die Bank stellt Ihnen einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken mit der Möglichkeit zum Zeitpunkt einer jeden Tranchenfälligkeit in Japanische Yen (wobei die Umrechnung über den Euro erfolgt) und Euro zu tauschen, auf Roll-over-Basis im Gegenwert von maximal 170.000 EUR (in Worten Euro einhundertsiebzigtausend) zur Verfügung. Die Umrechnung in die vereinbarte Währung erfolgt zum jeweils am Zuzähltag gültigen Geldkurs auf Basis (Beklagten-)Fixing und steht ihnen mit Valuta vier Banktage später auf Ihrem Eurokonto [...] zur Verfügung.
[…]
4. Zinsen, Spesen und Gebühren:
4.1. Zinsen:
Für diesen Kredit berechnet Ihnen die Bank für Ausnützungen in Fremdwährung einen Zinssatz, welcher jeweils 1,5 % über dem maximal um 1/8 % auf volle Viertelprozentpunkte ab- oder aufgerundeten LIBOR (…) für Dreimonats-Zwischenbankgelder liegt, wobei der Zinssatz erstmals bei Zuzählung festgesetzt wird und dann jeweils zwei Banktage vor Beginn jeder Zinsperiode von der Bank laut British-Bankers-Association LIBOR Rate angepasst wird, sofern sich der entsprechende Indikatorwert verändert hat.[…]
5. Laufzeit und Rückführung:
5.1. Der Kredit wird auf Roll-over-Basis mit Einzelzinsperioden von drei Monaten, jeweils bis zum 15. 3.,15. 6.,15. 9. und 15. 12. eines jeden Jahres, abhängig von der Erhältlichkeit und Refinanzierbarkeit auf dem Geldmarkt, gewährt. Es steht Ihnen frei, die Kreditvaluta in mehreren Teilbeträgen abzurufen, wobei sich der Euro-Gegenwert jedes Teilbetrages auf mindestens 36.400 EUR beläuft. Die Zinsperiode jeder einzelnen Teilausnützung endet zum darauffolgenden Abrechnungstermin.
5.2. Der Kredit ist bis 15. 3. 2025 zurückzuzahlen. Für den Zeitraum ab Inanspruchnahme des Kredits beginnend mit 15. 6. 2005 bis 15. 3. 2025 verpflichten Sie sich, die jeweils nach Tranchenlaufzeit anfallenden Zinsen nach Ablauf der Tranchenlaufzeit zur Einzahlung zu bringen. Es gilt weiters als vereinbart, dass bis spätestens 15. 3. 2025 der gesamte Kreditbetrag in Höhe von derzeit 170.000 EUR zur Rückzahlung fällig ist. Die Rückführung des Kredits zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Briefkurs auf Basis (Beklagte-)Fixing, hat zu Lasten ihres Kontos [...] zu erfolgen, sodass der 15. 3. 2025 als letzter Rückführungstermin gewährleistet ist. Die Rückführung ist variabel und richtet sich nach den jeweiligen Tranchenfälligkeiten, wobei zumindest die anfallenden Zinsen und Spesen, beginnend mit 15. 6. 2005, zu entrichten sind.“
Die Kläger behaupten die Nichtigkeit des Kreditvertrags. Dessen Konvertierungsklauseln verstießen gegen § 6 Abs 1 und 2 KSchG sowie § 879 Abs 3 ABGB, weil die Kursbildung unklar und nicht nachvollziehbar sei. Eine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung oder dispositives Recht sei unzulässig, das Kreditverhältnis somit rückabzuwickeln. Hilfsweise begehren die Kläger Zahlung von 77.000 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Hätte die Beklagte sie über die Nichtigkeit des Vertrags aufgeklärt, hätten sie diesen nicht abgeschlossen, sondern einen Euro-Abstattungskredit aufgenommen.
Das Erstgericht wies das Hauptbegehren, zwischen den Streitteilen festzustellen, dass der Kreditvertrag nichtig und das Kreditverhältnis von der Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung von 171.456,98 EUR lastenfrei zu stellen sei, ebenso ab wie das Eventualzahlungsbegehren.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, die beanstandeten Konvertierungsklauseln seien intransparent. Eine geltungserhaltende Reduktion komme nicht in Betracht. Allerdings stehe mit § 907b Abs 2 ABGB eine Norm des dispositiven Rechts zur Verfügung, die anordne, dass eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im Inland auch in inländischer Währung erfüllt werden könne, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen worden sei. Die Umrechnung habe diesfalls nach dem Kurswert zu erfolgen. So wie aus dem Begriff „(Beklagten-)Fixing“ nicht abzuleiten sei, wie der Kurs ermittelt werde, enthalte auch der im Gesetz genannte „Kurswert“ keine weitere Information. Die inkriminierte Klausel lasse sich ohne weiteres durch diesen Begriff des dispositiven Rechts ersetzen, der – hätten die Streitteile im Vertrag nicht auf das „Fixing“ verwiesen – ihnen vom dispositiven Recht zur Verfügung gestellt worden wäre. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags liege daher nicht vor. Da das Eventualbegehren die Nichtigkeit des Vertrags voraussetze, sei es ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Die Frage der Intransparenz der Klausel sei ebensowenig Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens wie die Frage, ob eine Klausel durch Inhalt des dispositiven Rechts ersetzt werden könne.
Die von den Revisionswerbern gegen das „Trennungsmodell“ ins Treffen geführten Argumente können nicht überzeugen.
Graf (in ecolex 2021/638, 990) hält es für fraglich, ob das vom Obersten Gerichtshof vertretene Trennungsmodell die Perspektive des Kreditnehmers, der Verbraucher sei, vom Vertragsabschluss realistisch wiedergebe.
Dem ist zu entgegnen, dass der EuGH grundsätzlich – so auch zu C-932/19 – nur die ihm konkret gestellten Fragen des nationalen Gerichts beantwortet, das jeweils nach der Missbräuchlichkeit und/oder Transparenz einer Vertragsklausel betreffend den Ein- und Verkaufskurs der Fremdwährung im Kreditvertrag fragte und das in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fallbezogen vertretene „Trennungsmodell“ nicht erwähnte. Gerade die eingangs zitierte Vertragsgestaltung im konkreten Fall zeigt aber deutlich, dass sich ein durchschnittlich verständiger Kreditkunde dessen bewusst sein musste, dass jeweils anlässlich der festgelegten Tranchenfälligkeit eine Konvertierung der Fremdwährung in Euro oder Yen möglich gewesen wäre, was – ebenso wie die Rückzahlung der nach Tranchenlaufzeit anfallenden Zinsen (die ebenso entweder in Fremdwährung oder Euro erfolgen konnte) – einen Geldwechselvorgang erforderte.
Die Entscheidung des EuGH C-212/20 „A“ S.A. nimmt zur Frage des „Trennungsmodells“ nicht Stellung. Sie betraf einen in Polen aufgenommenen Fremdwährungskredit, bei dem das Darlehen an den Schweizer Franken gekoppelt war, wobei die Rückzahlung in Polnischen Zloty zu einem Satz zu erfolgen hatte, der nicht unter dem Einkaufskurs nach der zum Auszahlungszeitpunkt geltenden, näher bezeichneten Tabelle liegen dürfe. Der EuGH sprach aus, dass Art 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen dahin auszulegen sei, dass der Inhalt einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags, die die Ein- und Verkaufskurse einer Fremdwährung, an die das Darlehen gekoppelt ist, festlegt, es einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher ermöglichen muss, auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien zu verstehen, wie der zur Berechnung der Höhe der Tilgungsraten verwendete Fremdwährungswechselkurs festgelegt wird, damit dieser Verbraucher die Möglichkeit hat, den von dem Gewerbetreibenden angewandten Wechselkurs jederzeit selbst zu bestimmen. Weiters urteilte der EuGH, dass Art 5 und Art 6 der genannten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie dem nationalen Gericht, das die Missbräuchlichkeit einer Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags im Sinn von Art 3 Abs 1 dieser Richtlinie festgestellt hat, nicht gestatten, eine Auslegung dieser Klausel vorzunehmen, um ihrer Missbräuchlichkeit abzuhelfen, auch wenn diese Auslegung dem gemeinsamen Willen der Vertragsparteien entsprechen sollte. Er führt aus (Rz 57), das vorlegende Gericht habe bei Missbräuchlichkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Indexklausel diese unangewendet zu lassen. Nur dann, wenn die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte, sodass er dadurch geschädigt würde, könne das nationale Gericht die Klausel durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts ersetzen (Rz 72). Aus dem Satz (Rz 74), im vorliegenden Fall lasse sich nicht entnehmen, dass die vom vorlegenden Gericht in Betracht gezogene Auslegung dazu dienen soll, die Unwirksamkeit des Vertrags deshalb zu heilen, weil er ohne die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Indexklausel nicht fortbestehen könnte, lässt sich (implizit) sogar ableiten, dass auch der EuGH von einer Durchführbarkeit eines Fremdwährungskreditvertrags selbst ohne Umrechnungsklauseln ausgeht. Jedenfalls rechtfertigt er aber nicht die Auslegung dahin, das „Trennungsmodell“ des Obersten Gerichtshofs sei mit der europäischen Rechtsprechung nicht vereinbar. An dem vom Obersten Gerichtshof vertretenen Grundsatz, gerade im Zusammenhang mit Fremdwährungskreditverträgen seien Devisengeschäfte mit dem Kreditgeber zwar häufig, aber weder faktisch noch rechtlich zwingend erforderlich, ist daher weiterhin festzuhalten.
Kurios der Fall 4 Ob 208/21y, über den der OGH am 24.05.2022 entschieden hat - bald ist es wohl schon rechtsmissbräuchlich, überhaupt die Gerichte anzurufen:
Der Kläger nahm 2004 bei der beklagten Bank einen endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken im Gegenwert von 170.000 EUR auf, um die Renovierung seines Hauses zu finanzieren, obwohl er kein Einkommen in Schweizer Franken hatte.
Der Kläger erhielt den Kreditbetrag in Euro ausbezahlt. Er erhielt regelmäßig Kontoauszüge und jährliche Abrechnungen, die er nicht beanstandete. 2015, 2017 und 2018 wies die Beklagte den Kläger in Beratungsgesprächen auf die ungünstige Kursentwicklung hin, wobei der Kläger eine Konvertierung jeweils ablehnte.
Ein Fremdwährungskreditvertrag liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet.
Auch die Rückzahlung kann je nach Vertragsgestaltung daher entweder in Euro (unechte Fremdwährungsschuld) oder in fremder Währung geschuldet sein (echte Fremdwährungsschuld).
Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 51/21z zugrunde liegenden Fall erhielt der Kläger im vorliegenden Fall seit 2004, sohin 18 Jahre lang, regelmäßig Kontoauszüge und jährliche Abrechnungen, ohne diese jemals zu beanstanden. Außerdem wurde der Kläger in den Jahren 2015, 2017, 2018 und 2019 mehrfach auf die Kursentwicklung hingewiesen, wobei der Kläger jedoch eine Konvertierung seines Kredits ablehnte.
Im vorliegenden Fall kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Wille des Klägers darauf gerichtet war, das Wechselkursrisiko zu Schweizer Franken zu tragen. Der Kläger wünschte von vornherein einen CHF-Kredit, wurde über das damit verbundene Risiko belehrt und lehnte in der Folge trotz mehrfacher Hinweise auf die Wechselkursentwicklung eine Konvertierung seines Kredits ab. Ebenso kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Kläger die von der Beklagten zugrundegelegten Wechselkurse kannte und dennoch eine Fortsetzung des Kreditverhältnisses wünschte. Dies entsprach auch zweifellos seiner Interessenlage, wäre doch andernfalls eine sofortige Rückzahlung der zugezählten Kreditvaluta zuzüglich 4 % Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB) erforderlich gewesen.
Die mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von bereits in das Vollzugsstadium getretenen Dauerschuldverhältnissen verbundenen Schwierigkeiten erfordern es, dass ein Vertragspartner, der sich auf die Ungültigkeit eines Dauerschuldverhältnisses (hier: wegen angeblicher mangelnder Bestimmtheit) berufen möchte, seinen Vertragspartner zeitnah darüber aufklärt.
Das Verbot der (willkürlichen) einseitigen Festsetzung des Entgelts soll den Vertragspartner vor den damit verbundenen Gefahren schützen, nicht aber ihm ermöglichen, sich von der Tragung eines von ihm bewusst und fehlerfrei übernommenen Risikos (hier: des Wechselkursrisikos) zu lösen (sog. „venire contra factum proprium“; widersprüchliches Verhalten). Der OGH billigt nicht, es einem Kreditnehmer zu ermöglichen, seinen Vertragspartner jahrzehntelang über seinen Rechtsstandpunkt im Unklaren zu lassen und damit im Ergebnis auf dessen Rücken zu spekulieren.
Der Deutlichkeit halber ist zu betonen, dass diese Überlegungen ausschließlich den Einwand betreffen, es liege wegen mangelnder Bestimmtheit überhaupt kein Vertrag vor. Die Geltendmachung einer unrichtigen Berechnung einzelner Raten oder des aushaftenden Restbetrags ist davon nicht betroffen. Die allfällige Sittenwidrigkeit einer einzelnen Klausel hätte jedenfalls nicht die Ungültigkeit des gesamten Vertrags zur Folge (RS0016420). Allfällige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wechselkurses führen jedoch nicht zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags wegen mangelnder Bestimmtheit. Insoweit ist vielmehr schon durch die zeitnahe Information des Kunden über den zugrundegelegten CHF-Betrag ausreichende Bestimmtheit anzunehmen (vgl 9 Ob 66/21b). Hier lässt vielmehr das Gesamtverhalten des Klägers keinen anderen Schluss zu, als dass er das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Kreditvertrags akzeptierte und diesen nicht nur eingehen, sondern auch jahrelang fortsetzen wollte. Der Einwand, dass überhaupt kein gültiger Vertrag vorliege, ist dem Kläger daher verschlossen.
19.05.2022, CHF bleibt CHF (9 Ob 66/21b)
Die Streitteile schlossen am 17./23. 7. 2008 einen Kreditvertrag ab, in dem sich die Bank gegenüber dem Verbraucher verpflichtete, ihm einen „in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 63.500 EUR in folgender Währung: Schweizer Franken … zur Verfügung zu stellen“. Vereinbart wurde weiter: „Sie ermächtigen uns, die dem Kreditkonto jeweils angelasteten Zinsen und Kosten sowie fällige Kapitaltilgungen zu Lasten des Euro-Girokontos … einzuziehen … Der Kredit steht Ihnen in der eingangs angeführten Höhe bis 31. 7. 2022 zur Verfügung. Die Rückführung erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung.“ Die damaligen AGB sahen überdies vor, dass Fremdwährungskredite effektiv, dh in der Währung zurückzuzahlen sind, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat. Eine Vereinbarung zum anzuwendenden Wechselkurs wurde nicht getroffen.
Entscheidend ist, ob der Vertrag Ansprüche auf Zahlung in der Fremdwährung begründet. Hier hatte sich der Kläger entschlossen, den Kredit in der Währung Schweizer Franken auszunützen, in der vereinbarungsgemäß auch die Rückführung des Kredits erfolgen sollte. Dafür wird auch das CHF-Konto des Klägers geführt. Da diese Währung hier daher unzweifelhaft die vom Kläger „ausgenützte Währung“ ist, ging schon das Erstgericht im Einklang mit der genannten Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass der dem Kläger gewährte Kredit als echter (endfälliger) Fremdwährungskredit in CHF zu qualifizieren ist.
Die im Verbandsverfahren ergangene Entscheidung 1 Ob 93/21i steht dem nicht entgegen. Die dort angenommene Unklarheit bezüglich der „ausgenützten Währung“ besteht hier nicht, weil sich der Kläger unmissverständlich dafür entschied, den Kredit in Schweizer Franken aufzunehmen, womit der Kredit ein Fremdwährungskredit blieb. Eine Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich.
Von einer allfälligen Intransparenz oder Missbräuchlichkeit von Umrechnungsklauseln des Geldwechselvertrags ist demgemäß zu trennen, ob der Fremdwährungskreditvertrags als solcher wirksam zustande gekommen ist, um auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden zu können. Dafür müssen die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht des Kreditgebers und die Rückzahlungspflicht als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers als essentialia negotii ausreichend bestimmt im Sinn einer eindeutigen Bestimmbarkeit sein. Darüber hinaus ist selbst ein durch die Unbestimmtheit entstehender Mangel „heilbar“ im Sinne eines neuen Vertragsschlusses, wenn ein späteres Verhalten eindeutige Schlüsse auf den dann gegebenen bestimmten Bindungswillen zulässt. Es geht hier sohin nicht um die Frage der Transparenz der Umrechnungsmodalitäten, sondern um die Bestimmtheit der geschuldeten Kreditsumme. Erst wenn sie nicht bestimmt werden kann, kommt (auch) der Fremdwährungskreditvertrag nicht wirksam zustande.
Hier wurde die Kreditsumme bei Vertragsabschluss mit „zum Gegenwert von 63.500 EUR“ umschrieben. Der vorliegende Vertrag enthält nun zwar keine Klausel für die Ermittlung der Umrechnung in den CHF-Betrag (der naturgemäß erst nach dem Kreditabruf nach Maßgabe des dann aktuellen Kurses errechnet werden konnte). Weil aber der der Kläger nach Kreditvertragsabschluss einen Kontoauszug des CHF-Kontos erhalten hatte, der sowohl den CHF-Betrag auswies als auch den konkret herangezogenen Währungsumrechnungskurs dokumentierte, hat er auf diese Weise Kenntnis vom Kreditbetrag in CHF erlangt und diesen CHF-Betrag – der von Beginn an wie auch im Jahr 2020 nach Zahlung der laufenden Zinsen und Kosten auf den Kontoauszügen als solcher ausgewiesen wurde – nicht beanstandet. Daher lasse sein Verhalten hier nur den Schluss zu, mit einer Kreditsumme in Höhe eben jenes CHF-Betrags einverstanden gewesen zu sein, mit dem sein CHF-Konto belastet wurde. Damit ist die Fremdwährungsschuld hier betraglich mit 104.057,45 CHF bestimmt und zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz vertragsgegenständlich und es können die unionsrechtlichen Fragen der Schließung einer durch Wegfall einer intransparenten oder missbräuchlichen Vertragsklausel entstandenen Lücke durch das dispositive Recht dahingestellt bleiben.
Nur einen Tag später ergeht am 22.04.2022 die Entscheidung 4 Ob 71/22b: wieder gleich, plus eine Klarstellung zur sog. "Gesamtbelastung" iSd § 33 BWG:
Es geht um einen Abstattungskreditvertrag in Schweizer Franken über einen Kreditbetrag im Gegenwert von 318.753,00 EUR.
Im Kreditvertrag sei eine „Gesamtbelastung laut BWG“ von 441.908,44 EUR angeführt worden. Dieser Betrag sei Vertragsgegenstand gewesen und beschränke die (gesamte) Zahlungspflicht des Kunden aus dem Kreditvertrag mit dem genannten Betrag. Die Klägerin habe diese Gesamtsumme beinahe erhalten. Reicht ihr das nicht?
Nein: Der Kunde nahm zur Kenntnis, dass es erforderlich sein könnte, „mehr Kapital aufzubringen, als der Kreditbetrag derzeit in Euro-Währung ausmacht“. Er wurde über das Wechselkurs- und das Zinsrisiko aufgeklärt und auch darüber, dass der Wechselkurs für den Zeitpunkt der Tilgung nicht vorhersehbar sei. Ihm wurde erklärt, dass der Tilgungsträger nicht das halten könne, was er verspreche. Die Streitteile vereinbarten auch, dass die Bank zur Umwandlung des Kredits in EUR berechtigt ist, wenn der aushaftende Saldo durch Erhöhung des Wechselkurses von mehr als 15 % des Gegenwerts der ursprünglichen Kreditsumme übersteigt.
Die geschuldeten Zahlungen sind nicht mit der im Vertrag angeführten Gesamtbelastung des § 33 BWG betragsmäßig beschränkt. Die Berechnung einer Gesamtbelastung nach § 33 BWG, in der nicht vorhersehbare Wechselkursschwankungen berücksichtigt sind, ist bei einem Fremdwährungskredit gar nicht möglich.
21.04.2022
Wenn wir gedacht hatten, mit der im Oktober 2020 veröffentlichten OGH-Entscheidung 8 Ob 37/20d (Zur Erinnerung: Diese Entscheidung hatte den typischen Verbraucher-Fremdwährungskredit-Vertrag aufgesplittet in zwei Geschäfte, nämlich einen Kreditvertrag und zusätzlich noch einen Geldwechselvertrag) sei die Rechtsentwicklung zu den Fremdwährungskrediten abgeschlossen, so belehren uns einige jüngere Entscheidungen inzwischen eines Besseren:
- Zunächst entschied der 1. Senat des Obersten Gerichtshofes am 7.9.2021 in einem sogenannten Klauselverfahren des VKI, dass die Vertragsklausel „Die Rückführung des Kredits erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung“ durch ihre Bezugnahme auf die „jeweilige ausgenützte Währung“ den Kreditnehmer über den Inhalt seiner Rückzahlungspflicht im Unklaren lässt, zumal der Begriff des „Ausnützens“ nicht verständlich erklärt wird, auch im übrigen Vertragstext nicht.
- Auch die beklagte Bank konnte im Verfahren dazu nichts Erhellendes beitragen. Wenn sie vor dem OGH ausführt, der Kreditnehmer müsse jedenfalls Schweizer Franken zurückzahlen, auch wenn er sich EUR auszahlen lässt, so bleibt aber – nach dem Verständnis des OGH – ganz offen, für welche Konstellation dann die in der Klausel vorgesehene Variante gelten soll, dass bei der vertraglich vorgesehenen „Ausnutzung in EUR“ (auch) die Rückführung in dieser Währung „erfolgt“ (gemeint: erfolgen soll). Ausgehend von der Formulierung in sämtlichen Vertragsformularen, wonach der „in EUR und Fremdwährung einmalig ausnützbare Kredit bis zum Gegenwert von EUR {…] in […] CHF“ zur Verfügung gestellt wird, ist nicht klar, was die „ausgenützte“ Währung sein soll, wenn sich der Kreditnehmer den Kreditbetrag in EUR auszahlen lässt (und das ist ja wohl der Regelfall, Anm.).
- Ohne verständliche Vereinbarung in den Kreditverträgen erschließt sich aber dem durchschnittlichen Verbraucher nicht, dass auch hier die „ausgenützte“ Währung der Schweizer Franken sein und er zusätzlich einen „Geldwechselvertrag“ (Verkauf der Fremdwährung) abschließen soll. Die Bank selbst und auch noch das Berufungsgericht hatten die Klausel so verstanden, dass auch in diesem Fall der Kreditnehmer den Kreditbetrag in ausländischer Währung erhält und daher in dieser zurückzuzahlen hat, obwohl der Kreditnehmer doch EUR ausbezahlt erhält und die von der Bank stammende Formulierung durchaus in der Weise verstehen kann, dass er damit diese Währung auch „ausnützt“.
- Für den Verbraucher – so der OGH in 1 Ob 93/21i – ist damit aber nicht transparent und klar, dass er – entsprechend dem Verständnis der Bank – den Kreditbetrag in Fremdwährung „ausnützt“, obwohl er EUR erhalten will und auch erhält. Im Fall der „EUR-Ausnützung“ des Kredits verschleiert die Klausel dem Kreditnehmer das Währungsrisiko, weil er die Bezugnahme auf die Möglichkeit der Ausnützung „in EUR und Fremdwährung“ auch so verstehen kann, dass ihm alternativ ein gewöhnlicher EUR-Kredit (mit einer höheren Zinsbelastung) angeboten wird. Dieses Verständnis könnte, so der OGH weiter, auch durch den Umstand gefördert werden, dass bei „Ausnützung in EUR“ erheblich höhere (und an den EURIBOR gebundene) Zinsen zu zahlen sind, was bei der bloßen Überlassung von Schweizer Franken, die anschließend für den Kunden verkauft werden, dem schließlich der Verkaufserlös ausgezahlt (bzw. auf sein EUR-Konto gutgebucht) wird, schwer verständlich ist.
- Damit ist also die Vertragsklausel 1 intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG und daher unwirksam.
- Freilich, welche allfälligen weitere Rechtsfolgen diese Unwirksamkeit hat, war im Verbandsprozess des VKI nicht zu prüfen. Das Urteil 1 Ob 93/21i lautet daher nur, die Bank sei schuldig, mit sofortiger Wirkung die Verwendung dieser (und anderer) oder sinngleicher Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in Vertragsformblättern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese bereits Inhalt der von der Bank mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträge geworden sind.
- Aber am 2.2.2022 knüpfte dann der 6. Senat die ersten Konsequenzen an diese Entscheidung: In 6 Ob 51/21z hatte der OGH über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Verbraucher seine Bank auf Feststellung klagte, dass er bei Endfälligkeit des Kredits im Jahr 2025 nur EUR 50.000,00 abzüglich bereits bezahlter Tilgungsraten zurückzahlen müsse. Zugrunde lag ein 2003 abgeschlossener Kreditvertrag „im Gegenwert von EUR 50.000,00“, den der Verbraucher in EUR und Fremdwährung einmalig ausnützen konnte. Die Rückführung des Kredits sollte laut Kreditvertrag in jener Währung erfolgen, „in der der Kredit ausgenützt ist".
- Die Unterinstanzen hatten die Klage des Verbrauchers noch abgewiesen, aber der OGH erkannte eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Unterinstanzen und entschied: Obwohl unstrittig war, dass der Kläger den Kredit in Schweizer Franken ausnützte und die Bank ihm auch Schweizer Franken zur Verfügung stellte, vertraten die Parteien unterschiedliche Auffassungen, welche Währung als Schuld-, Zahlungs- und Berechnungswährung fungiert. Auf die Klausel „die Rückführung des Kredits erfolgt in jener Währung, in der der Kredit ausgenutzt ist“, konnte sich die Bank ja nicht mehr berufen (siehe oben), da sie vom OGH kurz zuvor als intransparent erkannt wurde. Auch ihre Berufung auf Z 75 ihrer AGB („Fremdwährungskredite sind effektiv, dh in der Währung zurückzuzahlen, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat“) half der Bank nichts, auch wenn sie „weder intransparent noch gröblich benachteiligend“ ist (vgl. 6 Ob 228/16x, Punkt 2.17.).
- Nach den Feststellungen erfolgte nämlich keine Auszahlung in Fremdwährung. Dass die Bank – wie noch im besprochenen Geldwechsel-Fall 8 Ob 37/20d – mit der Zurverfügungstellung von EUR 50.000,00 zwei verschiedene Rechtsgeschäfte erfüllt hätte, nämlich einmal eine Auszahlung der Kreditsumme in Schweizer Franken und sodann einen Deviseneinkauf dieser Schweizer Franken gegen Zahlung von EUR, wird nicht festgestellt und nicht einmal konkret behauptet. Der Vertragstext schreibt für die Rückzahlung nicht die Auszahlungswährung bei Beginn des Kreditverhältnisses vor, sondern jene Währung, in der der Kredit ausgenützt ist. Er stellt also – so der OGH – offenbar auf den Rückzahlungszeitpunkt ab, was im Zusammenhang mit den im Kreditvertrag beiden Parteien eingeräumten Konvertierungsmöglichkeiten zu verstehen sein mag (der Kläger konnte laut Vertrag die Kreditsumme jederzeit in EUR oder andere Fremdwährungen konvertieren, wobei als variabler Sollzinssatz bei Ausnützung in EUR 4,875% und bei Ausnützung in Fremdwährung 1,375% p.a. vereinbart wurde).
- Im vorliegenden Fall wurden im Kreditvertrag alle Beträge ausschließlich in EUR angegeben und ein Umrechnungsmodus zwischen Schweizer Franken und EUR nicht vereinbart. Auch die Auszahlung der Kreditsumme an den Kläger erfolgte in EUR.
- Auch die im Kreditvertrag angeführte Gesamtbelastung6 gibt nicht die Höhe der Kreditsumme an, sondern die Summe der Leistungen, die das Kreditinstitut im Zusammenhang mit der Kreditgewährung vom Verbraucher verlangt. Auch aus dieser in EUR angegebenen Gesamtbelastung kann nicht auf die Kreditsumme in Schweizer Franken geschlossen werden.
- Amtliche Wechselkurse, mit denen man die Umrechnung EUR-CHF anstellen könnte, gibt es bekanntlich nicht mehr (siehe 8 Ob 37/20d), einen marktüblichen Wechselkurs gibt es auch nicht.
- Nach EuGH C-212/20 müsste der anzuwendende Wechselkurs in einem Fremdwährungskreditvertrag mit einem Verbraucher so detailliert umschrieben sein, dass der Verbraucher auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien in die Lage versetzt wird, den von der Bank jeweils angewandten Wechselkurs jederzeit auch selbst zu bestimmen. Genügt die Vertragsklausel diesen Erfordernissen nicht, darf das nationale Gericht nicht durch Bezugnahme auf den „Marktwert“ Abhilfe schaffen.
- Auch der (aber erst 2013 in Kraft getretene) § 907b ABGB hilft der Bank nicht weiter, weil die Anwendung dieser Norm voraussetzt, dass eine echte Fremdwährungsschuld wirksam vereinbart worden ist. § 907b ABGB kann nicht herangezogen werden, um eine unbestimmte Fremdwährungsschuld zu konkretisieren!
- Und dann erklärt der 6. Senat den Unterschied zu dem Fall, der dem 8. Senat bei 8 Ob 37/20d zur Beurteilung vorgelegen hatte: Hier geht es ja gerade nicht darum, für eine vertraglich festgelegte echte, aber nicht effektive Fremdwährungsschuld den Gegenwert in EUR zu vermitteln. Vielmehr geht es hier um die Frage, ob eine nur in EUR bezifferte effektive Fremdwährungsschuld bestimmbar ist. Da dies nicht der Fall war, hält der OGH als Zwischenergebnis fest, dass wegen Verletzung des Bestimmtheitsverbots gar kein Kreditvertrag zwischen Kläger und Beklagter zustande kam. Was nun?
- Das heißt natürlich nicht, dass die Bank überhaupt keine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von EUR 50.000,00 über einen Zeitraum von bisher immerhin 18 Jahren erhielte. Diesen Rechtsstandpunkt hatte nicht einmal der Kläger vertreten.
- Weil aber der Kreditvertrag unwirksam ist, können wir uns für die Höhe der Zinsen nicht mehr auf die im Kreditvertrag vereinbarte Zinshöhe berufen. Außerdem hätte die Bank vom Kreditnehmer bereits erbrachte Rückzahlungsleistungen (Raten) zurückzustellen, weil mit der Anfechtung des Kreditvertrags auch für die Bank der Rechtsgrund zu Ihrem Behaltendürfen weggefallen ist. Praktisch wären dafür der Rückforderungsanspruch des Kreditnehmers und des Kreditgebers im jeweiligen Umfang gegeneinander aufzurechnen. Daher, so der OGH, darf ohne Kreditvertrag weder der Kreditgeber einen Zinsertrag behalten, der die gesetzlichen Zinsen übersteigt, noch kann sich der Kreditnehmer auf die nicht mehr wirksame Vereinbarung eines günstigeren Vertragszinssatzes berufen. Dazu komme im vorliegenden Fall noch, dass bei einem Kreditvertrag, bei dem die Kreditsumme unbestimmt blieb, gar nicht berechnet werden könnte, wie hoch die Zinszahlungen nach dem vertraglich geschuldeten Zinssatz sein sollen.
- Daraus folgt, für den Kläger unerfreulich, dass sein Klagebegehren auf Feststellung, dass er höchstens EUR 50.000,00 abzüglich der schon bezahlten Raten zurückzahlen müsse, nicht begründet ist. Der OGH hebt die Vorurteile auf und weist einmal die Sache zur Verfahrensergänzung an das Gericht erster Instanz zurück. Wie es ausgehen wird, wissen wir noch nicht.
06.04.2022, keine Gesamtnichtigkeit des FX-Vertrages (6 Ob 24/22f)
Im vorliegenden Fall schlossen die Kläger einen Kreditvertrag, der die Auszahlung eines Kreditbetrags von 200.000 EUR und die Rückzahlung in Schweizer Franken (CHF) regelte. Der – am selben Tag unterfertigte – Konvertierungsauftrag sah einen „Switch von EUR in CHF“ (handschriftlich vereinbart: zum Tageskurs) vor und setzte die „100 % Abwicklung in CHF“ entsprechend dem Konditionenoffert der Beklagten um. Im Ergebnis schuldeten die Kläger somit aufgrund der Konvertierung den entsprechenden CHF-Kreditbetrag im Gegenwert von 200.000 EUR; dieser CHF-Betrag bestimmte die Höhe der Zinszahlungen und den Rückzahlungsbetrag.
23.02.2022: Hier geht es einmal um Sparbücher (3 Ob 208/21s)
21.10.2021 - aber wie ist das nun mit den unzulässigen Klauseln?
Damit hat sich 2 Ob 184/20b über eine Klage des VKI näher beschäftigt; oder auch nicht. Eine Klausel lautete nämlich:
„Währungs- (Wechselkurs-) risiko
Bei jedem Fremdwährungskredit besteht ein Wechselkursrisiko – sofern der Kreditnehmer nicht über Zahlungseingänge in der gewählten Fremdwährung verfügt.
Da der Kredit in Fremdwährung aushaftet, ändert sich der jeweilige Euro Gegenwert des Kreditbetrags entsprechend den Wechselkursschwankungen des Euros gegenüber der Kreditwährung.
Steigt der Kurs des Euros gegenüber der Kreditwährung, so sinkt der Euro-Gegenwert der Kreditaushaftung. Für Zinszahlungen und Tilgung des Kapitalbetrages werden in diesem Fall nur geringere Euro Beträge benötigt, die Belastung wird geringer und es kann die Situation eintreten, dass Sie weniger zurückzahlen als Sie an Kapital aufgenommen haben.
Sinkt hingegen der Kurs des Euros gegenüber der Kreditwährung, so erhöht sich jedoch der Euro Gegenwert der Kreditaushaftung: Für Zinszahlungen und Tilgung des Kapitalbetrages werden dann höhere Euro Beträge benötigt, die Belastung wird für Sie höher und es kann der Fall eintreten, dass Sie mehr zurückzahlen müssen, als Sie ursprünglich an Kapital aufgenommen haben.
Die Auswirkung von Wechselkursschwankungen auf Ihre Belastung hängt auch davon ab, ob und in welcher Weise Ihnen gleichzeitig auch Einkünfte und Vermögenswerte in der gleichen Währung zur Verfügung stehen. So können Erträgnisse aus Veranlagungsprodukten, welche in der für den Kredit gewählten Währung zufließen, dazu beitragen, die Effekte von Wechselkursschwankungen zu mindern.“
Diese Textpassagen enthalten lediglich allgemeine Erklärungen der Bank über die Risiken eines Fremdwährungskredits. Der Kreditnehmer erklärt oder bestätigt darin nichts, auch nicht die erfolgte Aufklärung. Daher beeinflussten sie auch nicht die Rechtsposition des Kreditnehmers.
Un die Klausel „Fremdwährungskredite sind effektiv, das heißt, in der Währung zurückzuzahlen, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat.“?
Ist weder intransparent, noch benachteiligt sie den Kunden gröblich (§ 879 Abs 3 ABGB).
Und was ist mit dem „Fremdwährungskreditanbot“ der Bank mit dem Wortlaut:
„Die Rückführung des Kredits zu den oben angeführten Stichtagen, umgerechnet zum jeweiligen Briefkurs auf Basis Bank Fixing, hat zulasten Ihres Kontos […] zu erfolgen, [...]“?
Ist auch nicht intransparent.
12.10.2021, keine Gesamtnichtigkeit des FX-Vertrages bei Unwirksamkeit von Konvertierungsklauseln
Und so geht es auch weiter: Mit 1 Ob 163/21h erkennt der Oberste Gerichtshof, ein („echter“) Fremdwährungskredit setze voraus, dass der Kredit in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird und die fremde Währung die – vor allem für die Rückzahlungspflicht maßgebliche – Grundlage bildet. Entscheidend ist, ob der Vertrag Ansprüche auf Zahlung in der Fremdwährung begründet. In diesem Fall muss der Kreditnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Vertrag grundsätzlich (sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist oder sich der Schuldner auf die Ersetzungsbefugnis des § 907b ABGB beruft) in der fremden Währung erfüllen. Auch der Kreditgeber ist – sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht – zur Kreditauszahlung in dieser Währung verpflichtet. Wird dem Kreditnehmer die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs-)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt er sich den Kredit in Euro auszahlen, tritt zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu.
Entfielen – wie dies der Kläger anstrebt – bei einem solchen Fremdwährungskreditvertrag die hier beanstandeten „Konvertierungsklauseln“, nach denen die Kreditzuzählung durch die Beklagte sowie die Zahlungen des Klägers statt in der vereinbarten Fremdwährung – zum jeweils aktuellen Wechselkurs – auch in Euro erfolgen können, und käme auch eine Anwendung des § 907b Abs 1 ABGB nicht in Betracht, so bliebe es dabei, dass die Zahlungen in der Fremdwährung zu erfolgen haben. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen.
Dem Argument, die Unwirksamkeit des gesamten Kreditvertrags ergebe sich daraus, dass ohne die erste der beanstandeten „Konvertierungsklauseln“ die genaue Kreditsumme nicht feststellbar sei, weil dazu bloß ein „Gegenwert“ in Euro vereinbart worden sei, ist entgegenzuhalten, dass im ursprünglichen Kreditvertrag ein fixer Wechselkurs individuell vereinbart wurde.
... und noch eine Entscheidung vom 14.09.2021:
In 6 Ob 154/21x bekräftigt der OGH, was er schon zu 8 Ob 37/20d gesagt hatte:
Selbst der typische, nicht juristisch geschulte Kunde weiß demnach
- zum einen, dass er einen Fremdwährungskredit aufgenommen, also laienhaft ausgedrückt einen bestimmten Fremdwährungsbetrag bei der Bank ausgeliehen hat und dessen Rückzahlung zuzüglich Zinsen schuldet.
- Zum anderen muss der Kunde davon ausgehen, dass der Unternehmer (die Bank) dies nicht umsonst machen würde, also mit dem Wechseln von Geld einen Gewinn anstrebt.
Und nein, es besteht kein Grund für die Annahme, dass mit der Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags auch der Fremdwährungskreditvertrag wegfiele. Vielmehr kann der Fremdwährungskreditvertrag auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden. Nach dem Fremdwährungskreditvertrag nahmen die Kläger einen CHF-Kredit im Gegenwert von 84.599,81 EUR auf, der bei Ende der Laufzeit effektiv, also in Schweizer Franken, zurückzuzahlen ist. An Sollzinsen waren 2,5 % pa vereinbart. Zutreffend wiesen die Vorinstanzen bereits darauf hin, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, die Umwechslung bei der beklagten Bank vorzunehmen.
14.09.2021: Wieder einmal, nämlich am 2. September 2021, hat der Europäische Gerichtshof zu missbräuchlichen Klauseln in Fremdwährungskreditverträgen entschieden.
Das Urteil in der Rechtssache C-932/19 wurde soeben veröffentlicht, sein Spruch jedoch lautet für die meisten wohl unverständlich:
'Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die in Bezug auf mit einem Verbraucher geschlossene Darlehensverträge eine als missbräuchlich an-gesehene Klausel über die Wechselkursdifferenz für nichtig erklärt und das zuständige nationale Gericht verpflichtet, sie durch eine Bestimmung des nationalen Rechts zu ersetzen, die die Anwendung eines offiziellen Wechselkurses vorschreibt, ohne die Möglichkeit vorzusehen, dass dieses Gericht dem Antrag des betroffenen Verbrauchers auf Nichtigerklärung des Darlehensvertrags in seiner Gesamtheit stattgibt, obwohl es davon ausgeht, dass der Fortbestand dieses Vertrags den Interessen des Verbrauchers zuwiderläuft, insbesondere im Hinblick auf das Wechselkursrisiko, das der Verbraucher aufgrund einer anderen Klausel in diesem Vertrag weiterhin trägt, soweit das Gericht demgegenüber im Rahmen seiner Beurteilungsbefugnis und ohne dass der vom betroffenen Verbraucher zum Ausdruck gebrachte Wille insoweit Vorrang hätte, festzustellen vermag, dass die Durchführung der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte.'
Was heißt das jetzt?
Wenn die Bank im Kreditvertrag missbräuchliche Klauseln verwendet hat, so der EuGH in seinen früheren Entscheidungen, fallen diese Klauseln als nichtig weg. Aber was, wenn diese Klauseln derart zentral waren, dass der Kredit ohne die Klausel keinen Sinn mehr macht, wie zum Beispiel die Wechselkurs-Klausel bei einem Fremdwährungskredit: Fällt dann der gesamte Kreditvertrag als nichtig weg (und müsste bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden)? Oder kann das nationale Gericht eine ergänzende Vertragsauslegung vornehmen, indem es die missbräuchliche Klausel über den Wechselkurs durch eine Bestimmung des nationalen Rechts ersetzt?
Letzteres ist der Fall, sagt der EuGH nun, aber nur, sofern die Durchführung der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht, die Sach- und Rechtslage wieder herzustellen, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befunden hätte.
Nun muss man allerdings wissen: Die Rechtssache betraf eine ungarische Vorlagefrage. Und weil bekanntlich Ungarn der massiven Fremdwährungs-Problematik mit einem eigenen Gesetz über Fremdwährungskredite begegnet war, gibt es dort eben jetzt solche nationalen Vorschriften, deren Vereinbarkeit mit EU-Recht der EuGH jetzt – übrigens nicht zum ersten Mal – zu prüfen hatte.
Der EuGH argumentiert, es sei Ziel der Klauselrichtlinie 93/13/GWK, die Ausgewogenheit zwischen den Kreditvertragsparteien wieder herzustellen. Um das zu erreichen müsse man grundsätzlich die Wirksamkeit des Kreditvertrages in seiner Gesamtheit aufrecht erhalten, nicht aber sämtliche Verträge für nichtig zu erklären, die missbräuchliche Klauseln enthalten. Es sei daher weder möglich noch schon gar erforderlich, dass das nationale Gericht in einem solchen Fall dem Antrag des Verbrauchers auf vollständige Nichtigerklärung des Kreditvertrags stattgibt; vielmehr solle es nur die Klausel über die Wechselkursdifferenz aufheben und durch eine nationale Bestimmung ersetzen, wie dies in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
Insofern es solche nationalen Rechtsvorschriften in Österreich – noch – nicht gibt, ist das Urteil des EuGH also auf Österreich nicht unmittelbar übertragbar.
08.01.2021: Die Vorgeschichte zur Rechtslage bei Fremdwährungskrediten dürfen wir als bekannt voraussetzen, sie ist auch unserer Seite Fremdwährungskredite zu entnehmen.
Nun kommt die neue Entscheidung C-229/19 und C-289/19 des Europäischen Gerichtshofs hinzu: Wann gilt eine Klausel in einem Verbrauchervertrag als „missbräuchlich“ – und vor allem: was sind die Folgen? Diese Entscheidung wird vieles umdrehen, was bisher gegolten hat.
Die beiden genannten Rechtssachen waren verbunden und mit Urteil des Gerichtshofs vom 27.01.2021 (verkürzt gesagt) dahingehend entschieden worden,
- dass eine Klausel in einem Verbrauchervertrag dann als missbräuchlich gilt, wenn sie ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen kann (und zwar auch dann, wenn dieses Missverhältnis nur unter bestimmten Umständen eintritt oder die Klausel unter anderen Umständen sogar dem Verbraucher zugutekommen könnte!); weiters,
- dass ein Unternehmer, der einem Verbraucher eine solche Klausel auferlegt hat, keinen Anspruch auf Entschädigung hat.
Das ist deswegen bedeutsam, weil es bisher in Österreich so war:
Wenn zum Beispiel die Bank im Kreditvertrag missbräuchliche Klauseln verwendet hat, kann von einem Gericht festgestellt werden, dass sie ungültig und nichtig sind. Dann fallen sie weg. Denn auch „Klauseln“, z. B. Umrechnungsklauseln, sind doch immer Vertragsbestandteile. Und ein „Vertrag“, auch ein Kreditvertrag, kommt wirksam nur durch den übereinstimmenden Willen beider Parteien zustande (§ 861 ABGB).
Die Einwilligung in einen Vertrag darf nicht etwa erschlichen oder gar erzwungen werden, sondern sie muss frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden, sonst entsteht kein Vertrag (§ 869 ABGB).
Wir wissen auch längst, was wir tun müssen, wenn nach Abschluss des Vertrages Problemfälle auftreten, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden: Dann ist zu prüfen (nämlich: unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte), welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für diesen Fall vereinbart hätten (das nennt man dann „ergänzende Vertragsauslegung“; RIS-Justiz RS 0113932). Wie geht das? Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht, wobei es unter diesen Aspekten keine feste Rangfolge gibt, sondern unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten die Lücke so zu schließen ist, wie es der Gesamtregelung des Vertrags gemessen an der Parteienabsicht am besten entspricht (RIS-Justiz RS 0017832).
Die ergänzende Vertragsauslegung kann natürlich nur dann Platz greifen, wenn überhaupt eine „Vertragslücke“ vorliegt (RIS-Justiz RS 0017829). Aber eine Klausel, die durchaus da war, nur als ungültig wegfiel, ist keine solche Lücke. Was passiert mit einem Vertrag, dem eine essentielle Klausel fehlt, sodass er nicht mehr umgesetzt werden kann?
Nun war zwar bereits seit der EuGH-Entscheidung C-397/11 und C-488/11 vom 30.05.2013 klar, dass missbräuchliche Klauseln beim Verbrauchergeschäft nicht etwa derart reduziert („zurechtgestutzt“) werden dürfen, dass eben ihr Kern gerade noch gelten soll. Vielmehr fallen missbräuchliche Klauseln einfach weg.
Was ist dann aber mit dem Rest des Vertrages, nachdem die missbräuchliche Klausel – sagen wir: über den anwendbaren Wechselkurs (Aufpassen: Viele Klauseln zum Wechselkurs sind zwar „intransparent“ und gelten deswegen nicht. Das ist aber nicht dasselbe wie „missbräuchlich“, worüber der EuGH entschieden hat!) – weggefallen ist? Ist dann auch noch eine ergänzende Vertragsauslegung (siehe oben) möglich? Österreich und die meisten anderen Mitgliedsstaaten meinten bisher: ja, natürlich; was denn auch sonst? Der EuGH meint hingegen jetzt: Wenn das nationale Gericht die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher feststellt, darf das nationale Gericht den Vertrag nicht durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel anpassen (Rz 63f). Denn sonst könnte doch der Unternehmer einfach missbräuchliche Klauseln verwenden und sich sagen, „schauen wir mal, ob sie aufgehoben werden, wenn nicht, ist gut, wenn schon, gilt immer noch das, was ohnehin gegolten hätte.“ So ist es jedenfalls einmal dann, wenn der Vertrag auch ohne die weggefallene Klausel noch fortbestehen kann.
Kann ein Fremdwährungskredit ohne Wechselkurs-Klausel überhaupt bestehen bleiben? Und, weiter gefragt: Wenn er nicht bestehen bleiben kann, was folgt dann für die Vertragsparteien daraus? Darüber sagt uns auch die neue Entscheidung leider noch nichts, weil dort der Vertrag bestehen bleiben konnte. Aber weitere Rechtssachen werden folgen.
Ein Fremdwährungskreditvertrag wäre ja, wie der Oberste Gerichtshof schon in 8 Ob 37/20d erkannt hat, ohne eine wirksame Vorschrift über die Umrechnung der Fremdwährung in Euro nicht oder nur dann umsetzbar, wenn die Aus-, Rück- und Zinszahlung allein in der Fremdwährung erfolgen würde. So steht es auch in den meisten Kreditverträgen drin: Vergibt eine österreichische Bank einen Fremdwährungskredit, so muss der Kreditnehmer seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag (inklusive Zinsen) grundsätzlich in der fremden Währung tätigen. Aber der Vertrag ist hier nicht alles. Denn im Gesetz) gibt es dazu eine kleine Erleichterung:
§ 907 b ABGB: Ist eine in ausländischer Währung (z. B. CHF) ausgedrückte Geldschuld im Inland zu zahlen, so kann die Zahlung in inländischer Währung (EUR) erfolgen, es sei denn, dass die Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen worden ist.
Das Gesetz will es dem inländischen Kreditschuldner deswegen leichter machen, weil schon immer die Verschaffung von Auslandswährung prinzipiell schwierig war: Der Schuldner kann deswegen zwar wählen, ob er statt in der fremden Währung in Euro bezahlt. Er hat aber kein Recht, eine Geldschuld in irgendeiner Währung seiner Wahl zu bezahlen (RIS-Justiz RS 0061064).
Die Umrechnung erfolgt dann nach dem zur Zeit der Zahlung am Zahlungsort maßgeblichen Kurswert (§ 907 b Abs 2 ABGB). Nun gibt es aber seit Jahrzehnten keinen amtlich festgestellten, verlautbaren Devisenkurs mehr. Auch die letzte Entscheidung 8 Ob 37/20d hilft uns hier nicht weiter, im Gegenteil: Sie sagt, die Bank darf einmal mit einem Umrechnungsvorschlag kommen, und falls der Kreditnehmer dem nicht begründet widerspricht, hat er Pech gehabt.
Daraus folgt: All jene, bei denen schon demnächst eine Umrechnung (Konvertierung) ansteht, sollten aufpassen, welchen Kurs die Bank wählt. Und all jene, bei denen das Laufzeitende noch weit ist, sollten die weitere Rechtsentwicklung nach der Klauselentscheidung des EuGH im Auge behalten.
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