Bun­des­ge­richts­hof. Im Skan­dal um il­le­ga­le Ab­schalt­ein­rich­tun­gen bei VW set­zen ak­tu­el­le Ur­tei­le den An­sprü­chen ge­schä­dig­ter Kun­den Gren­zen. In man­cher Hin­sicht könn­ten Käu­fer aber auch pro­fi­tie­ren.

Im VW-Die­selskan­dal gibt es vier neue Ur­tei­le des deut­schen Bun­des­ge­richts­hofs (BGH). Die Rich­ter setz­ten den Er­satz­an­sprü­chen ge­schä­dig­ter Au­to­käu­fer deut­li­che Gren­zen, in ei­nem – nicht un­we­sent­li­chen – Punkt be­kam je­doch der Kun­de recht. Un­mit­tel­bar be­trifft das zwar nur Ver­fah­ren vor deut­schen Ge­rich­ten, die Ur­tei­le kön­nen aber auch Bei­spiel­wir­kung für Ös­ter­reich ha­ben. Denn die Rechts­la­ge ist in bei­den Län­dern sehr ähn­lich.

Laut den deut­schen Höchst­rich­tern ha­ben vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ne Au­to­käu­fer un­ter an­de­rem dann schlech­te Kar­ten, wenn sie ihr Fahr­zeug schon sehr in­ten­siv ge­nützt ha­ben. Die ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter muss sich ein ge­schä­dig­ter Käu­fer näm­lich als „Nut­zungs­vor­teil“an­rech­nen las­sen. Und kann so­gar  gänz­lich leer aus­ge­hen, wenn die er­war­te­te Ge­samt­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs er­reicht oder über­schrit­ten wur­de. Im kon­kre­ten Fall ging es um ei­nen VW Pas­sat, der ge­braucht mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 57.000 ge­kauft wor­den war, in­zwi­schen aber 255.000 ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter auf­wies. Die Ge­rich­te gin­gen für die­ses Fahr­zeug von ei­ner er­war­te­ten Lauf­leis­tung von 250.000 Ki­lo­me­tern aus, der Er­stat­tungs­an­spruch sei so­mit zur Gän­ze auf­ge­zehrt. Die zur Be­rech­nung der Nut­zungs­vor­tei­le her­an­ge­zo­ge­ne For­mel – Brut­to­kauf­preis mal ge­fah­re­ne Stre­cke seit Er­werb, ge­teilt durch er­war­te­te Rest­lauf­leis­tung – war laut den Höchst­rich­tern in Karls­ru­he nicht zu be­an­stan­den.

Kein Recht auf De­likt­szin­sen

Eben­so ver­nein­ten sie ei­nen An­spruch auf so­ge­nann­te De­likt­szin­sen in Hö­he von vier Pro­zent. Die­se ste­hen grund­sätz­lich dem­je­ni­gen zu, der durch ein De­likt ei­nen Scha­den bzw. Ver­lust er­lit­ten hat. Der Käu­fer ei­nes ma­ni­pu­lier­ten Die­sel­au­tos ha­be für sein Geld je­doch trotz al­lem „ein in tat­säch­li­cher Hin­sicht voll nutz­ba­res Fahr­zeug er­hal­ten“, da­durch sei der Ver­lust kom­pen­siert wor­den, ent­schied der BGH sinn­ge­mäß.

In ei­ner wei­te­ren Ent­schei­dung stell­te er au­ßer­dem klar, dass Käu­fer ma­ni­pu­lier­ter VW-Die­sel­fahr­zeu­ge kei­nen An­spruch auf Scha­den­er­satz ha­ben, wenn sie das Au­to erst nach der Auf­de­ckung des Die­selskan­dals ge­kauft ha­ben. Am 22. Sep­tem­ber 2015 hat­te VW die Öf­fent­lich­keit in ei­ner Pres­se­mit­tei­lung über Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten der Soft­ware bei Die­sel­mo­to­ren vom Typ EA189 in­for­miert. Von da an sei das Ver­hal­ten des Au­to­bau­ers ge­gen­über den Käu­fern sol­cher Fahr­zeu­ge nicht mehr sit­ten­wid­rig ge­we­sen.

Ein Ver­fah­ren ging al­ler­dings zu­guns­ten des Au­to­käu­fers aus: Die­ser hat­te das von VW an­ge­bo­te­ne Soft­ware-Up­date vor­neh­men las­sen. Der Kun­de sei da­mit schad­los ge­stellt, ar­gu­men­tier­te VW. Die Höchst­rich­ter ver­nein­ten das je­doch: Der Scha­den lie­ge näm­lich in ei­nem „sit­ten­wid­rig her­bei­ge­führ­ten, un­ge­woll­ten Ver­trags­schluss“. Und fal­le des­halb auch dann nicht weg, wenn der Wert oder Zu­stand des Kauf­ge­gen­stands nach­träg­lich ver­än­dert wird.

Soft­ware-Up­date än­dert nichts

Die­ses Ar­gu­ment des Au­to­bau­ers sei da­mit wohl end­gül­tig vom Tisch, und zwar ge­nau­so für Ös­ter­reich, sagt Rechts­an­walt Be­ne­dikt Wall­ner zur „Pres­se“. Es sei jetzt klar, „dass ein Soft­ware-Up­date am An­spruch nichts än­dert“. Sehr vie­len jetzt noch an­hän­gi­gen Fäl­len ge­be das ei­nen neu­en Drall. Und zwar zu­guns­ten der Käu­fer.

Da­von ab­ge­se­hen ha­be das deut­sche Höchst­ge­richt durch sei­ne Ent­schei­dun­gen je­doch „den Rechts­frie­den in ei­ner in­dus­triefreund­li­chen Wei­se her­ge­stellt“, re­sü­miert der Ju­rist. Wall­ner be­zieht sich da­bei auf das Nein der deut­schen Höchst­rich­ter zu ei­nem An­spruch auf De­likt­szin­sen – was er für falsch hält. Es füh­re näm­lich zu ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on zu­guns­ten des Au­to­bau­ers – denn der Käu­fer muss sich ja oh­ne­hin auch sei­nen Nut­zungs­vor­teil an­rech­nen las­sen. Ob hei­mi­sche Ge­rich­te in die­sem Punkt ge­nau­so ent­schei­den wer­den, bleibt ab­zu­war­ten.

Da­von ab­ge­se­hen ha­be das deut­sche Höchst­ge­richt durch sei­ne Ent­schei­dun­gen je­doch „den Rechts­frie­den in ei­ner in­dus­triefreund­li­chen Wei­se her­ge­stellt“, re­sü­miert der Ju­rist. Wall­ner be­zieht sich da­bei auf das Nein der deut­schen Höchst­rich­ter zu ei­nem An­spruch auf De­likt­szin­sen – was er für falsch hält. Es füh­re näm­lich zu ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on zu­guns­ten des Au­to­bau­ers – denn der Käu­fer muss sich ja oh­ne­hin auch sei­nen Nut­zungs­vor­teil an­rech­nen las­sen. Ob hei­mi­sche Ge­rich­te in die­sem Punkt ge­nau­so ent­schei­den wer­den, bleibt ab­zu­war­ten.

Nach­satz: „All das be­zieht sich nur auf den Mo­tor EA189. „Strit­tig sind aber auch an­de­re Ab­schalt­ein­rich­tun­gen, vor al­lem das so­ge­nann­te Ther­mo­fens­ter, mit dem in­zwi­schen der EuGH be­fasst ist. Qua­li­fi­ziert er die­ses eben­falls als il­le­gal, „sind die Kar­ten neu ge­mischt“, sagt Wall­ner. Dann könn­ten auch für Käu­fer, die ih­re Fahr­zeu­ge nach Be­kannt­wer­den des Die­selskan­dals er­wor­ben ha­ben, wie­der An­sprü­che mög­lich sein. Und es wä­ren dann auch an­de­re Fahr­zeug­her­stel­ler be­trof­fen. Dies­be­züg­lich hät­ten ei­ni­ge Klar­stel­lun­gen in den ak­tu­el­len Ur­tei­len – et­wa, dass tat­säch­lich ein sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten des Au­to­bau­ers vor­lag – die Po­si­ti­on der Käu­fer so­gar ge­stärkt, meint Wall­ner.
Quelle: Die Presse, 01.08.2020, Christine Kary
 
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